Das Ende der Geduld
Bereits nach weniger als zwei Wochen wird dem Lockdown attestiert, dass er zu schwach wirke. Montag könnten Verschärfungen angekündigt werden. SPD-Politiker Lauterbach nimmt Schulen ins Visier
Frühestens nach zwei Wochen könne man etwas zu den Auswirkungen des Lockdown light sagen, hieß es Ende Oktober, als die neuen Corona-Maßnahmen beschlossen wurden. Der kommende Montag wäre eigentlich das Datum, um eine Zwischenbilanz zu ziehen. 14 Tage gelten als das Minimum, bis sich Lockdown-Effekte in Neuinfektionszahlen widerspiegeln. Studien zufolge kann es sogar vier Wochen dauern, bis sich der Effekt von Maßnahmen vollends zeige.
Offenbar haben Politiker und Kommentatoren dafür nicht die Geduld. Die täglichen Meldungen über gestiegene, bzw. nicht gesunkene Infektionszahlen in Deutschland reizen zu Äußerungen, die mit großer Aufmerksamkeit rechnen können.
Auch der SPD-Politiker Karl Lauterbach hat offenbar keine Lust, zwei Wochen zu warten: Er hat sich in der Corona-Krise bereits mehrfach damit hervorgetan, dass er für strenge Maßnahmen eintritt. Auch in seiner aktuellen Einschätzung, die am heutigen Samstag in vielen Medien Kreise zieht, spricht sich Lauterbach gegen eine Lockerung aus: "Ich gehe davon aus, dass wir den Wellenbrecher-Shutdown verlängern müssen."
Seine Begründung lautet, dass "die Wirkung schwächer ausfalle als berechnet". Ganz ohne Effekt sind die Maßnahmen nach seiner Einschätzung also nicht, aber die Situation bleibe wegen der hohen Zahl an Neuinfektionen fragil. Auch er zählt auf, was in den letzten Tagen fokussiert wurde: die privaten Kontakte sowie Studien, die die Schließung von Restaurants, Cafés, Bars, Hotels und Fitnessräumen als Superspreader-Orte bestätigen.
Lauterbachs Äußerung, dass weiterhin zu viel private Treffen stattfinden, könnte darauf abzielen, dass am Montag die Kontaktverbote noch mehr verschärft werden sollten. Zu den Schulen äußert er sich deutlich:
"Wir kommen in eine Situation hinein, wo der Schulbetrieb für Kinder, Lehrer, Eltern und Großeltern zu einem hohen Risiko wird"
Trotz Maskentragen häufen sich Hinweise auf ein stärkeres Infektionsgeschehen an den Schulen. Der SPD-Gesundheitsexperte will die Schulen auf jeden Fall offenhalten: Der Unterricht soll "im Winter durchgehend mit Maske" betrieben werden, für die gute Luft soll die Bereitstellung von mobilen Luftfilteranlagen sorgen. Das Lüften über Fensteröffnen ist in vielen Schulen, wie berichtet wird, eine kaum zu bewältigende Aufgabe. Man staunt. Bis alle Schulen mit Lüftungsgeräten versorgt werden, kann es dauern.
In jedem Fall muss der Schulbetrieb verändert werden, fordert Lauterbach und schlägt das Naheliegende vor: die Rückkehr zum Wechsel zwischen Präsenzunterricht und Homeschooling. Die Vorteile liegen auf der Hand: kleinere Klassen, weniger Infektionsgeschehen. Ganz sicher sinnvoll, nur wie kommt man jetzt aus dem Versprechen wieder raus, dass man den Regelbetrieb nicht antasten werde?
Unterdessen erhöht sich der Unmut gegenüber der Kommunikationspolitik der Bundesregierung. "Hält uns die Regierung für dumm?", fragt beispielsweise Welt-Redakteur Andreas Rosenfelder in einem Kommentar:
Niemand glaubt, dass dieser Lockdown nach vier Wochen endet. Und das ist alarmierend - denn die Kommunikationsoffensive, mit welcher er vorbereitet wurde, setzte ganz auf die Befristung der Maßnahmen. (…) "Wenn wir den November nutzen, wenn wir alle mitmachen", versprach Markus Söder, "wird es im Dezember wieder heller werden." Das war schon im Hinblick auf den Sonnenstand mutig - abgesehen von der Frage, warum ein saisonal aktives Virus mitten im Winter verschwinden sollte. (…. )Jetzt dreht Angela Merkel das rhetorische Schachbrett ganz herum: "Über Lockerungen brauchen wir nicht zu sprechen"(…) Eine Kommunikation, der man die manipulative Absicht überdeutlich anmerkt, trägt selber zur Krise bei.
Andreas Rosenfelder, Die Welt