"Da ist was in Schieflage geraten"
Wenn rechte Sympathien bei der Polizei mit rechten Behauptungen erklärt werden
Der rechtslastige ZDF-Moderator Peter Hahne sorgte vor zwei Jahren in einer Talkshow mit seiner Behauptung für Aufsehen, wonach es in Berlin keinen Polizisten gäbe, der nicht AfD gewählt hat. Tatsächlich ist diese pauschale Behauptung natürlich nicht haltbar. Doch dass die rechten Sympathien unter Polizisten zunehmen, wird in linken Zeitungen durchaus mit vielen Beispielen belegt.
So findet sich in der Monatszeitung analyse und kritik eine Fülle von Beispielen aus verschiedenen Bundesländern. Ob es ein rechtes Polizeinetzwerk in Hessen ist, Ku-Klux-Klan-Mitglieder bei der Polizei in Baden-Württemberg oder Hitlergrüße bei einem bayerischen Polizeikommando: Es sind so viele sogenannte Einzelfälle aufgelistet, dass man sagen kann, das hat System.
Das hat der CDU-Politiker Friedrich Merz bestätigt, als er vor einem Rechtsruck bei der Polizei warnte. Wie oft, wenn es um rechte Umtriebe geht, werden Warnungen von links als Alarmismus abgetan oder gleich als Polizeifeindlichkeit bekämpft, bis sie dann von bürgerlichen Politikern bestätigt wurden, natürlich ohne diejenigen, die seit Jahren die Aufklärung und Recherchearbeit leisten, überhaupt zu erwähnen. Denn Merz hat mit seiner Warnung nun bestimmt keine Polizeikritik im Sinn, ganz im Gegenteil.
Mehr Unterstützung für Polizei als Kampf gegen rechts?
"Wir verlieren offenbar Teile der Bundeswehr an die AfD. Wir verlieren Teile der Bundespolizei an die AfD", sagte der frühere Fraktionschef im Bundestag der Bild am Sonntag. Die CDU müsse daher eine Partei sein, die ohne Wenn und Aber hinter den Sicherheitsorganen stehe. "Nur mit eindeutigem Rückhalt aus der Politik können sie jeden politischen Extremismus erfolgreich bekämpfen", sagte Merz.
Man stelle sich vor, Unionspolitiker hätten in den Jahren, als Studierende sich eher linkspolitisch betätigt haben, gesagt, wir müssen uns ohne Wenn und Aber hinter sie stellen. Das wäre natürlich unvorstellbar. Die linken und linksliberalen Studierenden wurden nicht nur politisch angegriffen. Es wurde auch repressiv gegen sie vorgegangen. Genau das hört man aus dem Statement von Merz nicht heraus.
Besonders bedenklich ist seine Aufforderung, sich ohne Wenn und Aber hinter eine Polizei zu stellen, von der er vorher selbst gesagt hat, dass sie nach rechts tendiert. Heißt dieses "Ohne Wenn und Aber" dann, genau die Rechtslastigkeit darf keine Rolle spielen bei der bedingungslosen Solidarität mit der Polizei? Eine Untersuchungskommission wird von Merz gar nicht erst gefordert.
Wenn die Geflüchteten an rechten Polizisten schuld sind
Noch deutlicher drückte sich der Stellvertretende Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, Jörg Radek, aus, als er angeblich unbegrenzt nach Deutschland strömende Migranten als Begründung anführte, dass Polizisten AfD wählen.
"Da ist bei vielen Beamten etwas in Schieflage geraten, was sich in Sympathien für das rechtsnationale Parteienspektrum ausdrückt", sagte Bundespolizist Radek der Rheinischen Post.
Die Bundesregierung habe der Bundespolizei nie erklärt, warum die Beamten im Jahr 2015 und danach trotz ihres strapaziösen Einsatzes an der Grenze von ihrem gesetzlichen Auftrag, die unerlaubte Einreise zu unterbinden, hätten abweichen müssen.
Daraus haben sich bei Bundespolizisten Sympathien für die AfD entwickelt. Eine politische Spätfolge davon ist, dass heute Bundespolizisten bei Landtagswahlen für die AfD kandidieren.
Jörg Radek
Er beklagte, dass die "Wertschätzung der Bundesregierung für die Arbeit der Bundespolizei" über viele Jahre in der Großen Koalition nicht spürbar gewesen sei. Erst in den vergangenen drei Jahren habe ein Umdenken stattgefunden, es gebe mehr Stellen. "Für den Vertrauensverlust ist das zu spät", sagte Radek.
Dabei stellt Radek eine rechte Fama ganz selbstverständlich als Tatsache hin, wenn er von der unerlaubten Einreise von Menschen im Jahr 2015 spricht. Diesen Stoff haben verschiedene rechte Homepages, aber auch der CSU-Vorsitzende Seehofer, als er noch im Kabinett war, eifrig gesponnen. Seehofer sprach damals von der Herrschaft des Unrechts.
Damit hat man die AfD und ähnliche Gruppen natürlich nur bestätigt. Es haben verschiedene bürgerliche Verfassungsrechtler immer wieder betont, dass die Einreise von Migranten 2015 durchaus im Rahmen der EU-Gesetze geschehen ist. Wenn nun Radek ganz selbstverständlich die Ideologie vom rechtlosen Zustand 2015 an der Grenze scheinbar als Tatsache weiterverbreitet und niemand da auch nur eine Kritik anbringt, dann hat die Rechte hegemonial schon gesiegt.
Dabei ist es egal, ob die AfD oder die traditionelle Rechte davon profitiert. Radek bedient die gleichen rechten Ideologieversatzstücke, die Redner auf Pegida-oder AfD-Treffen ebenfalls bedienen, wenn sie die Polizei auffordern, sie solle angeblich rechtswidrige Befehle nicht mehr ausführen.
Es gab sogar Putschvorstellungen von Polizei und Militär, die die Grenze besetzen und auf ihre Weise Recht und Ordnung wiederherstellen sollen. Wie das genau aussehen soll, sagen sie natürlich ebenso wenig wie Radek. Was hätten die Polizisten also 2015 in den Augen von Radek und Co. machen sollen? Die Migranten vor der Grenze in Auffanglagern konzentrieren und wenn sie sich wehren, auf sie schießen?
Dass Radek das Bild vom schwerarbeitenden Polizisten bedient, der kein Verständnis dafür hat, dass er wenige Tage lang im September 2015 mal an bestimmten Grenzorten weniger Arbeit hatte, spricht Bände. Es geht dem rechten deutschen Aktivbürger mit und ohne Uniform überhaupt nicht darum, sich über zu viel und schlechte Arbeit zu wehren. Dann hätte er den Migranten viel Glück gewünscht und Pause gemacht.
Nein, der rechte Aktivbürger will rund um die Uhr für Deutschland aktiv sein, um das, was er als Recht und Ordnung versteht, an denen zu exekutieren, die es seiner Meinung nach nicht verdient haben, deutschen Boden zu bedienen. Diese Phantasmen wabern durch die Reden nicht nur von AfD-Politikern, sie sind auf Pegida-Demos zu hören und sie sind auch die Grundlage von Jörg Radeks Erklärung.
Die wurde nun in der Öffentlichkeit als Warnung eines besorgen Polizeigewerkschaftern vor dem Rechtsruck in seinem Berufsstand verkauft. Den rechten Spin darin hat kaum jemand erwähnt. Wurde er nicht wahrgenommen oder sind sich auch die liberalen AfD-Kritiker schon mit Radek einig, dass im September 2015 ein rechtswidriger Zustand an deutschen Grenzen geherrscht hat, die einen rechtschaffenen Polizisten schon mal zum AfD-Wähler macht? Oder will man einen Mann wie Radek als Bündnispartner gegen rechts nicht vergraulen?
Das wäre dann in der Tat ein äußerst hilfloser Versuch. Nach dem Vorbild des NSU-Tribunals wäre eine öffentliche Veranstaltung der zivilgesellschaftlichen Kräfte angesagt, die sich mit den rechten Tendenzen bei der Polizei befassen und ihre Opfer zu Wort kommen lassen sollte. Die Gruppe Kritischer Polizisten, die sich im Gegensatz zu Radek wirklich mit kritisch mit der Polizei befasst und die für eine solche Veranstaltung Bündnispartner sein könnten, sind nach internem Mobbing wohl kaum mehr existent.