"Dem Wohlergehen aller Afghanen verpflichtet"
Seite 2: Unausgegorene Ideen: Die Schutzzonen
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Trotz dieser eindeutigen Beurteilung durch das Auswärtige Amt, brachte Merkel während der Pressekonferenz am letzten Mittwoch erneut die Etablierung sogenannter Schutzzonen ins Spiel und sprach sich dafür aus "innerstaatliche Fluchtalternativen" in Afghanistan zu schaffen.
"In Afghanistan gibt es Provinzen, in denen Afghanen sicher leben können", lässt sich der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion Jürgen Hardt auf seiner Homepage zitieren und auch CDU-Poltiker Volker Kauder sprach sich dafür aus "Schutzzonen zu schaffen, damit Afghanen ohne Bleiberecht in ihre Heimat zurückkehren".
Die afghanische Armee soll bei der Schaffung dieser Zonen von der Bundeswehr beraten werden, deren Mandat im Rahmen der Mission Resolute Support gerade verlängert und dessen Umfang um 150 Soldaten auf 980 erhöht werden soll.
Wie unausgegoren die Idee der Schutzzonen bisher ist, wurde auf einer Bundespressekonferenz. Anfang November deutlich, auf der trotz mehrmaliger Nachfrage keinerlei Informationen über grundlegende Merkmale solcher Zonen erteilt werden konnte. Die Vertreter der verschiedenen Ministerien begnügten sich damit, die Journalisten darüber aufzuklären, dass die Sicherheitslage in Afghanistan nicht überall gleich sei, man keine Glaskugel für die Entwicklung in verschiedenen Regionen besitze und vor jeder Rückführung das mögliche Gebiet genau geprüft werde.
Auch wenn die Idee bisher sehr diffus erscheint, so ist sie doch Ausdruck einer grundsätzlichen Maxime europäischer Migrationspolitik. Neben der Selektion und Inwertsetzung von Menschen ist der Versuch, Fluchtbewegungen bereits in der Peripherie zu lenken und zu stoppen, ein Kernstück der Außenpolitik geworden.
Unter dem Schlagwort der Externalisierung wird die Vorverlagerung der EU-Außengrenzen immer weiter vorangetrieben und führt dazu, dass FRONTEX im Rahmen der Operation HENA bereits seit Jahren vor der westafrikanischen Küste patrouilliert, um Flüchtende 1300 km vor den eigentlichen Außengrenzen der EU abzuwehren.
Ergänzt werden solche militärischen Einsätze beispielsweise durch die Finanzierungen von Grenzstationen in Durchgangsländern wie Niger oder Mali durch das Auswärtige Amt oder die kürzlich ausgehandelten Milliardenzahlungen an die Regierung Erdogan, damit diese Flüchtende schon vor den Außengrenzen der EU stoppt.
Der Plan die Migrationsbewegungen nun bereits vor der afghanischen Grenze zu stoppen und obendrein Menschen dorthin abzuschieben, ist bei der skizzierten Situation im Land nicht nur zynisch, er taktiert auch damit, dass der Tod von Geflüchteten im öffentlichen Bewusstsein kein Problem darstellt - solange er nur weit genug entfernt vom Zentrum stattfindet.
Die Verschärfung der Verschärfung der Verschärfung
Wie bereits 1992 hat sich auch 2015 gezeigt, dass Grundsätze des Asylrechts nur so lange gelten, bis sie auch in größerer Zahl in Anspruch genommen werden. Das Anrecht auf eine individuelle Prüfung asylrelevanter Gründe wurde durch die Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten im neuen Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz für viele Menschen annulliert. Das Prinzip der Sachleistungen - nach einem jahrelangen Engagement von Geflüchteten eingestellt - wird wieder zum Einsatz gebracht und Innenminister de Maizière möchte sich "das Taschengeld genauer ansehen", also kürzen oder umwandeln. Mit den Plänen, Menschen nach Afghanistan abzuschieben, wird nun einer der letzten Grundsätze der Asylpolitik ins Visier genommen.
Bisher erhielten Afghanen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, den Aufenthaltstitel einer Duldung. Ihre Abschiebung wurde also "temporärer ausgesetzt", da es die Situation in Afghanistan aus humanitären Gründen nicht zuließ, Menschen dorthin abzuschieben. Obwohl alle Berichte darin übereinstimmen, dass die Lage in Afghanistan 2015 so schlecht ist, wie seit Beginn der Intervention nicht mehr, wird das Kriegsgebiet durch den vermeintlichen Zwang der Migrationsregulation in den Schatten gestellt.
Die deutsche und seit kurzem auch die schwedische Politik verabschieden sich damit von dem elementaren Grundsatz, Menschen nicht in einen Krieg zu deportieren. Dies kann nicht nur dramatische Auswirkungen für Geflüchtete aus Afghanistan haben, sondern ermöglicht es zukünftig auch Abschiebungen, beispielsweise nach Libyen oder den Irak, anders zu bewerten.