Daimler: Wie "mühsame Verhandlungen" mit dem Betriebsrat laufen

Ein Jahr Arbeit beim Stuttgarter Autobauer. Eine Chronik zu Pandemie und Corona-Krise (Teil 2 und Schluss)

Der Autobauer Daimler will wegen der Corona-Krise noch deutlich mehr Stellen streichen als bisher bekannt. Personalvorstand Wilfried Porth nennt zwar weiterhin keine Zahl. Mit den bisher kolportierten 10.000 oder 15.000 Arbeitsplätzen, die Berichten zufolge wegfallen sollen, komme man jedenfalls nicht aus. "Die neue Zahl ist auf jeden Fall größer als die beiden", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. "Und die bräuchten wir, um betriebsbedingte Beendigungskündigungen zu verhindern." ...

Dass es bis zum Ende des Jahrzehnts keine betriebsbedingten Kündigungen geben soll, hatten Konzern und Betriebsrat im Zusammenhang mit dem Konzernumbau in der "Zukunftssicherung 2030" vereinbart - intern "ZuSi" genannt. Darin stehe aber auch, sagte Porth, dass neu verhandelt werde, wenn sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen signifikant verändern.

"Die ZuSi beschreibt den Weg, den man gemeinsam geht, um Beschäftigung zu sichern", betonte er. "Bei veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen beschreibt sie aber auch den Weg, der am Ende zu betriebsbedingten Kündigungen führen kann, ohne dass es einer Kündigung der Vereinbarung bedarf." Nun sei man im Gespräch. Und darüber, dass sich die Rahmenbedingungen signifikant geändert hätten, gebe es auch keinen Dissens. "Aber die Bereitschaft des Betriebsrates, hier wirklich signifikante Maßnahmen zuzugestehen, ist leider nicht besonders ausgeprägt", kritisierte Porth.

Um das Ziel, betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden, halten zu können, brauche man deutlich mehr Entgegenkommen. Es gehe auch, aber nicht nur um die Zahl der Arbeitsplätze. "Wir haben tarifliche Vereinbarungen wie Pausenregelungen, wir zahlen Spätschichtzulagen ab 14.00 Uhr - das sind alles historische Dinge, die mögen zum damaligen Zeitpunkt alle richtig gewesen sein. Aber sie passen nicht mehr in die heutige Zeit, und sie passen nicht mehr in die heutigen Kostenstrukturen", sagte Porth. Man rede über Arbeitszeitverkürzungen ohne Lohnausgleich, man könne auch über Weihnachts- und Urlaubsgeld reden.

"Die Frage ist: Was kann man am einfachsten umsetzen? Und was ist für die Mitarbeiter von begrenzter Auswirkung?", sagte Porth. "Wir wollen nicht die Entgeltlinien absenken. Und wir wollen nichts tun, das die Mitarbeiter wirklich in wirtschaftliche Schwierigkeiten bringt. Aber wir müssen einen Weg finden, die Restrukturierung des Unternehmens zeitnah umzusetzen. Das ist die Grundvoraussetzung dafür, dass die ZuSi in der Form weiter gelten kann."

Weser Kurier, 11.7.20

Die Krise verschärft sich, der Arbeitgeber verfällt auf das Mittel, den Stellenabbau zu verschärfen: Genau für solch einen Fall hat der Betriebsrat hellsichtig schon 2017 eine langfristige Zukunftssicherung (ZuSi) abgeschlossen - mit dem Schlimmsten ist eben immer zu rechnen.

Davon, dass die Beschäftigten von Daimler sich mit dieser Vereinbarung im Rücken beruhigt zurücklehnen könnten, geht aber erst gar niemand aus. Stattdessen bringt die verpflichtete Unternehmerseite die Vereinbarung ins Spiel und muss noch nicht einmal mit deren Aufkündigung drohen: Der Personalvorstand deutet einfach auf die nicht minder vorausschauend eingefügte Klausel, die ihm im bestehenden Abkommen alle nötigen Freiheiten sichert, und bekundet seinen guten Willen zum Verzicht auf "betriebsbedingte Beendigungskündigungen"- wenn nur mittels des nötigen "Entgegenkommens" äquivalenter Ersatz organisiert wird.

Diese "signifikanten Maßnahmen" reihen sich bruchlos ein in den fälligen Anpassungsprozess an die "Kostenstrukturen", die "die heutige Zeit" dem zeitlosen Kostensenkungsinteresse nun einmal vorgibt. An Ideen mangelt es nicht, und man muss auch gar nicht so viel ändern, solange eingesehen ist, dass alle Lohnbestandteile außerhalb der Tabelle des "regulären" Entgelts doch wohl ein verzichtbarer Luxus sind.

"Am einfachsten" und mit einer Gesamtbetriebsvereinbarung total "zeitnah umzusetzen" ist schließlich - der Zeitlohn macht es möglich - die Absenkung der wöchentlichen Arbeitszeit für alle Mitarbeiter im "indirekten Bereich" außerhalb der eigentlichen Produktion um zwei Stunden. Wenn Daimler weniger Stunden bezahlen will, offenbart sich der Bedarf der Belegschaft, die vertraglich festgelegten Wochenstunden abzuleisten, um überhaupt auf den gewohnheitsmäßigen Lohn zu kommen, als überkommener Besitzstand. Und mit dem Stichwort "Corona" wird nicht nur die 35-Stunden-Woche zur Ermessenssache des Unternehmens, sondern jetzt ganz offiziell auch das T-ZUG, das gemäß derselben Vereinbarung in 2021 der unternehmerischen Verfügung zugeführt wird, verbindlich in freie Tage umgewandelt und nicht ausgezahlt zu werden.

Außerdem wird ganz nebenbei der üblicherweise gut vier- bis knapp fünfstellige Lohnbestandteil "Ergebnisbeteiligung" komplett gestrichen, sodass sich insgesamt eine Verbilligung der Belegschaft um eine halbe Milliarde Euro ergibt. Mit einem "und", das eher ein "nämlich" ist, charakterisiert Gesamtbetriebsratschef Michael Brecht die Sicherheit, die er der Belegschaft damit verschafft hat:

Beschäftigung bei Daimler bleibt bis 2030 gesichert, und betriebsbedingte Kündigungen bleiben ausgeschlossen.

Jedenfalls solange der Verzicht darauf noch "in die Zeit passt". Auch Personalvorstand Porth ist ganz zufrieden, jedenfalls so zufrieden, wie ein erfolgsorientierter Personalvorstand es überhaupt sein kann:

"Wir danken der Belegschaft für ihren wichtigen zeitlich befristeten Beitrag, um diese Krise gemeinsam zu bewältigen", heißt es da, bevor der Blick auf weitere Sparnotwendigkeiten gerichtet wird: "Darüber hinaus gilt es, weiterhin miteinander die langfristigen strukturellen Themen anzupacken und zu lösen.

Da trifft es sich gut, dass Porth in Personalunion Verhandlungsführer von Südwestmetall für die nächste Tarifrunde ist und dort anpacken kann, was die Kostenstrukturen langfristig vorgeben.

November ’20: Aktiver Standortvergleich vs. Aktivismus des Verglichen-Werdens

Das Schicksal des Standorts Untertürkheim gerät immer mehr in die Schlagzeilen. Dort soll in Zukunft einerseits der "e-Campus" mit einer überschaubaren Anzahl von Arbeitsplätzen der Abteilung Forschung und Entwicklung angesiedelt, andererseits einiges an Produktion eingestellt werden. Letzteres findet schon seit längerem statt, weshalb der Betriebsrat bereits 2019 mit der Konzernleitung Vereinbarungen über Maßnahmen zur "Kompensation" der obsolet gemachten Arbeitsplätze geschlossen hat.

Nach den neuesten Plänen sollen aber zügig 4.000 der 19.000 Beschäftigten überflüssig gemacht werden - für den Betriebsrat nicht bloß ein Bruch der Vereinbarungen, sondern ein Verstoß gegen das 2005 formulierte "gemeinsame Ziel, das Werk Untertürkheim als übergreifendes Kompetenzzentrum zum Hauptstandort und Leitwerk für die Entwicklung und Produktion von Aggregaten weiterzuentwickeln". Im Lichte dieser Einigkeit mahnt er die Verantwortlichen:

"Die Produktion legt einen Grundstein für das notwendige Know-how eines Leitwerkes", dessen Stärke darin liege, "von der Entwicklung bis zum fertigen Produkt" alles zu beherrschen. Und wenn es gilt, "den Standort Untertürkheim aus seinen Stärken und Kompetenzen heraus weiterzuentwickeln", seien "das Können und die Kompetenz der Belegschaft die Grundlage der Veränderung. Wir, die Beschäftigten in Untertürkheim, sind nämlich nicht teuer, wie es das Unternehmen regelmäßig behauptet, wir sind wertvoll.

"Wir sind Leitwerk", Scheibenwischer 11/20

Derweil stellt Daimler weiterhin praktisch klar, wer dem Konzern wo wertvoll ist und wie, plant den Ausbau der Kurbelwellenproduktion in Polen, den Bau eines neuen, zum weltweiten Einsatz gedachten Verbrennungsmotors in China, etc... Know-how und Kompetenz vor Ort sind offenbar überhaupt keine Mangelware in Fabriken, deren "Effizienz" sich bekanntlich ebenso in Geld bemisst wie die Billiglöhne in Ostdeutschland, Polen und China. Die machen die Arbeit dort besonders wertvoll - aber das ist ja der Ausgangspunkt des Leidens der Untertürkheimer Leitwerker...

Der Betriebsrat belässt es nicht beim beleidigten Pochen auf ideelle Anrechte, die aus unverzichtbaren Kompetenzen erwachsen, sondern beharrt auf den Vereinbarungen mit der Konzernleitung. Das geht dem Management zu weit. Der Vorstand sieht sich genötigt, der Belegschaft in einem internen Schreiben die Zeichen der Zeit zu erklären:

"Die Verhandlungsführer der Arbeitnehmerseite beharren darauf, dass alle bestehenden Vereinbarungen unverändert umgesetzt werden", heißt es nun in dem Schreiben des Managements, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Zwar seien die aus damaliger Sicht sinnvoll und richtig gewesen, doch die Lage habe sich grundlegend verändert. "Festhalten am Status quo ist daher keine Option", schreiben die Vorstände Markus Schäfer und Jörg Burzer.

heise online, 25.11.20

Klar: Jedwede Abmachung ist hinfällig, wenn sie nicht mehr zur Betriebskalkulation von Daimler passt. Für die Verhandlungsführer der Arbeitnehmerseite hat der Vorstand außerdem die Mitteilung parat, dass man den e-Campus samt Schlüsselkompetenzen woanders ansiedeln muss, wenn sie weltfremd auf pacta sunt servanda beharren - es finde sich auf dem Gelände einfach nicht genügend Platz für Kurbelwellenproduktion und e-Campus! Ade Zukunftsarbeitsplätze.

IG Metall und Gesamtbetriebsrat bleibt nicht verborgen, dass alle Teile der Belegschaft gegeneinander ausgespielt werden. Sie mobilisieren dagegen für eine "Solidaritätsaktion im Daimler-Konzern und darüber hinaus":

Zum ersten Mal in der Unternehmensgeschichte machen alle Gesellschaften und Standorte bei einer gemeinsamen Solidaraktion mit. Die Belegschaft hat bereits Zugeständnisse gemacht und leistet einen monetären Beitrag, um der aktuellen wirtschaftlichen Situation Rechnung zu tragen. Jetzt ist es Zeit, um über die Zukunft der Daimler-Standorte in Deutschland zu sprechen. Michael Brecht, Vorsitzender des Daimler-Gesamtbetriebsrats: "Transformation, Covid, Rezession. Die Belegschaft leistet bei allen Herausforderungen ihren Beitrag: Qualifikation, Hygieneregeln, Sparbeitrag. Doch es reicht dem Vorstand nicht. Funktionen sollen ins Ausland verlagert oder gleich ganz verkauft werden. In den Werken zittern die Beschäftigten und haben Angst um ihre Zukunft. Die Belegschaft in der Verwaltung fühlt sich verstoßen. Dabei wollen wir über die Zukunft sprechen." ...

Roman Zitzelsberger, Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg: "Die Beschäftigten wollen an der Transformation teilhaben, Zukunftsthemen rund um die Mobilität weiterentwickeln und sind auch bereit, sich weiterzubilden. Es sind die Kolleginnen und Kollegen, die Unternehmen wie Daimler erfolgreich machen. Deshalb haben sie es verdient, Teil der Zukunft zu sein. Sie dürfen nicht das Gefühl haben, nicht mehr gewollt zu sein. Wir begreifen die Transformation als eine große, erfolgversprechende Chance."

Nicht nur Daimler, sondern die gesamte Automobilindustrie befindet sich im Auf- und Umbruch hin zu emissionsfreier und vernetzter Mobilität. Diese Veränderung darf nicht auf dem Rücken und zu Lasten der Beschäftigten passieren, sondern mit ihnen. Es gilt, zehntausende Arbeitsplätze zu sichern. Daher heißt es für den Daimler-Gesamtbetriebsrat und für die IG Metall: Zukunft statt Jobabbau. "Daimler stellt seine Zukunft unter das Motto Nachhaltigkeit. Das gilt bei Produktion, Emission, Luxusdefinition und Profitabilität. Doch was ist mit nachhaltiger Unternehmenskultur und nachhaltiger Beschäftigung? Oder will der Vorstand keine nachhaltig motivierten Beschäftigten? Wir sind keine Bittsteller. Wir haben Daimler zu dem gemacht, was es heute ist", so Michael Brecht. Deshalb gehe es jetzt darum, ein deutliches Signal an die Daimler-Unternehmensleitung zu senden.

Presseerklärung vom 23.11.20

Das hat den Arbeitnehmervertretern offenbar schwer imponiert: Ihr Gegenüber verkündet keine Schäbigkeit gegen die Angestellten ohne Berufung auf "Krise", "Zukunft", "Nachhaltigkeit" oder "Transformation" - und schon ist jeder mögliche Einwand im Keim erstickt. Dieses Verfahren der Vereinnahmung beherrschen Brecht und Zitzelsberger jedenfalls nicht schlechter als Källenius und die Funktionäre von Gesamtmetall. Blöd nur, dass in ihrem Fall an Stelle der Macht über den Gehalt dieser Abstraktionen die kraftvolle Erinnerung an Verzichts- und Leistungs- und Anpassungsbereitschaft der verdienten Stützen des Unternehmens steht. Blöd auch, wenn dann noch das "deutliche Signal" an den zu beeindruckenden Adressaten entsprechend aussieht:

Ziel der Solidaritätsaktion ist es, 170 000 Postkarten dem Daimler-Vorstand zu übergeben. "Jede Karte steht für eine Kollegin oder einen Kollegen mit individuellen Sorgen und Wünschen. Jede Karte ist ein Teil von Daimler."

Presseerklärung vom 23.11.20

Roman Zitzelsberger bringt auf den Punkt, auf welches selbstbewusst vorgetragene ohnmächtige Anliegen die vielen individuellen Sorgen uniform zusammenschnurren: Man will "Sicherheit, in welche Richtung wir entwickelt werden".

Ein erster Erfolg: Ein Einundsiebzigstel der Investitionsplanung von Daimler wird zum "Transformationsfonds" erklärt:

Die Mittel sollen vor allem für die Weiterentwicklung von Zukunftstechnologien und Beschäftigung in deutschen Werken angesichts des Wechsels vom Verbrennungsmotor zum elektrischen Antrieb genutzt werden. "Nach kontroversen Diskussionen in den vergangenen Wochen haben wir erreicht, dass zusätzlich zum Daimler-Investitionsplan ein Transformationsfonds in Höhe von 1 Milliarde Euro eingerichtet wird", so Gesamtbetriebsratsvorsitzender Michael Brecht. "Mit diesen zusätzlichen Mitteln haben wir mehr Möglichkeiten, neue Technologien und Produkte in unseren Werken umzusetzen. Das sichert Beschäftigung und Know-how."

finanznachrichten.de, 3.12.20

Bleibt zu hoffen, dass die Entwicklungsingenieure nicht gerade mit dieser Milliarde einen Antrieb erfinden, der mit noch weniger Teilen auskommt als ein Elektromotor.

Februar ’21: Entlassungen zur Sicherung der gestiegenen Gewinne

Eine Bilanzpressekonferenz später kann Ola Källenius den Aktionären eine Erfolgsbilanz präsentieren: Mit 10.000 Mitarbeitern weniger hat Daimler bei geringerem Umsatz wieder solide 6,6 Mrd. als operatives Ergebnis erzielt, weil man "wegen der Pandemie ein straffes Kostenmanagement betrieben habe". Allerdings: Genau dieses Kostenmanagement braucht es auch ganz ohne Pandemie, recht betrachtet immer. Solange die Arbeit kostet, die ein Unternehmen nutzt, gibt es für die Kostenmanager einen "Sack voll Arbeit":

Das Management muss die Zügel straff halten, damit sich nicht wieder der alte Daimler-Schlendrian einschleicht.

So fordert der Daimler-Anteilseigner Deka mit seinem Recht auf Rendite ein, was das Management ohnehin vorhat: "Unsere Personalkosten weiter senken" (Källenius). Das schwäbisch-umsichtige Versprechen, "auch in Zeiten vollerer Kassen ... das Geld nicht mit vollen Händen ausgeben" zu wollen, ergänzt der Chef zur Sicherheit noch um das Stichwort der Zeit, die "Transformation", die "nicht nur eine technische Herausforderung, sondern auch eine wirtschaftliche" (FAZ, 1.4.21) ist, ihm also in Sachen Personal die Vorgaben macht.

Zwar erhalten die Beschäftigten rückwirkend für 2020 noch eine Corona-Prämie von 500 Euro. Aber angesichts der gleichzeitig vom Vorstand beschlossenen Erhöhung der Dividende auf Vor-Corona-Niveau wird aus der Belegschaft "Unmut" kolportiert. Die IG Metall bestätigt "Debatten im Werk" Bremen angesichts eines "Geschmäckles" (buten un binnen, 23.2.21), das dieser Verwendung der Gewinne anhafte, wenn die Belegschaft lange Zeit in Kurzarbeit und nach wie vor zu reduzierten Bezügen schafft.

Das schlichte Zeugnis dessen, wofür die Leute überhaupt von Daimler in Dienst genommen werden und wofür so akribisch an ihnen gespart wird, will nicht so recht zum Bild vom Zusammenstehen in der Not passen, das die betriebliche Praxis des vorangehenden halben Jahres offenbar unbeschadet überstanden hat. Eine erstaunliche Haltbarkeit angesichts der Bilanz, die der Betriebsrat im nächsten Monat verkündet:

März ’21: Von den Leistungen und Freiheiten des Zeitlohns

Als im Juli die Gesamtbetriebsvereinbarung ausgehandelt wurde, herrschte anerkannte Not:

Der Gesamtbetriebsrat verhandelte deshalb eine Verkürzung der Arbeitszeit mit Entgeltreduzierung um 5,71  Prozent im indirekten Bereich. Zu diesem Zeitpunkt rechnete jeder noch mit weiterer Kurzarbeit in der Produktion nach den Sommerferien. Es kam anders. Die Produktionsprogramme gingen nach oben. In der Produktion füllten sich wieder alle Schichten. Sogar Überstunden wurden notwendig. Und in den indirekten Bereichen? Die Kolleginnen und Kollegen in der Entwicklung, in den Verwaltungsbereichen, in den Werkstätten und in den produktionsbegleitenden Bereichen müssen seit Sommer 2020, wie ihre Kolleginnen und Kollegen in der Produktion, unter Volldampf arbeiten. Allerdings mit weniger bezahlter Arbeitszeit und somit mit weniger Entgelt im Monat.

... in der Entwicklung: Der Druck, Entwicklungsprojekte schneller als in der Vergangenheit zum Abschluss zu bringen, ist länger zu spüren. Ganz besonders in den Bereichen, die als Zukunft der Transformation gelten, rund um die Batterietechnologie und den eATS. Der Betriebsrat befürchtet, dass unter diesem Entwicklungsdruck auch unbezahlte Arbeit geleistet wird.

... in der Zeitabrechnung: Seit wir alle in Kurzarbeit waren, wissen wir, wie wichtig eine korrekte Zeitdokumentation im zem@web ist. Das läuft aber nicht automatisch. Viele Korrekturen und manuelle Eingaben sind notwendig, damit für die Entgeltabrechnung alles stimmt. Die knappe Personalbesetzung wird durch die Arbeitszeitverkürzung aber nochmals verschärft. Ein Teufelskreis, der zu ernsthaften gesundheitlichen Gefährdungen führt.

... in der Instandhaltung: Die Aufgabe der Instandhaltung ist es, 15 Schichten Produktion in der Woche zu begleiten - wenn es eng wird, noch die 16. Schicht abzudecken und größere, planbare Reparaturen außerhalb der Produktionszeit am Wochenende durchzuführen. Die Kolleginnen und Kollegen machen das gerne und mit großem Engagement. Die Arbeitszeitverkürzung führt aber dazu, dass immer mehr Schichten in der Instandhaltung eklatant unterbesetzt sind. Neben der Entgelteinbuße bezahlen die Beschäftigten diesen Missstand auch mit einer Belastung ihrer Gesundheit. So geht das nicht weiter!

Scheibenwischer 3/21

Was alles und wie es geht, führt die Bilanz der Betriebsräte im Modus der Empörung eindrücklich vor - wie segensreich nämlich die Institution des Zeitlohns für die Gestaltung des Verhältnisses von Kosten und Ertrag durch das Unternehmen ist. Es ruft von der vorhandenen Mannschaft genau so wenig und dann auch so viele Arbeitsstunden ab wie benötigt, und zahlt ganz gerecht jede Stunde gemäß seinem Bedarf. Es nutzt die mit der Lohnzahlung erworbene Weisungsbefugnis, um zu definieren, wie viel Arbeit in jeder der bezahlten Stunden unterzubringen ist - die Beanspruchung des "großen Engagements" der "Kolleginnen und Kollegen" macht auf deren Kosten Erstaunliches möglich. Und es lässt sich - ganz dem Sinn der Sache gemäß - keine Gelegenheit entgehen, die tatsächlich verlangte von der bezahlten Arbeitszeit zu trennen.

Ganz so geht es allerdings tatsächlich nicht weiter: Der Betriebsrat setzt der Sonderkonjunktur zum 1.4. ein Ende. Jedoch hat Personalvorstand Porth in der Zwischenzeit in seiner neuen Funktion als Tarifverhandler seine Hausaufgaben gemacht und seine Vorstellungen davon formuliert, wie es in Zukunft weitergehen soll: