Dem kosmischen Geheimnis der Gammastrahlenblitze auf der Spur

Astronomen konnten im Nachglühen eines Gamma-Ausbruchs den spektralen Fingerabdruck einer Supernova-Explosion nachweisen und dabei beobachten, was die rätselhaften Gammastrahleneruptionen so alles ins All ausspucken

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Seit der Entdeckung des ersten Gammastrahlenblitzes vor 34 Jahren rätseln die Forscher darüber, woher diese seltsamen Phänomene rühren und was sich hinter denselben genau verbirgt. Erst 1997 konnte bewiesen werden, dass die Quellen der Blitze ausgesprochen weit entfernt liegen. Gleichwohl müssen dabei enorm große Energiemengen freigesetzt werden; ansonsten wären die rätselhaften Gammastrahleneruptionen überhaupt nicht zu sehen. Schenkt man dem Glauben, was in der neuen "Nature" jetzt zu lesen ist, dann sind Astronomen nunmehr auf dem besten Wege, das kosmische Geheimnis dieser unheimlichen Gammastrahlenblitze zu lüften.

Bilder: NASA

Es war wieder einmal der nur schwerlich steuerbare Faktor Zufall, der 1968 dazu führte, dass russische und amerikanische Spionage-Satelliten eine unerwartete Entdeckung machten. Eigentlich für die Überwachung zur Einhaltung des Atomwaffensperrvertrages vorgesehen, der oberirdische Kernwaffentests untersagt, detektierten die Messinstrumente der Aufklärungssatelliten ein kurzzeitiges Aufblitzen von Gammastrahlung, das nicht von Atomwaffenexplosionen, sondern von einem waschechten aus der Tiefe des Alls einströmenden Gammastrahlenblitz (engl.: Gamma-ray bursts, GRB) herrührte.

Extrem kurzwellig, extrem energiereich

Solche in den Tiefen des Kosmos generierten hochenergetischen Ausbrüche von Gammastrahlen ereignen sich nicht oft, sind andererseits aber keine Seltenheit. Durchschnittlich einmal am Tag registrieren die Sensoren der Satelliten irgendwo am Himmel ein derartiges Strahlenbombardement. Für ein paar Sekunden emittiert Gammastrahlung aus einem winzigen Bereich des Himmels so intensiv, dass sie alle anderen "himmlischen" Gammaquellen überstrahlt.

Gammastrahlen, die von der irdischen Atmosphäre vollständig absorbiert werden, treffen aus vielen Bereichen des Universums bei uns ein. Sie sind extrem kurzwellige, aber zugleich extrem energiereiche elektromagnetische Wellen von einem Zehntel bis hinunter zu einem Millionstel Angström (ein Angström ist ein Hundertmillionstel Zentimeter oder ein Nanometer). Sie entstehen, wenn ein angeregter Atomkern in einen stabileren Zustand übergeht oder bilden sich (auf der Erde) beim Zerfall radioaktiver Stoffe respektive bei der Paarvernichtung. Innerhalb der Astronomie haben sie sich dennoch zu einer festen Größe gemausert, erhalten die Sternforscher doch dank deren Existenz wertvolle Informationen über Neutronensterne, Schwarze Löcher und wohl auch Hinweise über Super- oder Hyper-Novae.

Neben der herkömmlichen Strahlung treten regelrechte Gammastrahl-Explosionen (Bursts) im fernen Weltraum auf. Bislang war es weder bekannt, welcher Art die Objekte (bzw. Erscheinungen) sind, die derlei Strahlung eruptiv oder als Jet aussenden, noch gibt es eine gefestigte Theorie zu ihrer Entstehung. Für die GRBs könnte nach Ansicht der Astronomen der Zusammenprall zweier Neutronensterne und die Explosion extrem massereicher Sterne verantwortlich sein, wobei Supernovae als heißeste Kandidaten gehandelt werden.

Genau diese Objekte hatte der NASA-Compton-Gamma-Ray-Satellite, der sich von 1991 bis 2000 im All befand, vorzugsweise im Visier. Zusammen mit dem seit 1996 im All stationierten deutsch-italienischen Raumsonden-Observatorium Beppo-SAX gelang ihm im Frühjahr 1998 mit der Entdeckung eines neuen Gammastrahlenausbruchs im Sternbild Telescopium am Südhimmel (Katalognummer: GRB 980 425) der große Durchbruch. Dieser kam aus der 140 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie ESO 184-G82, wo sich im Spiralarm der fremden Milchstraße eine Supernova ereignete. Seitdem herrscht bei den Experten nach jahrelangem Rätselraten über die Herkunft solcher Objekte zumindest Einigkeit darin, dass GRBs mal von weit entfernten Galaxien, mal von fremden Milchstraßen in unserer kosmischen Nachbarschaft stammen und wahrscheinlich das Resultat der gewaltigsten Explosionen im Universum oder zumindest mit denselben in irgendeiner Weise verknüpft sind: sprich mit den Supernovae oder gar Hyper-Novae.

Katalognummer GRB 011211

Wie James Reeves von der Universität in Leicester (England) in der aktuellen Nature berichtet, ist er mit seinem Team und anderen Astronomen auf der Suche nach den Geheimnissen der mysteriösen Gammastrahlen-Ausbrüchen der Wahrheit wohl ein großes Stück nähergekommen. Zusammen mit seinen Kollegen analysierte er das Nachleuchten der Röntgenstrahlung des Gammastrahlenblitzes GRB 011211, dessen Aufflackern, das vor zirka zehn Milliarden Jahren die "Heimatregion" für 270 Sekunden erhellte, das XMM-Newton-Röntgenteleskop im Dezember letztes Jahres aufzeichnete

Dabei konnten die Forscher im Nachglühen des GRBs den spektralen Fingerabdruck einer Supernova-Explosion nachweisen. Die Wissenschaftler stellten fest, dass eine 50 Millionen Grad heiße Gaswolke, die aus einem Gemisch von Magnesium, Silizium, Schwefel, Argon, Kalzium und anderen Elementen besteht, aus der Strahlenquelle der Gammastrahlen-Eruption nach außen ausströmt - mit einer Geschwindigkeit von 26.000 Kilometern in der Sekunde.

The strongest emission lines we detected were from silicon, sulphur and argon; there were other, weaker detections of magnesium and calcium - but no iron was detected. With several different emission lines, especially at lower X-ray energies, one can be much more confident of the identity of these elements.

Herman L. Marshall vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge.

Diese Zusammensetzung der Elemente entspräche genau dem, was man von einer Supernova, der Explosion eines massiven Sterns, auch erwarten würde. Worüber vor Jahren nur spekuliert werden konnte, scheint sich als unumstößliche Wahrheit zu etablieren: Supernovae sind für die Entstehung von Gamma-Ray-Bursts (mit-)verantwortlich. Zwar bleibt weiterhin nebulös, welcher Vorgang die Erzeugung der Gammastrahlen bedingt. Gleichwohl kann nach Reeves die Theorie, wonach der Zusammenprall zweier Neutronensterne GBRs verursacht, definitiv zu den Akten gelegt werden.

GRS ereignete sich 10 bis 100 Stunden nach Supernovae

Normalerweise dauern GRBs nur wenige Sekunde oder Minuten, sind also entschieden zu kurz, um Astronomen detaillierte Observationen zu ermöglichen. Dahingegen lässt sich aber das Nachleuchten eines Gammastrahlensblitzes, das mitunter für einige Tage andauern kann, im Röntgenbereich, im sichtbarem Licht und manchmal via Radiowellen gut beobachten. Genau dies haben Marschall und Reeves getan.

Ein ebenso interessanter Aspekt, der sich aus der kürzlich gemachten Beobachtung herauskristallisiert hat, ergibt sich aus der Tatsache, dass der enorme Gammastrahlenblitz, der in wenigen Sekunden mehr Energie freigab, als unser Heimatstern in seinem ganzen Leben freizusetzen vermag, sich höchstwahrscheinlich 10 bis 100 Stunden nach der Supernova ereignet hat.

NASA-Compton-Gamma-Ray-Satellite

Eine Zeitlang spekulierten die Forscher darüber, ob Gammastrahlenausbrüche nicht aus unserer Galaxis kämen. Dann hieß es, derlei Ereignisse spielten sich am "Rande" des Weltalls ab, da solche "Blitzer" die Sprengkraft von Hunderten von Supernovaexplosionen entwickeln können. Doch diese Annahme kann nunmehr getrost ad acta gelegt werden, liegt es doch nun auf der Hand, dass das neue Resultat den engen Konnex GRBs und Supernovae nicht nur untermauert, sondern auch dabei hilft, das beidseitige Zusammenspiel besser zu verstehen. "Unser Verständnis für Gammastrahlen-Ausbrüche ist nunmehr ein wenig besser geworden", übt sich Herman L. Marshall vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge (Massachusetts) in Bescheidenheit.