Daimler: Wie "mühsame Verhandlungen" mit dem Betriebsrat laufen
Seite 3: Unsicherheit als Betriebsvereinbarung - oder: keine betriebsbedingten Kündigungen …
- Daimler: Wie "mühsame Verhandlungen" mit dem Betriebsrat laufen
- Flexibilisierung als Flächentarifvertrag
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Unterdessen, noch ganz ohne flächentarifvertragliche Erlaubnis und sogar ohne die sonst üblichen Zugeständnisse in Sachen Lohn und Leistung, findet sich für den Standort Untertürkheim eine Lösung:
Nach monatelangen und intensiven Gesprächen haben sich Betriebsrat und Werkleitung in den Verhandlungen um die Zukunft unseres Standorts geeinigt. Als IG-Metall-Betriebsräte sind wir bis zum Schluss nicht von unserer Überzeugung abgewichen, dass Zukunft nur mit dem gesamten Standort geht: einer starken Forschung und Entwicklung und zukunftsfähigen Produkten für unsere Werkteile. Unsere Hartnäckigkeit hat sich ausgezahlt: Das Resultat ist ein klares Bekenntnis zu unserem Standort und zu seiner Belegschaft, das Untertürkheim zukunftsfähig aufstellt und euch, Kolleginnen und Kollegen, Sicherheit und Perspektiven gibt. Mit dem Verhandlungspaket, insbesondere mit der Zusage für den "Mercedes-Benz Drive Systems Campus", forcieren wir konsequent den Ausbau der E-Mobilität und werden den Veränderungen durch den Technologiewechsel gerecht - gleichzeitig bleiben wir im konventionellen Antrieb handlungsfähig. Damit stärken und sichern wir nachhaltig unsere Stellung als Leitwerk und Kompetenzzentrum für Antriebstechnologien und als Entwicklungs- und Produktionsstandort.
Scheibenwischer Extra, 5.3.21
Die Kolleginnen und Kollegen von Untertürkheim sind demnach die ebenso verdienten wie stolzen Nutznießer der Festlegung, welche Teile der Konzern neben dem e-Campus weiterhin oder neu in Untertürkheim bauen oder entwickeln lässt und welche stattdessen ins polnische Jawor verlegt werden: die Gunst, beschäftigt zu werden, als großer Preis in dem Standortvergleich, den der Konzern veranstaltet.
Was die gewonnene Sicherheit angeht, die die Angesprochenen ideell als gemeinschaftliche Handlungsfähigkeit und als ihre nachhaltig gestärkte "Stellung" im Konzern verbuchen dürfen, halten die fünf Punkte der "begleitenden Vereinbarung" zwischen Betriebsrat und Werksleitung die nötigen Klarstellungen bereit. Der erste Punkt regelt die "Freiwilligen Ausscheidungsvereinbarungen", die dann etwas pietätlos am 1. Mai beginnen - der zugehörige Leitfaden liegt ja schon länger vor. Wie immer werden also genau so viele Arbeitsplätze gesichert, wie vom Unternehmen gebraucht.
Die Punkte zwei bis vier halten die Auskunft parat, dass an diesen Arbeitsplätzen rein gar nichts verlässlich ist: von der Frage, wie sie in Zukunft aussehen ("Umschulungs- und Weiterqualifizierungsangebote"), mit welcher Tätigkeit man auf welchem Posten gebraucht wird ("Temporäre Versetzungen mit klarem Zielbahnhof") bis hin dazu, wo genau "in der Region" sich "attraktive Beschäftigungsperspektiven" auftun ("Freiwilliger Wechsel an andere Standorte").
Und last but not least hat das Ganze dann doch noch einen speziellen Preis, was den Beschäftigungserhalt betrifft: Im letzten Punkt ("Flexibilitätsquote Arbeitnehmerüberlassungen") regelt die Vereinbarung die Erweiterung kostengünstiger und flexibler interner Auslagerung von Arbeitsplätzen durch Leiharbeit von bisher acht auf bis zu 15 Prozent der Beschäftigten.
April ’21: Usw.
Nach der Verhandlung ist vor der Verhandlung. Auch wenn zwei große Verhandlungen nun abgehakt sind, gehen uns die Themen nicht aus.
Betriebsrat im Scheibenwischer 4/21
Peter Decker ist Redakteur der politischen Vierteljahreszeitschrift GegenStandpunkt, in dessen aktueller Ausgabe dieser Artikel ebenfalls erschienen ist. Weitere Themen unter https://de.gegenstandpunkt.com