Das gefährliche Spiel mit roten Linien in der Ukraine
- Das gefährliche Spiel mit roten Linien in der Ukraine
- Grünes Licht aus Washington für Angriff auf die Krim?
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Die US-Regierung beteiligt sich zunehmend am Ukraine-Krieg. Kiew könnte sogar bald grünes Licht für einen Krim-Angriff erhalten. Die Frage ist, wie weit man zu gehen bereit ist.
Wenn sich die Vereinigten Staaten militärisch in einen Konflikt einmischen, fällt es ihnen oft schwer, sich wieder herauszuziehen, geschweige denn, tiefe Verstrickungen zu vermeiden, die weit über die Grenzen hinausgehen, die sie zu Beginn der Intervention gezogen hatten.
Das ist in Vietnam geschehen, als aus den US-Militärberatern, die den Südvietnamesen im Kampf gegen die Vietcong helfen sollten, schließlich US-Soldaten wurden, die einen amerikanischen Krieg führten. Es fand in Afghanistan statt, wo sich eine anfängliche Invasion zur Ergreifung von al-Qaida-Mitgliedern und zum Sturz der Taliban in ein fast zwei Jahrzehnte andauerndes Projekt zum Aufbau einer Nation verwandelte. Und das könnte jetzt gerade in der Ukraine geschehen.
Nach und nach nähern sich die Nato und die Vereinigten Staaten dem Katastrophenszenario an, von dem Präsident Joe Biden sagte, dass "wir uns bemühen müssen, es zu verhindern" – einem direkten Konflikt zwischen den USA und Russland.
Obwohl zu Beginn des Krieges betont wurde, dass "unsere Streitkräfte nicht in den Konflikt verwickelt sind und es auch nicht sein werden", erklärten amtierende und ehemalige Geheimdienstmitarbeiter im Oktober gegenüber The Intercept, dass "die Präsenz von CIA- und US-Spezialkräften" in der Ukraine viel größer sei als zum Zeitpunkt des russischen Einmarsches und dass "geheime amerikanische Operationen" in dem Land durchgeführt würden, die "jetzt viel umfangreicher sind".
Zu diesen geheimen Operationen gehöre – so berichtete der Enthüllungsjournalist und ehemalige Green Beret Jack Murphy am 24. Dezember, was vom Mainstream wenig beachtet wurde – die Zusammenarbeit der CIA mit der Spionageabteilung eines ungenannten Nato-Verbündeten bei der Durchführung von Sabotageaktionen in Russland, die angeblich die Ursache für die unerklärlichen Explosionen sind, die die russische Infrastruktur während des gesamten Krieges erschüttert haben. Solche Aktivitäten schrammen gefährlich nahe an einer direkten Konfrontation zwischen der Nato und Russland vorbei.
Um es in die angemessene Perspektive zu rücken, sollte man bedenken, dass Teile des politischen Establishments in den USA allein die Einmischung Russlands in die US-Wahlen 2016 als "Kriegshandlung" betrachteten – empörend, aber um Größenordnungen weniger schlimm als die Unterstützung bei der Durchführung von Infrastrukturangriffen auf dem Boden eines anderen Landes.
In der Zwischenzeit haben die Vereinigten Staaten und ihre Nato-Verbündeten ihre selbst auferlegten Grenzen in Bezug auf Waffentransfers immer wieder gesprengt. Zu Beginn des Krieges warnte die New York Times, dass die offene Lieferung selbst von Kleinwaffen und leichten Waffen "das Risiko birgt, einen ausgeweiteten Krieg und mögliche Vergeltungsmaßnahmen Moskaus zu fördern", während US-Offizielle fortgeschrittenere Waffen als zu eskalierend ausschlossen.
Es dauerte weniger als zwei Monate, bis die Regierung Biden begann, die risikoreicheren Tranchen hochleistungsfähiger Waffen zu versenden.
Ende Mai verschickte man moderne Raketensysteme, die noch wenige Wochen zuvor als zu eskalierend betrachtet wurden, unter der strikten Bedingung, dass die Ukraine sie nicht für Angriffe auf russisches Territorium einsetzt, was, wie man befürchtete, zu einer Eskalation führen könnte, die die Nato in den Krieg ziehen würde – bis auch diese Grenze schließlich überschritten wurde. Im vergangenen Dezember gab das Pentagon zu, dass es der Ukraine als Reaktion auf Moskaus Zerstörung der ukrainischen Infrastruktur schließlich doch grünes Licht für Angriffe auf Ziele in Russland gegeben habe.
"Die Angst vor einer Eskalation hat sich von Anfang an geändert", erklärte ein Vertreter des Verteidigungsministeriums gegenüber der Londoner Times. Das Pentagon sei weniger besorgt, seit der russische Präsident Wladimir Putin im Oktober seine nuklearen Drohungen zurückgenommen habe.
Da die Kriegsanstrengungen in der Ukraine ins Stocken geraten sind und die russischen Streitkräfte kleine Fortschritte gemacht haben, sind die Waffentransfers der Nato inzwischen weit über das hinausgegangen, was Regierungen noch vor wenigen Monaten befürchteten, nämlich dass das Bündnis in einen direkten Krieg mit Russland hineingezogen werden könnte.
Die Regierungen der USA und Europas schicken gepanzerte Fahrzeuge und haben sich nun auch entschieden, Panzer zu liefern. Der ukrainische Verteidigungsminister Oleksii Reznikov hatte das bereits im Oktober letzten Jahres vorausgesagt. Er sagte dem New Yorker damals:
Als ich im November, vor der Invasion, in Washington war und nach Stingers fragte, sagte man mir, das sei unmöglich. Jetzt ist es möglich. Als ich nach 155-Millimeter-Kanonen fragte, lautete die Antwort nein. Mehrfachraketenwerfer HIMARS, nein. Luft-Boden-Rakete HARM, nein. Jetzt ist das alles ein Ja. Deshalb bin ich mir sicher, dass es morgen Panzer, Kurzstreckenraketen ATACMS und F-16 geben wird.
Es bleibt abzuwarten, wie lange es dauert, bis der Widerstand der USA gegen letztere Militärhilfe denselben Weg einschlägt wie bei den schweren Waffen, die sie bereits geliefert haben. Und: Wie lange wird sich die Regierung noch gegen die Lieferung von Langstreckendrohnen sträuben, auf die eine parteiübergreifende Gruppe von Senatoren derzeit drängt und vor denen russische Beamte ausdrücklich gewarnt haben, dass sie Washington "zu einer direkten Konfliktpartei" machen würden?