Dekarbonisierung noch nicht in Sicht

Seite 3: Atomenergie weltweit stabil

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Leider war bei der Kohle im Jahr 2015 bestenfalls Stagnation zu verzeichnen. Ähnlich sieht es im Bereich der nuklearen Stromerzeugung aus, die sich seit einigen Jahren bei rund 11% weltweit hält.

In der ersten Jahreshälfte 2015 sind 5 neue Reaktoren ans Netz gegangen und 2 wurden stillgelegt (einer davon war Grafenrheinfeld in Deutschland). Nach zwei Jahren ohne Nutzung der Atomkraft hat Japan im August das Kraftwerk Sendai 1 wieder angefahren, im Oktober folgte Sendai 2. Im Januar 2016 werden wohl die Reaktoren Takahama 3 und 4 folgen.

Im Juli 2015 befanden sich weltweit 62 Reaktoren in Bau, 40% davon in China. Jahrelange Verzögerungen beim Bau sind dabei die Regel. 5 Projekte werden offiziell seit 30 Jahren gebaut. Die Baustelle zum finnischen AKW Olkiluoto 3 feierte in diesem Jahr ihr zehnjähriges Jubiläum. Trotz aller bekannten Pannen, Verzögerungen und Kostenexplosionen beim Bau von Atomkraftwerken wollen auch europäische Länder nicht von Neubauprojekten ablassen. So verkündete Großbritannien im November, bis 2025 aus der Kohleverstromung aussteigen zu wollen, kündigte aber zugleich den Neubau von AKW an. Auch andere Länder wie Polen, Tschechien und Ungarn verfolgen nukleare Ausbaupläne.

Olkiluoto 3. Bild: TVO

Belgien verärgert seine Nachbarn mit dem Weiterbetrieb der Schrottreaktoren Tihange und Doel. Bereits im Jahr 2012 waren Haarrisse an den Druckbehältern der Reaktoren Tihange 2 und Doel 3 entdeckt worden, eine Untersuchung der belgischen Atomaufsichtsbehörde FANC ergab, dass die Zahl der Risse noch höher war als zuvor angenommen (Rissige Atomkraftwerke).

Doel 3 wurde am 21. Dezember nach einer 21monatigen Pause wieder ans Netz genommen. Nachdem ein Leck im "nichtnuklearen" Teil der Anlage entdeckt wurde, wurde der Neustart nun auf den 6. Januar verschoben. Auch das Kraftwerk Tihange bereitet weiterhin Probleme. Tihange 2 war Mitte Dezember wieder gestartet worden, wenig später musste Block 1 wegen eines Brandes für einige Tage abgeschaltet werden. Nordrhein-westfälische Politiker bezeichneten den Weiterbetrieb der Reaktoren als unverantwortlich.

Belgien hat eigentlich im Jahr 2003 den Atomausstieg des Landes bis zum Jahr 2025 beschlossen, die Reaktoren sollten nach einer Betriebszeit von 40 Jahren abgeschaltet werden. Die Laufzeiten der Reaktoren Tihange 1 und Doel 1 und 2, die 1974/75 ans Netz gingen, wurden aber inzwischen bis 2025 verlängert.

Rückbau und Haftung

In Deutschland verbleiben nach der Abschaltung von Grafenrheinfeld im Juni 2015 nunmehr 8 Kraftwerksblöcke bis zum endgültigen Atomausstieg. Nach Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz wird als nächstes Grundremmingen B Ende 2017 seinen Betrieb beenden. Die Laufzeiten können sich aber verkürzen, wenn die Reststrommengen schon vorher erreicht sind.

Großes Streitthema im vergangenen Jahr waren die Lagerung des Atommülls, sowie die finanzielle Verantwortung für Rückbau und Entsorgung. Eine Studie im Auftrag des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung empfahl die Einrichtung eines Rückbaufonds aus den Rückstellungen der Atomkonzerne. Derzeit seien die dafür vorgesehenen 38,6 Milliarden Euro keinesfalls insolvenzfest angelegt (Alt-AKW: Rückstellungen nicht insolvenzfest).

Kritiker sahen hinter den Spaltungsplänen des Energiekonzerns E.on den Versuch, sich aus der Haftung zu stehlen. E.on hätte erneuerbare Energien und Stromnetze behalten, während die Tochter Uniper die fossilen Kraftwerke und die Atomkraftwerke übernommen hätte. Zwar hält E.on weiter an den Spaltungsplänen fest, die auf der Hauptversammlung 2016 beschlossen werden sollen, die Atomsparte soll aber nun doch beim Mutterkonzern bleiben.

Als eine Reaktion auf die Spaltungspläne kann auch der Entwurf für ein Rückbau- und Entsorgungskostennachhaftungsgesetz aus dem Hause des BMWi gesehen werden. Ungeachtet der Frage, ob die Rückstellungen reichen werden, blieb auch die Frage der Endlagerung des Atommülls im Jahr 2015 ungelöst.

Zumindest bei der Verteilung der 26 Castoren, die aus der Wiederaufbereitung nach Deutschland zurückkommen, ist Entspannung in Sicht. Unlängst erklärte sich auch Bayern bereit, einen Teil der Behälter an den Kraftwerksstandorten zu lagern. Die Endlagerkommission ist derweil noch immer dabei, Kriterien für die Standortauswahl festzulegen. Bis Mitte 2016 soll die Kommission hierzu einen Bericht vorlegen.

Am weitesten fortgeschritten ist die Endlagerplanung in Europa in Finnland. Die finnische Regierung erteilte im November die Baugenehmigung für ein atomares Endlager in der Nähe des in Bau befindlichen AKW Olkiluoto. Über einen Tunnel soll der Atommüll in den Untergrund unterhalb der Ostsee eingebracht werden. Das Lager soll Platz für 6.500 Tonnen Abfall bieten und angeblich für 100.000 Jahre sicher sein.

Auch die französische Nationalversammlung hat sich im Jahr 2015 für einen Endlagerstandort entschieden. 2017 soll im lothringischen Bure mit dem Bau begonnen werden. Das Genehmigungsverfahren steht aber noch aus. Die Entscheidung für Bure versteckte sich in einem Gesetzespaket zur Wirtschaftsförderung (Bure: erstes europäisches Endlager für hochradioaktiven Atommüll?), so dass sie weitgehend an der Öffentlichkeit vorbei ging. Hier schlummert sowohl auf lothringischer als auch auf saarländischer Seite wohl noch einiges Protestpotenzial.