Dänemark: Lange Koalitionsverhandlungen nach der Wahl
Dänemark ist nach Schweden und Finnland das dritte skandinavische Land, in dem die Sozialdemokraten die Parlamentswahlen gewonnen haben
Die Partei unter der voraussichtlichen Premierministerin Mette Frederiksen erreichte bei den Parlamentswahlen am Mittwoch nach aktuellem Stand 25,9 Prozent, die liberale "Venster" des Amtsinhabers Lars Lökke Rasmussen liegt bei 24,3 Prozent. Da die Parteien sogenannte "Blocks" bilden, überwiegt der rote Block mit 49,1 Prozent über den blauen mit 43,5 Prozent.
Soviel scheint klar - gewonnen hat die 41-jährige Herausforderin mit einer schärferen Rhetorik in der Ausländerpolitik und dem Versprechen, sich wieder mehr um den Ausbau der Wohlfahrt zu sorgen. Dem Ansinnen Rasmussens, eine große Koalition zu bilden, erteilte die energisch auftretende Politikerin sogleich eine Abfuhr, zumal er sich selbst als weiterer Regierungschef empfahl. Königin Margarethe II. hat am Donnerstag den Rücktritt des Liberalen übernommen und die Sozialdemokratin mit der Regierungsbildung beauftragt. Frederiksen strebt eine Minderheitsregierung an.
"Das ist ein historisch großer Sieg", sagte die Politikerin nach der Bekanntgabe der Ergebnisse. Von einem "lauwarmen Sieg" sprach ein Journalist des öffentlich-rechtlichen Fernsehens DR. In den Umfragen standen die Sozialdemokraten besser da. Auch gelten die 25,9 als eines der schlechtesten Ergebnisse der Partei.
Aufgeholt haben die kleineren linken Parteien, vor allem die "Sozialistische Volkspartei" (SF) und die "Radikale Linke" (RV). Sie haben sich in Frage des Klimaschutzes weit klarer positioniert und somit ein von anderen Parteien unterschätztes Thema bedient. Zudem verlangt die SF eine Einführung des Mindestlohns und will in dieser Frage nicht verhandeln.
Der Parteichef der "Radikalen Linken" (RV), Morten Östergaard, macht dem Namen seiner Formation alle Ehre. Nicht, weil sie dogmatisch radikal ist, sondern weil Östergaard radikal selbstbewusst auftritt: "Mette Frederiksen bekommt diese Chance", erklärte er bei einem Treffen der Parteispitzen in der Nacht auf Donnerstag. "Wenn sie sich meiner Richtung anschließt, darf sie Premierministerin werden." Auch wollen diese Parteien ein harsches Vorgehen gegen Migranten, wie ihn bereits die Regierung Lökke Rasmussen praktiziert hatte, nicht alle mittragen. Die rot-grüne Einheitsliste, die leichte Verluste hinnehmen musste, verlangte ebenso mehr grüne Politik und ein umfassendes Sozialpaket.
Rechte Sprüche gegen Migranten wurden in der Sozialdemokratie salonfähig
Als großer Verlierer mit acht Prozent gilt die "Dänische Volkspartei", vor vier Jahren erreichten sie noch 21,1 Prozent. Ihre Forderung nach weniger Einwanderung, strengeren Strafen, mehr Abschiebungen, wurde von den Sozialdemokraten kopiert. Frederiksen schlug beispielsweise vor, Zentren für Asylsuchende in Nordafrika zu errichten.
Von den beiden weiter rechts stehenden neuen Parteien schaffte es die "Neue Bürgerlichen" über die Zwei-Prozent-Hürde; der "Stramme Kurs", dessen Parteichef Rasmus Paludan die 300.000 Muslime abschieben wollte und öffentlich Korane verbrannte, scheiterte mit 1,8 Prozent knapp, kann sich aber dennoch über Geldspenden freuen, die sicherlich in weitere provokante Aktionen einfließen werden.
Dänemarks künftige Entwicklung hängt nun von dem Verhandlungsgeschick der studierten Sozialwissenschaftlerin ab. Die Strategie des "schwarzen Turms" wolle sie nicht wiederholen. Damals schlossen sich die Sozialdemokraten unter Helle Thorning-Schmidt mit den Parteispitzen der "Sozialistischen Volkspartei" (SF) und der "Radikalen Linken" (RV) in ein Hotel ein und ließen die Gerüchteküche brodeln. Dieses Mal würde transparenter verhandelt, aber auch "hartherzig", glaubt die konservative Zeitung Berlingske.
Dabei lohnt ein Blick auf die Persönlichkeit der Politikerin, die rechte Sprüche gegen Migranten in der Sozialdemokratie Dänemarks salonfähig gemacht hatte. Die Politisierung der 1977 in Aalborg geborenen Mette Frederiksen begann an einem Küchentisch: Als Kind soll sie mit oft bei ihrer Mutter, einer Lehrerin, gesessen sein und bei Kaffee und Kuchen die Geschichten von Arbeitskollegen ihres Vaters gehört haben, der in einer Druckerei arbeitete - von Entlassungen, zu hohen Mieten und anderen sozialen Miseren. Dänemark ging es damals wirtschaftlich schlecht.
Um den Küchentisch fand auch das "Parlament" der traditionellen Arbeiterfamilie statt, um anstehende Probleme zu besprechen. Als sie nach einem Armbruch im Krankenhaus lag, schenkte ihr der Vater angeblich anstatt eines Stofftiers das Buch "So grün war mein Tal", ein Roman über Arbeiterschicksale in Wales von Richard Llewelyn. Der Vatersah sie mit sieben Jahren als "politisiert" an und attestierte ihr eine festen Willen.
In der sozialdemokratischen Regierung wird sie 2011 Arbeitsministerin unter Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt, 2014 übernimmt sie das Justizressort. Durch die dort gewonnen Erfahrungen, so sagt sie, habe sie ihre Meinung zu Migration und Integration revidieren müssen. Festhalten will sie jedoch an der Wohlfahrt: "Ich bin Sozialdemokratin, weil ich für Gerechtigkeit brenne."
Ihr Ansehen als Streiterin für Gerechtigkeit erlitt 2010 und 2012 Risse, als sich jeweils herausstellte, dass sie ihre Tochter und ihren Sohn auf eine Privatschule schickte, wobei sie sich zuvor für den Gang auf die staatlichen Schulen stark gemacht hatte. Einen solchen Lapsus kann sie sich unter dem Druck der selbstbewussten Linksparteien jedenfalls nicht mehr leisten.