Dänisches Wuhan: Wenn Menschen Nerze und diese wiederum Menschen infizieren
Schon zuvor hatten sich in den Niederlanden Mitarbeiter von Nerzfarmen angesteckt, Wissenschaftler haben dies durch Genomanalysen nachgewiesen
Letzte Woche wurde von der dänischen Regierung verfügt, dass alle Nerze in den Farmen, es soll sich um bis 17 Millionen handeln, getötet werden müssen, nachdem erkannt wurde, dass das Sars-CoV-2-Virus auf Nerze übergesprungen ist und auch wieder zurück auf den Menschen. 12 Menschen sollen von den Nerzen infiziert worden sein, darunter vier, die in der Umgebung der mehr als 200 befallenen Nerzfarmen leben. Gefährlich kann das sein, weil es sich um einen neuen Stamm (Cluster 5) handelt, der angeblich nicht mit den jetzt entwickelten Impfstoffen bekämpft werden kann, allerdings soll er nicht gefährlicher sein als die jetzt unter den Menschen zirkulierenden Viren (Mutierter Coronavirus: Entsteht im Norden Dänemarks ein neues Wuhan?).
Schon im Juni waren erstmals Infektionen bei mehreren Tieren und einem Mitarbeiter von einer Nerzfarm in Jütland aufgetreten. Man vermutete auch hier, dass das Virus von Menschen auf die Nerze übertragen wurde, alle 16.000 Tiere wurden getötet.
Bekannt ist, dass Wirte von Sars-CoV-2 auch andere Säugetiere wie Katzen, Hamster, Frettchen, Hasen oder Hunde sein können. Dass aber Menschen sich von Tieren anstecken, konnte bislang nur bei den Nerzen nachgewiesen werden. In Dänemark ist die Verbreitung von Sars-CoV-2, der mutmaßlich in China zuerst von Fledermäusen oder vielleicht auch Gürteltieren auf Menschen als neue Wirte übergesprungen ist, auf Nerze nicht zuerst geschehen. Bereits im April war dies in den Niederlanden in 16 Zuchtfarmen entdeckt worden. Auch hier wurde eine Massentötung angeordnet.
Die WHO spricht davon, dass in Nerzfarmen in Dänemark, Spanien, Schweden, Italien und den Niederlanden eine Übertragung von Nerzen auf Menschen registriert worden sei. Es sei nicht bekannt, dass sich die Ansteckungsgefahr oder die Gefährlichkeit mit diesem neuen Stamm erhöht habe. Klar ist mit den Nerzfarmen, dass Massentierhaltung ein Brutboden zum Übergang von Viren von Menschen auf Tieren und wieder zurück zum Menschen ist.
Das lässt die Vermutung, dass die Covid-19-Pandemie von einem Lebendtiermarkt in Wuhan auf Menschen übergesprungen sei, in einem anderen Licht sehen. Gut möglich wäre, dass das Virus schon länger unter Menschen zirkuliert war, dann auf Fledermäuse übergesprungen und dort mutiert ist und dann gefährlicher geworden wieder auf Menschen übergesprungen ist.
Nachweis durch Genom-Analysen
Niederländische Wissenschaftler haben durch Genomanalysen herausgefunden, dass Viren von den Nerzen auf die Angestellten übergesprungen sind. Wechseln Viren ihre Wirte, tritt Anpassungsdruck auf, der zu Mutation und der Entwicklung neuer Stämme führt. Das menschliche Immunsystem, das durch Impfung oder vorherige Erkrankung Sars-CoV-2 abwehren kann, wäre dann womöglich ungeschützt, was zu einer neuen Epi- oder Pandemie führen kann.
Die niederländische Studie wurde in Science veröffentlicht. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass das Virus von den Mitarbeitern in den Nerzfarmen eingeschleppt und sich dort mit der Verbreitung unter den Nerzen verändert hat. Bei 97 Mitarbeitern wurden PCR- oder Antikörpertests gemacht, 66 oder 68 Prozent waren positiv. Vor dem Ausbruch gaben bei Gesprächen mehrere Mitarbeiter an, Symptome gehabt zu haben, die auf eine Covid-19-Infektion schließen lassen, so dass infizierte Mitarbeiter das Virus zu den Nerzen gebracht haben. Im Genom des Virus von den Nerzen fanden sich menschliche Gensequenzen.
Bei mehreren Nerzfarmen fielen erste Tests von Mitarbeitern Anfang Mai negativ aus, die dann Ende Mai Symptome entwickelten und positiv auf das Virus getestet wurden, woraus die Wissenschaftler schließen, dass die Infektion von den Nerzen ausging. Das konnten sie mit Genomanalysen auch nachweisen, da die Viren in den Menschen tierische Sequenzen aufwiesen. Nach Untersuchungen der lokalen Bevölkerung ergab sich für diese im Unterschied zu den Mitarbeitern kein erhöhtes Risiko.
Normalerweise gibt es bei Sars-CoV-2 eine Mutation etwa alle zwei Wochen. Die Viren auf den Farmen wiesen eine hohe Diversität aus, was darauf hinweist, dass sie schon länger Nerze infiziert haben und dort vielleicht Mutationen schneller geschehen, zumal sie in hoher Dichte gehalten werden. Allerdings konnte nicht herausgefunden werden, wann die ersten Infektionen der Nerze durch Menschen stattgefunden haben. Trotz erhöhter Maßnahmen zur Biosicherheit, früher Erkennung und der sofortigen Massentötung in den infizierten Farmen nach den ersten Entdeckungen habe es in den Niederlanden große Übertragungscluster mit unbekannten Übertragungsweisen gegeben.
Dänemark: Anordnung der Massentötung aller Nerze war rechtlich nicht gedeckt
In Dänemark ist die am 4. November angeordnete Massentötung aller Nerze und das Verbot der Nerzzüchtung bis 2022 nun aber auf Schwierigkeiten gestoßen. Während der Corona-Krise haben sich Regierungen bereits daran gewöhnt, schnell mit Anordnungen vorzugehen und Parlamente zu umgehen.
Es kam auf, dass die dänische Regierung keine rechtliche Grundlage hatte, eine Massentötung von Nerzen außerhalb von Risikogebieten durchzusetzen. Das räumte Ministerpräsidentin Mette Frederiksen am Dienstag ein. Erst am Dienstag hatte das Landwirtschaftsministerium die Züchter in einem zweiten Brief informiert, obgleich die fehlende Rechtsgrundlage bereits am Wochenende bekannt war. Jetzt müssen erst einmal Nerzfarmen, auf denen es keine Infektionen gibt, ihre Tier nicht töten, wenn sie mehr als 7,8 km von einer infizierten Farm entfernt liegen.
Allerdings will die Regierung bis 16. November die rechtliche Grundlage schaffen, dass auch die Nerze auf diesen Farmen getötet werden müssen. Landwirtschaftsminister Mogens Jensen hatte am Dienstag noch erklärt, er habe nicht gewusst, dass es keine gesetzliche Befugnis zum Töten aller Nerze gebe. Am Sonntag hatte er noch auf die Dringlichkeit hingewiesen, weswegen man nicht auf neue Rechtsvorschriften warten könne. Innerhalb der Regierungskoalition entsteht nun Druck, den Minister zu entlassen.