Das große Amri-Handy-SIM-Karten-Rätsel

Seite 2: Fragen, die Empörung auslösen

Kann es sein, dass Daten gekommen sind, sich aber nicht in den Akten finden?, fragte daraufhin der Abgeordnete Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen). BKA-Kriminalhauptkommissar Andreas S. schloss das empört aus: Er könne sich nicht vorstellen, dass das BKA Daten erhebe und dann lösche.

Allerdings, so der Bundestagsabgeordnete weiter, gebe es in den Akten keinen Hinweis, wie das BKA auf den "unglaublichen Vorgang" der angeforderten, aber fehlenden Daten reagiert habe. Von Seiten der Sicherheitsbehörden würde ständig eine Vorratsdatenspeicherung gefordert und dann interessiere sich niemand dafür, dass die Daten des mutmaßlichen Attentäters nicht da sind.

Das HTC-Smartphone war am 24. September 2016 einem schweizer Touristen in Berlin gestohlen worden. Anfang Oktober 2016 gelangte es in die Hände von Amri durch eine Person aus seinem Umfeld. Am 21. September 2016 war übrigens die Telefonüberwachung Amris durch das Berliner LKA beendet worden.

In dem HTC-Handy waren insgesamt neun verschiedene SIM-Karten eingelegt gewesen. Alle seien Amri zuzuordnen, so das BKA. Allerdings sind durch die Ermittlungen im Umfeld Amris keine neun Telefonnummern bekannt geworden.

Hat also noch jemand anderes das HTC-Handy mit eigener SIM-Karte ebenfalls benutzt?

Das führt zu der Frage zurück, wer das HTC-Smartphone nach dem Anschlagsunfall in das Karosserieloch des LKW gesteckt haben könnte.

Bei der Sichtung des Geräts wurden im Foto-Storage zwei Bilder festgestellt, die nach dem Anschlag vom Breitscheidplatz gemacht wurden. Das BKA schließt den LKW-Täter aus und erklärt den Fund so: Die Google-Now-App habe die Bilder automatisch auf dem Gerät installiert. Es handle sich um Bilder, die an jenem Abend in Nachrichtenportalen auftauchten. Allerdings muss das BKA einräumen, keine direkte Verbindung zwischen den Bildern und einer konkreten Webseite gefunden zu haben.

Die BKA-Erklärung erklärt außerdem nicht, warum nicht noch mehr Bilder vom Tatort Breitscheidplatz, der damals international Nachrichtenthema war, installiert sind; warum keine Bilder von anderen Ereignissen installiert wurden; und vor allem, warum die Breitscheidplatzbilder im Foto-Storage, dem Bilderarchiv des Geräts, auftauchen, also von jemandem aktiv abgespeichert worden sein müssen.

Die Google-Now-App soll außerdem um 19:40 Uhr, also während der Anfahrt des LKW zum Breitscheidplatz, aktiv in den Geräte-Vordergrund geholt worden sein, ehe sie wieder Hintergrund weiterlief. Warum und vor allem: wie soll das der Fahrer während der Fahrt bewerkstelligt haben?

Von Amri sind vier Mobiltelefone bekannt: Der "Knochen", das HTC, ein gestohlenes Handy, das ihm im Februar 2016 nach einer kurzzeitigen Festnahme von der Polizei abgenommen wurde - sowie ein Handy, das er auf seiner Flucht nach dem Anschlag von Berlin über Emmerich, Kleve, Amsterdam, Brüssel, Lyon, Turin und Mailand mit sich führte, ehe er am 23. Dezember 2016 im Mailänder Vorort Sesto San Giovanni erschossen wurde.

Offiziell wird bestritten, dass Amri bei seinem Tod ein Handy bei sich trug, so erneut vom BKA-Beamten Andreas S. Dagegen steht der Verdacht, dass die Polizei das Gerät in Italien verschwinden ließ.

Der Abgleich des BKA im Jahr 2020 mit Funkzellendaten aus den anfänglichen Anschlagsermittlungen der BAO-City ergab noch ein Ergebnis: Am Tattag, dem 19. Dezember 2016, war auch ein V-Mann des Verfassungsschutzes von Mecklenburg-Vorpommern in Berlin.

Jener Informant, der Anfang 2017 berichtete, eine arabisch-stämmige Familie habe mit dem Anschlag zu tun und dem Tunesier Amri bei seiner Flucht geholfen. Sachverhalte, die erst seit wenigen Monaten unter dem Stichwort "Opalgrün" bekannt sind.