Debatte um Palästinenser-Proteste: Antisemitismus ist keine Meinung

Protest von Palästinensern in Berlin, 2021. Bild: Michael Künne, PRESSCOV picture agency, CC BY-SA 3.0 DEED

Problematische Aussagen bei Protesten von Palästinensern. Grenzen durch Strafrecht. Noch etwas müsste getan werden, meint unser Autor im Kommentar.

Die bewaffnete palästinensische Organisation Hamas hat Israel angegriffen und für entsetzliches Leid gesorgt. Unzählige Menschen sind gestorben, es gab Geiselnahmen, Folter und Vergewaltigungen durch die Täter, aber auch eine militärische Antwort aus Israel: Das israelische Militär hat zuletzt Ziele der Verantwortlichen unter anderem in Gaza und im Westjordanland bombardiert, weitere Aktionen sind angekündigt.

Dagegen regt sich Protest. Auch in Deutschland – vor allem von Palästinensern. Immer wieder kommt es dabei zu antisemitischen Vorfällen. Das hat nichts mit Meinungsfreiheit zu tun, sondern ist ein Fall fürs Strafrecht.

Die Grenzen der Meinungsfreiheit

Die Berichte häufen sich. Aus unzähligen Großstädten gibt es mittlerweile Aussagen über Demonstrationen, bei denen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Palästina solidarisch zeigen und lautstark politischen Protest äußern.

Dazu muss man vor allem eines klarstellen: Meinungsfreiheit hat ihre Grenzen. Zwar geht es hierbei um ein gewichtiges Grundrecht, verfassungsrechtlich in Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes verbrieft. Das Bundesverfassungsgericht bezeichnete es sogar als für unsere Demokratie "schlechthin konstituierend".

Dennoch ist in Artikel 5 des Grundgesetzes auch ausdrücklich eine Grenze markiert, namentlich in Absatz 2, wo es unter anderem bezogen auf die Meinungsfreiheit heißt:

Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

Zu diesen einschränkenden Vorschriften gehört das Strafgesetzbuch (StGB). Und ebenda sind neben der Beleidigung (§ 185 StGB) auch das Billigen von Straftaten (§ 140 StGB), das öffentliche Auffordern zu Straftaten (§ 111 StGB) sowie die Volksverhetzung (§ 130 Absatz 1 StGB) geregelt.

All diese Straftatbestände beschränken nicht nur in verfassungsrechtlich zulässiger Weise die Meinungsfreiheit, sondern spielen auch bei den Demonstrationen der Befürworter der Palästinenser eine Rolle, vor allem dann, wenn es um antisemitische Äußerungen geht.

Sowohl in einem Bericht der Tagesschau als auch beim juristischen Onlinemagazin LTO sind dazu bereits Beispiele angeführt und einer Wertung unterzogen worden. Daraus wird deutlich, dass vor allem die seit Längerem existierende Parole "From the River to the Sea – Palestine will be free" sowohl antisemitisch ist als auch – im Kontext des aktuellen Terrors der Hamas – strafrechtlichen Charakter aufweisen kann.

Beleuchtet man diese Parole genauer, ist schnell klar, dass Israel damit das Existenzrecht abgesprochen wird. Stattdessen geht man von einem befreiten Palästina sowie davon aus, dass Palästina als Staat an die Stelle Israels tritt.

Damit ist die Parole als antisemitische Äußerung zu werten, auch nach der Arbeitsdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (dort ist das Beispiel ausdrücklich angeführt: "Das Aberkennen des Rechts des jüdischen Volkes auf Selbstbestimmung, z.B. durch die Behauptung, die Existenz des Staates Israel sei ein rassistisches Unterfangen").

Die Parole kann gleich in doppelter Hinsicht strafrechtlich relevant sein: Sowohl nach § 140 StGB als auch mit Blick auf § 130 StGB. Ein Billigen von Straftaten nach § 140 Nr. 2 StGB steht im Raum, wenn es um Zuspruch für die aktuellen Terrorattacken der Hamas geht.

Dabei ist wichtig zu betonen: Es kommt auf den Einzelfall und auf eine kontextbezogene Wertung an. Entscheidend ist, ob die Parole in konkretem Bezug zu den Verbrechen der Hamas-Terroristen steht.

Weiterhin kann es um Volksverhetzung gehen, vor allem um das sogenannte Aufstacheln zum Hass. Dies ist erneut einzelfallabhängig zu klären, ebenso wie die Frage, ob die israelfeindliche Parole den nach § 130 Absatz 1 Nummer 1 StGB notwendigen inländischen Gruppenbezug aufweist.

Ob und inwiefern es zu Anklagen kommt, bleibt daher abzuwarten. Die Ermittlungen sollten jedoch in jedem Fall aufgenommen werden. Passend dazu hat das Oberlandesgericht Karlsruhe in seinem Beschluss vom 26. Februar 2020 (Az. 1 Ws 285/19) klargestellt:

Die bloße nicht auszuschließende Deutungsmöglichkeit der von Verantwortlichen einer politischen Partei unter anderem auf zwei nebeneinander nahe einer Jüdischen Synagoge angebrachten Wahlplakaten aufgedruckten Parolen ‚Zionismus stoppen! Israel ist unser Unglück – Schluss damit!‘ und ‚Wir hängen nicht nur Plakate!‘ im Sinne einer bloßen (straflosen) Kritik an der Politik des Staates Israel, rechtfertigt es nicht, von der Aufnahme von Ermittlungen gem. § 152 Abs. 2 StPO abzusehen.

Vorschlag zur Gesetzesnovellierung

In diesem Zusammenhang besonders hervorzuheben ist auch der jüngste Vorstoß des Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, der vor dem Hintergrund der aktuellen Proteste und um antisemitische Taten besser bestrafen zu können, eine Verschärfung des § 130 StGB gefordert hat.

Einen unterstützenswerten Vorschlag zur Novellierung des Straftatbestands der Volksverhetzung hat Rechtsprofessorin Elisa Hoven geliefert. Rechtliche Änderungen allein reichen jedoch nicht.

Die aktuellen Proteste sowie die damit verbundenen antisemitischen Vorfälle zeigen, dass es weiterhin dringenden Handlungsbedarf gibt.

Dieser Phänomenbereich sowie dessen Hintergründe sollten – wie von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) angekündigt – differenzierter erfasst und genauer untersucht werden. Stets muss klar sein: Deutschland steht gegen jede Form des Antisemitismus!

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