Dänemark: Teil-Lockdown der Gesellschaft und des Vertrauens?

Regierungschefin Mette Frederiksen: Damit Weihnachten gelingt, müssten nun die Dänen auf die Regierung hören. Trotz Vertrauensverlust

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"Die Infektionszahlen sind zu hoch und zu besorgniserregend", so Regierungschefin Mette Frederiksen am Montag in Kopenhagen. Die sozialdemokratische Minderheitsregierung beschloss darum, in 38 Kommunen, darunter auch Kopenhagen, einen Lockdown vom 9. Dezember bis zum 3. Januar umzusetzen - Restaurants und Schulen ab der 5. Klasse werden geschlossen, Beamte müssen größtenteils zu Hause arbeiten.

Die Bestimmungen betreffen in etwa die Hälfte der Bevölkerung des Landes. Gleichzeitig hat die Regierung mit einem Vertrauensverlust durch die Nerz-Krise zu kämpfen.

In dem Königreich mit knapp sechs Millionen Einwohnern sind derzeit über 92 000 Infektionsfälle und 894 Todesfälle zu verzeichnen.

Eine "Erfolgsgeschichte" nannte die 41-jährige Frederiksen den bisherigen Weg des Landes durch die Pandemie, - nach einem harten Lockdown im März und April konnte aufgelockert werden und die Zahlen schienen bis zur Mitte des Herbstes unter Kontrolle.

Doch seit Ende November erreichte auch die zweite Welle das Königreich, letztens wurde ein exponentielles Wachstum von vier Prozent pro Tag festgestellt. Mit 2046 Fällen wurden am Montag erstmals mehr als 2000 Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden festgestellt.

Sollte nichts unternommen werden, würde sich bis Weihnachten die Anzahl der Fallzahlen verdoppeln, so das Staatliche Sereninistut in Kopenhagen.

Mal zart, mal hart

Wie Weihnachten gefeiert wird, ist die emotionale Frage, die derzeit in Dänemark verhandelt wird. Die Regierungschefin fährt dabei eine Doppelstrategie - mal zart, mal hart. In einer Videoansprache vom Sonntag via Facebook, gekleidet in eine Bluse mit Blümchen und umstellt mit Adventsdekoration beschwor sie den Duft von dänischen Braunkuchen und Vanillekränzen.

Damit Weihnachten gelinge, müssten nun die Dänen auf die Regierung hören. Am Montag kamen dann die klaren Ansagen - man solle bloß nicht das "Julefrokosten" eine Art Essen vor Weihnachten, das gerne mit vielen Personen im Restaurant stattfindet, zu Hause feiern - "das wird viele Leben kosten".

Zwar sei Weihnachten im Kreis der Familie erlaubt, die Versammlungsfreiheit liegt bei zehn Personen. Und hier setzte die Regierungschefin nach: "Doch wir können nicht sicher sein, ob unsere Maßnahmen ausreichen." Es kommen daher weitere Verschärfungen, glaubt die bürgerliche Zeitung Berlingske. Dank eines neuen Testzentrums in Aarhus können vor Weihnachten täglich 100.000 Dänen auf Coronavirus getestet werden.

Die Nerze

Der Politikstil der gern energisch auftretenden Sozialdemokratin ist derzeit in Dänemark umstritten. Am vierten November verkündete sie das Töten der etwa 17 Millionen Nerze, da eine anscheinend gefährliche Mutation auf den Menschen rückübertragen wurde.

Ihre Anweisung, die eine ganze Branche zerstörte, verstieß gegen das Gesetz. Nach dänischem Recht dürfen die Tiere nur im Umkreis von 7,8 Kilometern von dem Ausbruch getötet werden. Der Landwirtschaftsminister Mogens Jensen nahm dafür den Hut. Der Sozialdemokrat selbst behauptete, erst am 7. November über die Illegalität der Tötungen informiert worden zu sein.

Nun hat die Zeitung B.T. herausbekommen, dass Jensen bereits am 5. November über die Illegalität der Tötungen gewusst zu haben, nicht wie angegeben am 7. November - dazwischen wurde die verbindliche Order an die Züchter zum "Keulen" der Tiere geschickt.

Die Frage ist nun, ob Frederiksens Stabschef, den Jensen getroffen haben soll und somit die Regierungschefin über die Illegalität der Handlung im Vorfeld gewusst haben könnte.

Die Regierungschefin weigerte sich am Montag, zu diesem Thema Auskunft zu geben. Zudem müssen die Züchter entschädigt werden. Derzeit ist eine Summe von umgerechnet über zwei Milliarden Euro im Gespräch. Die Abriegelung der Region Nordjütland - dort tauchte die Mutation auf - und der Erlass, dass die Bewohner der Ortschaften ihre Gemeindegrenzen nicht verlassen dürfte, gilt zwar nicht als ungesetzlich, wurde aber von Lokalpolitikern als "Symbolpolitik" abgetan. Gesundheitsminister Magnus Heunicke erklärte, dass auch die Kommunengrenzen der 38 Gemeinden abgeriegelt werden könnten.

Schwerwiegende Folgen für die dänische Wirtschaft

Die jetzige Entscheidung, der Lockdown trifft mit Aarhus und Odense die beiden größten dänischen Städte nach Kopenhagen, wird schwerwiegende Folgen für die dänische Wirtschaft haben, Unternehmensverbände stellen schon die Forderung einer raschen Entschädigung für den kommenden "Überlebenskampf".

Die Frage ist, ob die Regierung Frederiksen, die von drei meinungsstarken Linksparteien gestützt wird, dies politisch überlebt. Bislang hatte Frederiksen bei jeder Krise, bei der sie eine mögliche Mitwisserin war, einen politischen Weggefährten geopfert. So geschehen, bei den Metoo-Skandalen im frühen Herbst, bei der der Kopenhagener Oberbürgermeister Frank Jensen gehen musste, so geschehen beim Landwirtschaftsminister Mogens Jensen.

Grundsätzlich gibt es in dem skandinavischen Land ein recht hohes Staatsvertrauen. Wenn nun die Medien eine Mitwisserschaft der Premierministerin herausfinden und dies auch belegen und publizieren können, welche Konsequenzen hat dies für die Regierung und deren Autorität in der Pandemie? Es bleibt spannend im Staate Dänemark.