"Das Westjordanland gehört uns. Alles davon"
Die neue israelische Vize-Außenministerin Tzipi Hotovely vertritt offen Siedler-Positionen
"Es ist wichtig, dass wir sagen, dieses Land gehört uns. Alles davon gehört uns. Wir sind nicht da, um uns dafür zu entschuldigen". Die israelischen Diplomaten haben nicht schlecht gestaunt , manche waren schockiert, berichtet Ha’aretz, als Vizeaußenministerin Tzipi Hotovely von der Likud-Partei die neue Ausrichtung für die Vertretungen im Ausland vorstellte.
In der Vergangenheit habe sich die israelische Diplomatie viele Jahre lang eher darum bemüht, im Umgang mit der Welt smarter zu sein als im Recht zu sein. Das soll sich nun ändern, fordert Hotovely:
Wir haben versucht, Argumente aufzubieten, die diplomatisch gut funktionieren, aber gegenwärtig ist es wichtig, Recht zu haben. Wir müssen zur fundamentalen Wahrheit unseres Rechtes auf dieses Land zurück.
Laut dem Zeitungsbericht bezog sich Hotovely in ihrer Ansprache zunächst auf einen Text des früheren Netanjahu Beraters und Journalisten, Uri Elitzur, eine bekannte Persönlichkeit aus dem rechten national-religiösen Lager, der 2014 verstarb.
2008 publizierte Elitzur in einem Text für das Siedlermagazin Nekuda den Ansatz, den sich die Likud-Politikerin als Vorgabe gewählt hat: Erst sollte Israel das Westjordanland annektieren, dann könnte den Palästinensern stufenweise die israelische Staatsbürgerschaft verliehen werden. Hotoveli habe schon länger mit dieser Idee geworben, was sie öfter zum Ziel spöttischer Bemerkungen von rechts wie links werden ließ, berichtet +972.
Religiöse Begründung der Ein-Staaten-Lösung
Die Diplomaten haben gestern laut Ha’aretz nicht gespöttelt. Stattdessen seien manche schockiert gewesen, weil die Vize-Außenministerin, die gegenwärtig de facto als Chef der Diplomaten fungiert, die neue Ausrichtung der public diplomacy mit einem Tora-Kommentar des französischen Rabbiners Raschi untermauerte.
Hotoveli nahm laut Zeitungsbericht in ihrer Rede Bezug auf eine Auslegung Raschis, die im Deutschen so wiedergegeben wird:
Wenn die Völker der Welt zu Israel sprechen sollten: ›Ihr seid Räuber, denn ihr habt die Länder der sieben Nationen eingenommen‹, so antworten sie ihnen: ›Die ganze Erde gehört dem Heiligen, gelobt sei Er. Er hat sie erschaffen und dem gegeben, der gerecht in Seinen Augen ist (Jirmejahu 27,5); nach Seinem Willen hat Er sie jenen gegeben und nach Seinem Willen sie ihnen genommen und uns gegeben (Jalkut zu 2. Buch Moses 12,2).
Der berühmte Gelehrte lebte im 11.Jahrhundert. Es liegt also ein Jahrtausend zwischen der Wirklichkeit des Rabbiners und derjenigen, mit der die stellvertretende Außenministerin konfrontiert ist. Dazu kommt, dass die Arbeit an religiösen Texten nicht naiv auf das politische Feld übertragen werden kann. Vermischt man beide, so hisst man die Flagge des Fundamentalismus.
Dafür waren bislang Exponenten der Siedler bekannt. Dass sich nun eine Regierungspolitikern, betraut mit der Außenpolitik , derart zum Verbündeten radikal nationalistischer Forderungen macht, ist eine neue Dimension. Werden also die israelischen Diplomaten in aller Welt künftig die Positionen der Siedler vertreten?
Netanjahu ist jetzt der Nette?
So einfach ist das nicht. Für Medien war abzusehen, dass es mit der Nominierung von Hotoveli zu außenpolitischen Konfrontationen kommen wird: Sie wird Israels Position in der Welt nicht leichter machen, prophezeite die konservative Jerusalem Post vor knapp einer Woche. Der Eklat war einer mit Ansage.
Hotovelys Eintreten für die Ein-Staaten-Lösung ist bekannt. Und auch dass es der Likud-Politikerin wichtiger ist, dass sie als erste religiöse Frau ein Ministeramt bekleidet als die Frage, welches Ministerium sie übernimmt. Eine Außenpolitikerin aus Berufung ist sie nach eigenen Angaben nicht: "It does not make any difference what [ministry] - culture, tourism [or] technology."
So ist es auch kein Zufall, dass nun Netanjahu wieder öffentlich von einer Zwei-Staaten-Lösung spricht. Der Premierminister habe sich dazu verpflichtet, beteuerte Hotovely gegenüber Journalisten. Das lässt den Hardliner Netanjahu dann beinahe schon als "Friedenstaube" erscheinen. Als die einzige Hoffnung, auf die Palästinenser in einem Kabinett von Rechtsauslegern überhaupt noch setzen können. Eine Situation mit Möglichkeiten, die dem Machtpolitiker Netanjahu nicht missfallen wird.
Zumal er von seinem Außenministerium außer public-diplomacy-Störungen, die er dann beschwichtigen kann, nichts Großes zu befürchten hat. Nach dem Verzicht Liebermans, der Netanjahu schon mal in die Parade fuhr und mehr Härte verlangte, auf den Außenministerposten besetzte der Premierminister den Chefposten nicht mehr.
Es gibt aktuell nur eine stellvertretende Außenministerin und Innenminister Silvan Shalom, der auch ein bisschen Außenpolitik machen soll, die sich beide über Kompetenzen streiten. Die Macht liegt ganz bei Netanjahu, der mit seiner bekannten und für die Palästinenser zermürbenden Taktik weitermachen kann: einmal für die Zwei-Staaten-Lösung und dann wieder nicht.
Mit dem neuen Kabinett hat er es leicht, darauf zu verweisen, dass er vielleicht die Lösung schon wollte, aber dies leider nicht durchsetzen kann, ohne seine Regierung zu riskieren. Man darf gespannt sein, wie die israelische Öffentlichkeit auf die religiös gehärteten radikal-nationalistischen Töne aus der Regierung reagiert. Sie probiert so manches.
Zuletzt brachte sie den Vorschlag in die Debatte, dass Palästinenser aus dem Westjordanland "ab sofort keine regulären Buslinien zusammen mit Israelis mehr nutzen sollen". Der Vorschlag wurde wieder zurückgezogen. Man testet gerade die Grenzen des Möglichen aus, so der Eindruck.