Demokratie kann man nicht herbeibomben
Wer für Demokratie, Menschenrechte und eine Verbesserung der Lebensumstände in Venezuela sein will, kann sich nur für einen friedlichen Kompromiss und gegen militärische Mittel aussprechen. Die Geschichte zeigt, dass alles andere unglaubwürdig ist
Worum es im Konflikt in Venezuela geht
Die Konfliktparteien, die sich gegenüberstehen, sind einerseits der bei den letzten Präsidentschaftswahlen unter fragwürdigen Umständen wiedergewählte Nicolás Maduro, der als Nachfolger des Sozialisten Hugo Chavez für eine linksgerichtete Politik der Verteilung steht, und andererseits sein Herausforderer Juan Guaidó, vom Parlament ernannter Interimspräsident. Zugleich steht Maduro für die Regierung, der vorgeworfen wird, zunehmend diktatorisch zu herrschen, und Guaidó für die parlamentarische Opposition.
Es ist also auch ein typischer Kampf Regierung gegen Opposition. Er äußert sich auch im inner-venezolanischen Kampf um die Berichterstattung zwischen staatlichen und oppositionellen privaten Medien. Der dahinterstehende Kampf zwischen Arbeiterschaft und Gewerkschaft auf der einen und Besitzbürgertum auf der anderen wird noch vom Stadt-Land-Gegensatz verschärft, wobei hinter dem Verteilungsproblem nicht selten postkoloniale Besitzstrukturen hervortreten.
Hinzu kommt noch die außenpolitische Komponente, wenn die USA und manche EU-Staaten Guaidó unterstützen, während Russland, China oder die Türkei, aber auch viele andere Länder wie Nicaragua oder Südafrika, Maduro weiterhin als Präsidenten sehen.
Der venezolanische Soziologe Tulio Hernández hat den Machtkampf im österreichischen Standard am 26. Januar 2019 mit einem Schachspiel verglichen, das auf mehreren Brettern gleichzeitig gespielt wird. Er hat dabei den nationalen Konflikt, die regionalpolitischen Auswirkungen, die Rolle der venezolanischen Militärs und die geopolitische Dimension mit den USA, der EU, China und Russland genannt. Das eine spielt in das andere hinein, es lässt sich nicht voneinander trennen.
Warum sich ein länger anhaltender Machtkampf zugespitzt hat
Der Konflikt zwischen linker Regierung und rechter Opposition existierte schon unter Maduros Vorgänger Hugo Chavez. Damals funktionierte die auf dem Verkauf von Erdöl basierende Sozialpolitik noch, weshalb Chavez auch eine breitere Zustimmung in der Bevölkerung fand als Nicolás Maduro. Dass der Machtkampf 2018/19 eskaliert, hängt damit zusammen, dass die wirtschaftlichen Probleme über die Jahre größer geworden sind, die Auslandsschulden Venezuelas stiegen und die noch unter Chavez funktionierenden Sozialleistungen und Unterstützungen für Ärmere weniger wurden.
Versorgungsengpässe und Inflation gefährden die Grundversorgung. Das hat einerseits das Frustrationspotential in der Bevölkerung erhöht, andererseits gab es den Gegnern des sozialistischen Regimes scheinbar recht in ihrer Behauptung, die linke Politik sei gescheitert und müsse dringend durch eine rechte, marktliberale, korrigiert werden. Die Situation eskalierte im zweiten Halbjahr 2018 immer mehr, die Opposition sah sich ihrem Ziel der Machtübernahme näher und verschärfte daher auch die Mittel in diesen Kampf. Selbiges trifft auf Juan Guaidós Hauptunterstützer, die USA, zu, die sich zwischenzeitlich fast am Ziel wähnten.