Das Ampel-Dilemma: Krötenschlucken für die Zweckehe zu dritt
Die Grüne Jugend empfiehlt ohne jede Euphorie die Zustimmung zum Koalitionsvertrag mit SPD und FDP. Unter den "Erwachsenen" kommt es bereits zum offenen Streit
Eine Liebesheirat wird das jedenfalls nicht: Die Basis der Grünen befindet sich mitten in der Urabstimmung über den Koalitionsvertrag, da hat der designierte Verkehrsminister der "rot-grün-gelben" Regierung, Volker Wissing (FDP), schon gegenüber der Bild angekündigt, die Kfz-Steuer zu senken, um höhere Diesel-Preise auszugleichen. Bei den Grünen sorgte dieser Vorstoß natürlich für Unmut:
"Das gibt der Koalitionsvertrag so nicht her", sagte der Grünen-Verkehrsexperte Stefan Gelbhaar dem Spiegel. "Der Koalitionsvertrag sieht eine Angleichung der Diesel- an die Benzinkosten vor", betonte Gelbhaar. Dem habe die FDP zugestimmt, daran werde sich auch Wissing halten müssen, so der verkehrspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. Über eine Neufassung der Kfz-Steuer müsse das Parlament entscheiden.
Bis zum 6. Dezember sind die rund 125.000 Mitglieder der Grünen aufgerufen, in einer digitalen Urabstimmung über den Koalitionsvertrag und "das von grüner Seite vorgesehene Personaltableau" zu entscheiden.
Grüne Jugend: Zustimmung empfohlen, Gewissensfreiheit betont
Der Länderrat der Grünen Jugend hat am Wochenende den Mitgliedern der Nachwuchsorganisation, die zugleich Parteimitglieder sind, die Zustimmung zu dem Koalitionsvertrag empfohlen. "Davon bleibt unberührt, dass jedes Mitglied eine freie und selbstbestimmte Entscheidung unter Beachtung der erfolgten Auswertung treffen kann", hieß es.
"Ampel-Euphorie gibt es bei uns nicht. Viele gesellschaftliche Notwendigkeiten werden nicht erfüllt. Dennoch gibt es einige Verbesserungen", erklärte der Ko-Bundessprecher der Grünen Jugend, Timon Dzienus und betonte, es habe eine lange Debatte über diese Empfehlung gegeben. Von gut 18.000 Mitgliedern der Grünen Jugend sind knapp 12.500 zugleich Mitglieder der Partei.
Kritisiert hatten Dzienus und Ko-Bundessprecherin Sarah-Lee Heinrich vor allem sozial- und klimapolitische Aspekte des Koalitionsvertrags. Geteilt wurde diese Kritik auch von der SPD-Nachwuchsorganisation. Gemeinsam mit der DGB-Jugend hatten Jusos und Grüne Jugend während der Koalitionsverhandlungen in Videoclips versucht, Druck auf die Beteiligten auszuüben.
Sie hatten dabei nicht nur die finanziellen Sorgen von Autofahrern im Blick, die Wissing nun entlasten will, sondern vor allem die derjenigen, die sich gar kein Auto leisten können. Dass die Regelsätze beim Arbeitslosengeld II - demnächst "Bürgergeld" - nicht deutlich erhöht werden sollen, gehört zu den dicksten Kröten im Koalitionsvertrag, die sie nun schlucken sollen.
Scholz mahnt Jusos zur Zurückhaltung
Beim Bundeskongress der Jusos in Frankfurt am Main mahnte am Samstag der voraussichtliche Kanzler mit SPD-Parteibuch, Olaf Scholz, den Parteinachwuchs zur Zurückhaltung bei der Kritik an Koalitionspartnern und warb für den Vertrag: Man solle sich jetzt mehr mit der CDU beschäftigen als mit denen, mit denen die SPD gemeinsam einen Aufbruch wagen wolle, sagte Scholz.
Die Wunschkonstellation der der Grünen Jugend und der Jusos wäre ein "grün-rot-rotes" oder "rot-grün-rotes" Regierungsbündnis mit Beteiligung der Linkspartei gewesen. Die schaffte jedoch mit 4,9 Prozent nur dank ihrer Direktmandate den Wiedereinzug in den Bundestag. So war diese Konstellation rechnerisch gar nicht möglich. Abgesehen davon, dass die Grünen-Spitze mitten im Wahlkampf ein Bekenntnis zur Nato zur Bedingung für mögliche Koalitionspartner gemacht hatte, was Die Linke - bis auf einzelne "Umfaller" - nicht zu liefern bereit war.
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