"Das Bild von China ist interessengeleitet"

Seite 3: China als Alternative zum Westen für Afrika, Südamerika und auch Zentralasien

In der internationalen Politik tritt China indes öfter in Erscheinung, jüngst etwa mit dem Empfang einer Delegation der Taliban.

Andreas Seifert: China verfolgt eine Politik der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder. Das ist angesichts der grenzenlosen Einmischung, wie sie die Nato-Staaten praktizieren, eine positive Alternative.

Dem scheinheiligen Vorwurf des Westens, auch mit korrupten und brutalen Regimen zu paktieren, begegnet die Führung in Beijing mit dem Mantra, jedem Volk und Staat seinen eigenen Weg nicht abzusprechen.

Chinas Investitionen in andere Länder folgen den Erfordernissen der eigenen Entwicklung und im Idealfall verlaufen sie zum beiderseitigen Vorteil. Das gilt in der Praxis nicht für jedes Projekt, das von chinesischer Seite aus initiiert wird, aber es ist ein Grundsatz, dem die Politik folgt.

Für die internationalen Partner Chinas, gerade in Afrika, Südamerika und auch Zentralasien ist dies eine attraktive Politik und eine ehrliche Alternative zum gängelnden Westen, der meist ein hohes Maß an Zugeständnissen im politischen und ökonomischen Feld als Voraussetzung für ein Engagement fordert - und in seiner Arroganz auch nicht davor zurückschreckt, dies militärisch abzusichern.

China wird in den Eliten dieser Partnerländer sehr geschätzt. Lange Zeit hat es China vermieden in Feldern und Ländern aktiv zu sein, in denen ein starkes "westliches" Engagement im ökonomischen oder auch militärischen Bereich festzustellen war.

Eine Politik, die unter Xi Jinping teilweise aufgegeben wurde. Heute kann man durchaus auch Ansätze in der chinesischen Diplomatie finden, in denen die VR-Regierung konformes Verhalten als Voraussetzung seines Wohlwollens und Engagement begreift - geopolitisches Denken ist auch in Beijing vorhanden …

… und geht mit einer Aufrüstung einher. Wie bewerten Sie das?

Andreas Seifert: Militarismus und Aufrüstung sind aus meiner Sicht immer kritisch zu bewerten - sie wirken mehrfach negativ. Die schiere Existenz von Waffen erhöht die Gefahr ihres Einsatzes; sie fördern Ängste und Abgrenzung und befördern Aufrüstungstendenzen bei anderen; sie entziehen der Gesellschaft Ressourcen, die an anderer Stelle besser eingesetzt werden können - und vor allem: Der Einsatz von Waffen tötet und verursacht Zerstörung.

Dies gilt auch für den Part einer chinesischen Aufrüstung – ihre Ziele müssen benannt werden und die Folgen ebenso. Sie wird nicht dadurch besser, dass sie einer Nato-Aufrüstung nachsteht.

Wenn wir nun mit Distanz auf China schauen: Was hat die Führung in Beijing erreicht, welche Rolle wird das Land im 21. Jahrhundert spielen?

Andreas Seifert: Chinas ökonomische Aufbauleistung verdient Respekt. Und Chinas Interessen müssen international eine Berücksichtigung finden. Der Eindämmungsstrategie durch die USA ist deutlich zu widersprechen. Die positiven Aspekte im chinesischen Aufbaumodell sind vorhanden und gehören auch in der öffentlichen Debatte betont.

Somit ergibt sich für mich als Sinologe auch ein Auftrag, ein differenziertes China-Bild zu befördern, das die Kritik an der VR ernst nimmt und mit ihr umgeht und das umgekehrt auch auf Aspekte hinweisen kann, die auf der Nachrichtenebene verkürzt oder auch falsch dargestellt werden. Auf Aspekte und Ansätze die zukunftsweisend sein können.

Die Aufgaben des 21. Jahrhunderts liegen in der Bewältigung der Klimakatastrophe – grundsätzliche Fragen von Konsum und Wachstum müssen überdacht werden und sind nur in Kooperation aller Menschen lösbar.

China ist eingebettet in die kapitalistische Globalisierung – es ist kein Zuschauer am Rande, der alles richtig macht: Auch China bedient sich nicht selten ausbeuterischer Methoden im Inland, wie in den Niederlassungen seiner Firmen im Ausland und baut seinen Wohlstand auf der Idee des fortschreitenden Wachstums auf. Und auch dies ist im Kopf zu behalten. Eine Kritik an der Globalisierung darf China als Akteur nicht aussparen - wie auch eine Lösung dieser Fragen nicht ohne China möglich ist.

Eine positive Positionierung gegenüber China und eine kritische Haltung gegenüber der von der Kommunistischen Partei vertretenen Politik, schließen sich nicht aus – wie auch die Kritik an China nicht im Reflex mit dem Befürworten der kapitalistischen Weltordnung gleichzusetzen ist.

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