Das Anti-Polarlicht

Rätsel der schwarzen Aurora teilweise gelöst

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Wenn der Sonnenwind auf die obere Erdatmosphäre prallt, entstehen farbenprächtige Polarlichter. Den umgekehrten Prozess, die so genannte schwarze Aurora, hat ein schwedisch-britisches Forscher-Team jetzt erstmals genauer beobachten können.

Erst Anfang November hatte eine heftige Eruption auf der Sonne für einen ungewöhnlichen Teilchensturm auf die Erde gesorgt, wie er nur dreimal im 11-jährigen Energiezyklus der Sonne auftritt. Von Alaska bis Schweden zauberte dieses solare "Unwetter" farbenprächtige Polarlichter auf den Nachthimmel. Denn die Sonne strahlt nicht nur Licht und Wärme aus, von ihr geht auch ein unablässiger Strom elektrisch geladener Teilchen aus, der Sonnenwind, von der amerikanischen Raumsonde "Mariner 2" 1960 nachgewiesen. Dieser Teilchenstrom aus Protonen und Elektronen schießt mit hoher Dichte durchs All. Erreichen diese die Erde, werden sie durch das Magnetschild der Erde, der Magnetosphäre, abgelenkt.

Die symmetrisch verlaufenden Magnetlinien schützen die Erde - aber nicht vollständig. Durch die Wucht des Sonnenwinds wird das Magnetfeld verformt: Auf der der Sonne zugewandten Erdseite wird es zusammengestaucht, in der Nähe der beiden Pole brechen die Feldlinien auf und bilden eine Art Schweif hinter der Erde. An diesen Stellen ist die Magnetosphäre undicht und die geladenen Teilchen gelangen in die oberen Schichten der Atmosphäre, die Ionosphäre, wo sie mit den Sauerstoff- und Stickstoffmolekülen der Luft kollidieren. Dabei wird Energie frei, die als Licht unterschiedlicher Wellenlänge abgestrahlt wird (Sauerstoffatome: grünes und rotes Licht, Stickstoff: blaues und violettes Licht). Polarlichter entstehen meist in einer Höhe von rund 100 bis 1000 Kilometern.

Weniger bekannt ist die "schwarze Aurora", die "dunkle" Seite der farbigen Polarlichter. Ein seltsames Phänomen, das dunkle Löcher in die schimmernden Nord- und Südlichter reißt. Der abwärtsgerichtete Elektronenstrom kommt nämlich in der Ionosphäre nicht zum Halten. Er wird seitlich abgelenkt und schließlich werden die geladenen Teilchen von einem entgegengesetzten elektrischen Feld wieder ins All geschleudert. So entsteht ein mächtiger Stromkreislauf.

Wie die aktuelle Ausgabe von Nature berichtet, konnte jetzt eine Gruppe von Forschern des Royal Institute of Technology Stockholm , des Swedish Institute of Space Physics Uppsala, des University College und des Imperial College (beide London) mit Hilfe der vier baugleichen Satelliten der Cluster-Mission, Rumba, Salsa, Samba und Tango, die die Europäische Weltraumbehörde ESA zur Erkundung der Magnetosphäre ins All entsandt hat, diese merkwürdige Erscheinung genauer als je zuvor erkunden.

Am 14. Januar gelang es den Wissenschaftlern, die vier Satelliten im Abstand von je 100 Sekunden nacheinander eine solche Zone durchfliegen zu lassen und so das Entstehen und das Verschwinden der schwarzen Aurora nachzuvollziehen. Die Beobachtungen zeigten, dass es sich bei der schwarzen Aurora um eine Art Anti-Polarlicht handelt, in dem genau die entgegengesetzten Prozesse ablaufen. Während die drei ersten Satelliten den Energieanstieg bei den nach oben beschleunigten Elektronen registrierten, war das vorbei, als Nummer 4 die Zone passierte. Durch die zeitlich versetzten Daten des Sonden-Quartetts erhielten die Wissenschaftler zum ersten Mal einen Eindruck von der Kurzlebigkeit der elektrischen Strukturen.

The black aurora isn't actually an auora at all; it's a lack of auroral activity in a region where electrons are ‚sucked' from the ionoshere. (...) The data show that the potential structures that create the black aurora extend to altitudes greater than 20 000 km and that they grow in size and intensify over timescales of few minutes. It is as if a ‚cosmic battery' was getting stronger and stronger and then suddenly stopped working after about 3-4 minutes.

erklärte der Leiter des Projekts Göran Marklund das Phänomen. Eine Follow-up-Observierung am 14. Februar bestätigte die Januar-Ergebnisse.

Polarlichter sind aber nicht nur optische Phänomene: Immer wieder wird berichtet, dass auch Geräusche zu hören sind. Für die Wissenschaftler ein Rätsel, denn die dünne Luft der Ionosphäre, in der die Aurora entsteht, leitet keine Schallwellen und ist außerdem so weit von der Erdoberfläche entfernt, dass der Schall mehrere Minuten bräuchte, bis er von einem menschlichen Beobachter wahrgenommen werden könnte. Es gibt Vermutungen, dass die Geräusche durch elektrische Entladungen von Objekten am Erdboden hervorgerufen werden könnten, die durch die elektromagnetischen Wellen des Polarlichts aufgeladen werden. Wissenschaftliche Belege für die Sounds of the Aurora gibt es aber noch nicht.