Darf, soll oder muss beim Klimaschutz mit Russland kooperiert werden?

UN-Generalsekretär Guterres hält angesichts der Klimakrise nicht viel von geopolitischen Befindlichkeiten. Foto: U.S. Mission Photo by Eric Bridiers

Der UN-Generalsekretär fordert, dass die G20-Staaten in diesem Punkt an einem Strang ziehen und mit gutem Beispiel vorangehen. Die Alternative sei kollektiver Suizid.

UN-Generalsekretär António Guterres wirkt wieder einmal wie ein Rufer in der Wüste. "Was mich am meisten beunruhigt, ist, dass wir angesichts dieser globalen Krise nicht in der Lage sind, als multilaterale Gesellschaft zusammenzuarbeiten", sagte Guterres beim Auftakt des Petersberger Klimadialogs in einer Videobotschaft. Statt Verantwortung zu übernehmen, zeigten Staaten weiter mit dem Finger auf andere. "So können wir nicht weitermachen."

Um die vereinbarten Klimaziele am Leben zu erhalten und klimaresiliente Gemeinschaften zu schaffen, müsse Vertrauen wiederhergestellt und gemeinsam in Aktion getreten werden. Guterres erwartet von den G7- und G20-Staaten, dass sie in diesem Punkt eine Führungsrolle übernehmen. "Wir haben die Wahl. Entweder handeln wir zusammen oder wir begehen kollektiven Suizid", sagte Guterres.

Damit forderte er im Klartext auch eine Zusammenarbeit westlicher Staaten mit Russland, das nach wie vor als eines der führenden Industrie- und Schwellenländer vor zur "Gruppe der 20" (G20) gehört, wenn auch seit 2014 nicht mehr zur G7, ehemals G8.

Beim Petersberger Klimadialog sollten sich Minister und Repräsentantinnen aus insgesamt rund 40 Staaten über den weiteren Kurs im Umgang mit der Klimakrise abstimmen.

Am ersten Tag des zweitägigen Treffens, das am heutigen Dienstag in Berlin zu Ende ging, sprachen unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi. Deutschland und Ägypten sind richteten die Konferenz aus, auf der die Weichen für die Weltklimakonferenz COP27 Anfang November im ägyptischen Küstenort Scharm el Scheich gestellt werden sollten.

Erneutes Bekenntnis zu unzureichenden Zielen

Scholz und Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bekräftigten dort, die deutschen Klimaziele trotz der aktuellen Energiekrise, die im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung vereinbarten Klimaschutzziele einhalten zu wollen. Demnach soll Deutschland 2045 klimaneutral werden – was nach Aussage von Forschenden und der Klimagerechtigkeitsbewegung etwa zehn Jahre zu spät für einen fairen deutschen Beitrag zur Einhaltung der Pariser Klimaschutzziele ist.

Baerbock nannte beim Petersberger Klimadialog dennoch die Klimakrise das "größte Sicherheitsproblem für alle Menschen auf dieser Erde" und versprach, der Ukraine-Krieg werde unterm Strich den Klimaschutz nicht beeinträchtigen, auch wenn Deutschland jetzt wegen der Einschränkung der russischen Gaslieferungen wieder verstärkt Kohlekraftwerke ans Netz bringe.

Aktuell geht die große Geopolitik sowohl auf Kosten der Versorgungssicherheit als auch auf Kosten des Klimas. Baerbock gab sich dennoch überzeugt, dass der russische Angriffskrieg zu einem "Booster für den Ausbau der Erneuerbaren Energien" werde.

Tatsächlich will die EU unter anderem ihre Gasimporte aus Aserbaidschan in den nächsten Jahren verdoppeln, um unabhängiger von russischen Lieferungen zu werden. Ein entsprechendes Abkommen hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) am Montag in Baku unterzeichnet. Unterdessen werden in den deutschen Hafenstädten Brunsbüttel und Wilhelmshaven Terminals für den Import von Flüssigerdgas (LNG) aus den USA und dem Golfemirat Katar errichtet.

Vor diesem Hintergrund erinnern deutsche Absichtserklärungen beim Petersberger Klimadialog an den Kommentar der schwedischen Klima-Aktivistin Greta Thunberg zur Klimakonferenz im schottischen Glasgow: "Blah, blah, blah."

Auch scheinen Menschenrechte, Pressefreiheit und völkerrechtskonforme Außenpolitik für die Bundesregierung keine zwingenden Kriterien für neue Energiepartnerschaften zu sein. Hauptsache, nicht mit Russland.

Wo internationale Kooperation in Sachen Klimaschutz gelitten hat

Internationale Kooperation in Sachen Klimaschutz gab es bis zur russischen Invasion in der Ukraine auch im Arktischen Rat – dieses Gremium, dem Kanada, Russland, Norwegen, Finnland, Schweden, Island, Dänemark (wegen Grönland) und die USA (wegen Alaska) angehören, hat aber auf Betreiben der sieben Westländer seine Arbeit für unbestimmte Zeit ausgesetzt.

Russland selbst galt auch vor dem Ukraine-Krieg nicht gerade als ambitioniert in Sachen Klimaschutz. Allerdings wird der menschengemachte Klimawandel dort nicht regierungsamtlich geleugnet, zumal einige Regionen durch auftauenden Permafrost hochgradig verwundbar sind – und das Land ist 2019 dem Pariser Klimaschutz-Abkommen beigetreten. Die USA waren im selben Jahr unter dem damaligen Präsidenten Donald Trump aus dem Abkommen ausgestiegen - ein Schritt, den dessen Nachfolger Joe Biden wieder rückgängig machte.