Das "Haus der freien Kreativität" in Turkmenistan

Das Land, das von Nijasow wie ein absoluter Herrscher regiert wird, gleicht Nordkorea, nur ist es reicher, weswegen dieser sich nicht mit Atombomben, sondern mit Monumenten verewigen will

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Irgendwie scheinen zumindest manche Diktatoren der Kunst zugeneigt zu sein. Architektur dominiert als Herrschaftsgeste natürlich schon seit jeher, manchmal zieht es die Tyrannen aber auch selbst in die Literatur. So hat Saddam Hussein sich nicht nur als Monumentalist, sondern auch als Romanschreiber versucht (Literatur und Macht - eine gefährliche Liebschaft). Sein noch im Amt befindlicher Kollege Saparmurad Nijasow in dem überwiegend von Muslimen bevölkerten Turkmenistan schreibt gerne Gedichte und hat gerade erst wieder ein neues Buch „Turkmensitan – Land meines Schicksals“ veröffentlicht, das vor allem Liebesgedichte enthalten soll.

Herrschaftsarchitektur, als wären Aufklärung und Demokratisierung nie dagewesen

Liebe, so der seit 15 Jahren Herrschende, der sich gerne der „Vater aller Turkmenen“ nennen lässt, sei nämlich der Grund aller Dinge. Wie es in der staatlichen Nachrichtenagentur heißt, habe der Präsident wieder einmal mit seinen Gedichten in der besten Tradition der orientalischen Poesie virtuos mit seiner Muttersprache gespielt und einen „unübertroffenen Ausdruck“ erreicht. Kritiker braucht der Präsident, der angeblich schwer krank sein soll, nicht zu fürchten. Freie Medien gibt es nicht. Dafür sorgt sich der liebevolle Landesvater, dessen Bilder und Skulpturen man überall findet, um seinen postumen Ruhm. Ruhnama (Buch der Seele), einen seiner Gedichtbände, die zur Pflichtlektüre zählen, hat er letztes Jahr ins Weltall schießen lassen – gleichzeitig mit dem Erlass eines Verbotes, aufgenommene Musik bei Feierlichkeiten abzuspielen, um die turkmenische Kultur zu erhalten. Auch die Oper, klassische Musik, Zirkus und andere kulturelle Importe aus dem Westen wurden verboten.

Nijasow nutzt ähnlich wie Hussein das Geld aus den Erdgas- und Erdölvorkommen, um seinen Personenkult ähnlich wie Hussein, aber auch ähnlich den Herrschern der arabischen Emirate mit gigantischen und prachtvollen Bauwerken und anderen Monumenten zu betreiben. Er lässt etwa einen riesigen See in der Wüste Karakum bauen oder hat eine 40 Meter hohe Pyramide und einen Eispalast errichten lassen.

Der Dichter an der Macht ist der Herrscher über die Worte

Im Augenblick jagt eine Einweihung die nächste, da Turkmenistan das 15-jährige Jubiläum der Unabhängigkeit unter dem Diktator feiert, der aber weiterhin von Russland gedeckt wird. So wurde ein für 60 Millionen Dollar erbauter Kanal mitsamt einem Wasserpark eröffnet. Vor ein paar Tagen wurden gleich fünf neue Theater eingeweiht. Dann wurde noch für 3,7 Millionen Dollar ein Hochzeitspalast "Bagt Koshgi" in Ashgabat eröffnet. Der 4.000 Quadratmeter große Palast aus weißem Marmor hat fünf Türme und einen Park mit Alleen und Brunnen. Und es wurde noch ein 33 Hektar großer Freizeitpark „Welt der turkmenischen Märchen“ für 50 Millionen Dollar eröffnet.

Und gerade zu der Zeit, als der Bericht der Organisation Reporter ohne Grenzen über die Feinde der Pressefreiheit veröffentlicht wurde, in dem Turkmenistan ganz am Ende nur noch vor Nordkorea rangiert, wurde das von dem französischen Konzern Bouygues für 17 Millionen Dollar erbaute „Haus der freien Kreativität“ eingeweiht. In dieses Gebäude, dessen Form ein großes, aufgeschlagenes Buch darstellen soll, werden Mitarbeiter der größten Massenmedien des Landes, alle in staatlicher Hand, untergebracht. Von freier Kreativität dürften die hier Arbeitenden wenig bemerken, aber ausgestattet ist das Gebäude angeblich mit den neuesten Computer- und Kommunikationstechniken.

Möglicherweise zeigt auch schon die Wahl, die Medien hinter der architektonischen Darstellung eines Buches einzusperren, eine symbolische Geste. Der Diktator liebt zwar die Bücher, aber sie sind ein veraltetes Medium, das nicht nach vorne weist, auch wenn hinter die Oberfläche bereits die digitalen Medien eingedrungen sind. Bücher und Printmedien freilich lassen sich auch leichter kontrollieren als das Internet und Satellitenfernsehen. Das Internet wird in Turkmenistan genauestens kontrolliert, einst bestehende Internetprovider hat man geschlossen, um das Land möglichst abzuschließen. Privaten Online-Zugang oder Internetcafes gibt es nicht mehr, nur noch an wenigen kontrollierten Zentren können die Menschen ins natürlich massiv zensierte Internet. Angeblich kontrolliert der Diktator, der abweichende Meinungen gnadenlos verfolgt, selbst die Zeitungen. Kritische Menschenrechtler und Journalisten werden ebenso wie politisch Oppositionelle verfolgt, verjagt, schikaniert und eingesperrt, u.a. auch in die Psychiatrie.

In der Hauptstadt hat sich der Tyrann eine vergoldete Skulptur errichten lassen, die sich mit dem Stand der Sonne dreht. Immerhin hat Nijasow auch mit seinem Personenkult dafür gesorgt, dass irgendwann mit der Zerstörung der Statuen und Bilder symbolisch mit dem Regime abgeschlossen werden könnte. Allerdings könnte man mittlerweile, schaut man auf den Sturz der Hussein-Statue in Bagdad oder vielleicht auch auf die von vielen Lenin- und Stalin-Skulpturen in osteuropäischen Ländern, skeptisch werden, selbst oder gerade wenn auch eine der mäßig erfolgreichen bunten Revolutionen einmal Turkmenistan erreichen sollte.