Demokratie vs./ Freihandel

Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Freihandelsabkommen läutet neue Runde des Konfliktes ein. Es geht um viel, vorwiegend für Arbeitnehmer

Am 15. März 2022 hat das Bundesverfassungsgericht seine lange erwartete Entscheidung zu den seit 2016 anhängigen, insgesamt vier Verfassungsbeschwerden und einer "Organstreitklage" gegen das EU-Freihandelsabkommen mit Kanada (Ceta) bekannt gegeben.

Demnach haben die Kläger:innen aus eher formalen Gründen keinen Erfolg, sind zentrale inhaltliche Bedenken aber berechtigt, insbesondere in Bezug auf das Investitionsgericht und die Ausschüsse. Ist das der Anfang vom Ende der als undemokratisch kritisierten bilateralen Freihandels- und Investitionsschutzverträge der EU?

Mehr als fünf Jahre ist es her, dass nach den Protesten gegen TTIP, das seinerzeit geplante EU-Freihandelsabkommen mit den USA, Hunderttausende auch gegen Ceta demonstrierten, das entsprechende Abkommen mit Kanada. Ihre Befürchtung war, wie schon zuvor, dass die Demokratie ausgehöhlt werde. Handelsliberalisierungen erhielten Vorrang. Der Wirtschaft im Interesse der Allgemeinheit Regeln vorzugeben, werde erschwert.

Der Schutz von Arbeitnehmer:innen, der Umwelt und von Verbraucher:innen gerate ebenso unter die Räder wie die öffentliche Daseinsvorsorge. Dabei seien die zu erwartenden wirtschaftlichen Impulse – selbst nach den ihrerseits noch geschönten "offiziellen" Studien – bestenfalls minimal.

Investitionsschiedsgerichte und "Ausschüsse"

Besonders brisant zudem: Ceta sah und sieht auch neue Institutionen vor, die einen wenig demokratischen Eindruck machen. Damit sind zum einen die Investitionsschiedsgerichte angesprochen, die auch im Zentrum der öffentlichen Kritik standen, und zum anderen "Ausschüsse", die sich aus Vertreter:innen Kanadas und der EU-Kommission zusammensetzen und bindende Entscheidungen treffen können. Sie spielten in der Öffentlichkeit eine geringere Rolle, in den verschiedenen Ceta-Verfassungsklagen, die vom Bundesverfassungsgericht am 15. März nun endgültig entschieden wurden, aber umso mehr.

Doch zunächst zu den Investitionsschiedsgerichten: Wie erinnerlich, ermöglichen sie ausländischen Investor:innen, milliardenschwere "Entschädigungen" unter Berufung darauf zu erstreiten, dass sie "indirekt enteignet" oder nicht "gerecht und billig behandelt" worden seien – Formulierungen, die sehr weit ausgelegt werden können. Zwar reagierte man auf die Kritik unter anderem mit der Umwandlung in ein einziges, ständiges Investitionsschutzgericht und einigen Präzisierungen der zitierten Begriffe. Es ist jedoch sehr fraglich, ob dies am Kern der Problematik etwas ändert.

Ähnlich bei jenen "Ausschüssen": In der ursprünglich vereinbarten Ceta-Version von 2014 hatte es zunächst schlicht geheißen, deren Beschlüsse seien "für die Vertragsparteien bindend und von ihnen umzusetzen".1 Laut der überarbeiteten, aktuell zur Debatte stehenden Version von 2016 hingegen soll dies nur noch "vorbehaltlich der Erfüllung etwaiger interner Anforderungen und des Abschlusses etwaiger interner Verfahren" gelten.2 Doch im 2020 abgeschlossenen EU-Handelsabkommen mit Vietnam verzichtete man auch wieder auf diesen Einschub, hier kehrte man einfach wieder zur alten Formulierung von Ceta 2014 zurück.3

Tatsächlich verlangt das EU-Recht ohnehin – auch ohne den in Ceta nachträglich eingefügten Vorbehalt –, dass die EU-Vertreter in den Ausschüssen die in den EU-Verträgen definierten "Anforderungen und Verfahren" beachten. Doch welche sind das und sind sie akzeptabel?

Ein salomonisches Urteil

Was die erste Frage angeht, teilt auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 15. März (Randnummer 190) die allgemeine Einschätzung, dass es hier auf Artikel 218 Absatz 9 des "Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union" (AEUV) hinauslaufe.

Zugleich erscheint es dem Gericht aber "zweifelhaft" (ebenfalls Rn. 190), dass die dort vorgesehenen Verfahrensregeln ausreichen, um die demokratische Legitimation und Kontrolle von Beschlüssen der Ceta-Ausschüsse so zu gewährleisten, dass sie dem im Grundgesetz durch die Ewigkeitsgarantie des Artikels 79 Absatz 3 geschützten Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG) genügen.

Sein aktuelles Ceta-Urteil hat damit zwei ganz verschiedene Seiten: Einerseits haben die Verfassungsbeschwerden und die Organstreitklage keinen Erfolg. Andererseits begründet das Gericht dies vor allem mit vorübergehenden Sonderfaktoren, um zugleich durchblicken zu lassen, dass sein Urteil ansonsten anders ausfiele.

Ein salomonisches Urteil also, denn eigentlich hatte alle Welt erwartet, dass nach den beiden ersten Ceta-Urteilen vom 12. Oktober und 7. Dezember 2016 (zu Anträgen auf einstweilige Anordnung) endlich die materiellen Streitpunkte entschieden würden. Doch der zweite Senat vermied dies erneut: Zum einen könne gegen den eigentlichen Ceta-Vertrag bzw. die Zustimmung der Bundesregierung dazu noch nicht geklagt werden4.

Und zum anderen sei die Klage gegen die am 28. Oktober 2016 erteilte Zustimmung der Bundesregierung zur "vorläufigen Anwendung" des Ceta zwar zulässig. Die strittige Frage der "Weiterübertragung von Hoheitsrechten auf das Gerichts- und das Ausschusssystem" brauche aber trotzdem nicht entschieden zu werden, da jene vorläufige Anwendung durch rechtsverbindliche Erklärungen von EU-Kommission, Rat und Mitgliedstaaten5 so eingeschränkt sei, dass es, bei Beachtung dieser Einschränkungen, zu keiner Weiterübertragung auf Ausschüsse und das Investitionsgericht kommen könne.

Als unmittelbare Folge des Urteils kann somit die am 1. September 2017 begonnene "vorläufige Anwendung" des Ceta erst einmal fortgesetzt werden. Das heißt: Obwohl die Parlamente mancher EU-Mitgliedstaaten – darunter auch Bundestag und Bundesrat – Ceta erst noch zustimmen müssten, damit es endgültig in Kraft treten kann, können all jene Ceta-Bestimmungen, die ganz sicher keine Kompetenzen der EU-Mitgliedstaaten im Gegensatz zur EU selbst berühren, auch weiterhin bis auf Weiteres schon umgesetzt werden.

Diese Möglichkeit eröffnet das europäische Recht (Art. 218 Abs. 5 AEUV) in Verbindung mit der Wiener Konvention über das Recht der Verträge (Art. 25 WVK) und dem Ceta-Vertrag selbst (Art. 30.7 Ceta). Ob ihre Nutzung im vorliegenden Fall – angesichts keineswegs gesicherter demokratischer Mehrheiten in allen Mitgliedstaaten – nicht mindestens illegitim sei, ist allerdings umstritten.

Doch wie dem auch sei. Das Bundesverfassungsgericht lässt jedenfalls deutlich erkennen, dass es das Ausschuss- und Gerichtssystem ohne die für die "vorläufige Anwendung" vereinbarten Einschränkungen wohl nicht zu akzeptieren bereit wäre. Sobald also Bundestag und Bundesrat ein deutsches "Zustimmungsgesetz" zum Ceta beschlössen und/oder die Bundesregierung im Rat für den endgültigen "Abschluss" des Ceta votierte, wären neue Klagen nicht nur möglich6, sondern auch aussichtsreich.

Dies darf man auch daraus schließen, dass am Ende des Urteils7 ausdrücklich mit der Möglichkeit gerechnet wird, dass es schon während der "vorläufigen Anwendung", nämlich gerade bei Nichtbeachtung der dafür vereinbarten Einschränkungen, zu Verletzungen des Grundgesetzes kommen könnte. In einem solchen Fall aber müsse die Bundesregierung die vorläufige Anwendung des Abkommens beenden8.

Es geht nicht nur um Rest-Kompetenzen der Mitgliedstaaten

Tatsächlich geht es hier um keine Kleinigkeiten, denn in Bezug auf die EU prüft das Bundesverfassungsgericht ohnehin nur sehr Grundlegendes: Hält die EU ihre Kompetenzgrenzen ein, das heißt, übt sie nur die Kompetenzen aus, die ihr von den Mitgliedstaaten auch übertragen wurden ("Ultra-vires-Kontrolle")? Und: Bleibt die "Verfassungsidentität" des Grundgesetzes – die auch das Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG) umfasst – gemäß der "Ewigkeitsgarantie" des Art. 79 Abs. 3 GG gewahrt oder wird sie über die EU ausgehebelt ("Identitätskontrolle")?

In Bezug auf Ceta steht die eine wie die andere Frage zur Debatte, doch brisant ist vor allem die zweite. Sorgte sich das Bundesverfassungsgericht nämlich bloß um die Respektierung der den EU-Mitgliedstaaten und damit auch Deutschland verbliebenen und zugleich für die Handelspolitik relevanten Kompetenzen beschränkt, wäre die einzige wirklich bedeutende Frage, ob das Gericht zu einer Ablehnung des Investitionsschiedsgerichts gelangen wird und inwiefern das entsprechende Konsequenzen in Bezug Investitionsschutzverträge der EU mit anderen Ländern als Kanada hätte.

Ansonsten jedoch ginge der Streit allenfalls um Bereiche wie die Anerkennung von Berufsqualifikationen, die internationalen Seeverkehrsdienstleistungen und den Arbeitsschutz. All die anderen Politikfelder hingegen, bis hin zu Bildungsdienstleistungen und anderen Aspekten der öffentlichen Daseinsvorsorge, die in Ceta und anderen EU-Handelsverträgen "der neuen Generation" ebenfalls geregelt sind, wären außen vor: Dass sie als Teil der gemeinsamen EU-Handelspolitik zu gelten haben und damit in alleiniger EU-Kompetenz liegen, wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seinem Singapur-Gutachten geurteilt hat, erkennt auch das Bundesverfassungsgericht prinzipiell an.

Man kann angesichts dieser Sichtweise durchaus fragen, ob das Bundesverfassungsgericht genug tue, um sich einer Aushöhlung der Demokratie durch die Handelspolitik entgegenzustellen: Offenbar hat es ja nichts daran auszusetzen, wenn auf Handelsliberalisierung ausgerichtete Verträge wie ein Rahmengesetz wirken, das den Spielraum gerade auch solcher Politikfelder beschneidet, in denen es eigentlich gar nicht primär um Handels- oder auch nur Wirtschaftspolitik, sondern etwa um Bildungs- oder Umweltpolitik geht.

Schon in seinem Urteil zum "Lissabonvertrag", also der seit 2009 geltenden Rechtsgrundlage der EU, hat es diese Problematik jedenfalls nur allgemein anerkannt9, um sie dann aber nicht weiterzubehandeln (Rn. 372-380). Somit ist seine Mahnung, es müssten dem Bundestag genügend Entscheidungsbereiche verbleiben, damit dieser auch weiterhin "im Mittelpunkt eines verflochtenen demokratischen Systems" stehe10, bislang eher abstrakt geblieben.

Ernsthafte Sorgen um demokratische Legitimation

Zähne hat es allerdings durchaus schon in Bezug auf einen anderen Aspekt des Demokratieprinzips gezeigt: Die "Legitimationskette" vom Wahlakt zum Handeln des deutschen Staates wie der EU muss stets geschlossen sein, damit jedes staatliche bzw. EU-Handeln am Ende tatsächlich demokratisch legitimiert ist. Mit seinem Aufsehen erregenden EZB-Urteil von Mai 2020 hat das Bundesverfassungsgericht bewiesen, dass es das ernst nimmt.

Übertragen auf Verträge wie Ceta geraten somit vor allem die erwähnten "Ausschüsse" in den Blick, und zwar eben nicht nur in dem Maße, in dem Politikbereiche in der Kompetenz der EU-Mitgliedstaaten betroffen sind. Zur Debatte steht vielmehr die demokratische Verfasstheit der EU – Voraussetzung dafür, dass Deutschland an der europäischen Integration mitwirken darf – und die Frage, ob auf die EU übertragene Kompetenzen von dieser einfach auf eine noch höhere Ebene weiterübertragen werden dürfen.

Zwar gibt es "Ausschüsse" in Handels- und Assoziationsabkommen der EU seit Langem. Deshalb enthält der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union ja auch jenen, oben erwähnten Artikel 218 Absatz 9 zur Regelung der Mitwirkung der EU eben in solchen Ausschüssen.

Demnach beschließt der Rat – also die Runde der Regierungen bzw. Minister der EU-Mitgliedstaaten –, welcher EU-Standpunkt in dem Ausschuss zu vertreten ist; was nach allgemeinem Verständnis jedoch nicht bedeutet, dass die Ausschüsse am Ende auch etwas ganz anderes aushandeln und beschließen könnten.

Vielmehr versichern Jurist:innen, dass die Person, die die EU in einem Ausschuss vertritt (jemand aus der EU-Kommission), dort tatsächlich nichts anderes mitbeschließen darf als eben den vom Rat zuvor abgesegneten "Standpunkt".

Dies einmal unterstellt, ändert es freilich nichts daran, dass die Regelung des Artikels 218 Absatz 9 AEUV dem Bundesverfassungsgericht nun einmal nicht ausreicht: "Die demokratische Legitimation und Kontrolle derartiger Beschlüsse (der Ausschüsse, TK) erscheint mit Blick auf Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG zweifelhaft" (Rn. 190 des Urteils vom 15. März). Einerseits nämlich ist kein Parlament beteiligt, weder das EU-Parlament noch, im Falle Deutschlands, der Bundestag.

Zweitens beschließt der Rat den EU-Standpunkt nur mit qualifizierter Mehrheit (55 Prozent der Ratsmitglieder, die zugleich mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren müssen), sodass einzelne Länder, und selbst das große Deutschland, überstimmt werden können.

Zudem ist die Arbeit des Rates sehr intransparent und eher an den Gepflogenheiten der internationalen Diplomatie als denen einer lebendigen, öffentlich ausgetragenen, demokratischen Auseinandersetzung orientiert. Auch läge es zwar nahe, das übliche Verfahren innerhalb der EU – neue EU-"Gesetze" und EU-Handelsabkommen sind nur beschlossen, wenn Rat und EU-Parlament beide zugestimmt haben – auf die Mitwirkung an den Ausschüssen zu übertragen; was tatsächlich diskutiert wird.

Doch da das Prinzip der Gleichheit bei der Wahl zum EU-Parlament nicht ausreichend berücksichtigt wird, reicht dessen Beteiligung derzeit generell noch nicht aus, dem Handeln der EU die nötige demokratische Legitimation zu verschaffen – so jedenfalls gerade auch die Position des Bundesverfassungsgerichts, etwa im Lissabon Urteil (Rn. 276-297).

Es geht nicht nur um Ceta

Sollte das Bundesverfassungsgericht die Ausschüsse anlässlich neuer Klagen tatsächlich nicht nur mit Blick auf die verbleibenden Kompetenzen der Mitgliedstaaten, sondern auch mit Blick auf die Bereiche in alleiniger EU-Kompetenz monieren, könnte dies weitreichende Folgen für die gesamte EU-Handelspolitik, und letztlich für die EU insgesamt haben.

Natürlich wäre denkbar, dass es sich erneut für die salomonische Lösung des Lissabonurteils entscheidet. Das hieße, Ceta selbst unverändert passieren zu lassen, aber unter Auflagen, die "zu Hause" in Deutschland, zu erfüllen wären, insbesondere eine gesicherte Mitwirkung des Bundestages.

Doch da diese Lösung schon im Fall des Lissabon Vertrags eher recht als schlecht funktioniert hat – insofern der Bundestag immer wieder ermahnt werden muss, seine "Integrationsverantwortung" wahrzunehmen –, könnte das Bundesverfassungsgericht geneigt sein, bei Ceta nun einen Schritt weiterzugehen: Wie mit dem EZB-Urteil könnte es Änderungen auch von den Partnern verlangen und erklären, dass es Deutschland ansonsten verboten wäre, weiter mitzuwirken.

Im konkreten Fall wären das also entweder mit Kanada zu vereinbarende Änderungen am Ceta-Vertrag selbst, also ein starker Rückbau des Ausschusssystems, oder aber institutionelle Regelungen auf EU-Ebene, die geeignet wären, für eine ausreichende demokratische Legitimation der Ausschussbeschlüsse zu sorgen.

Brisant ist all das umso mehr, als man zwar bei Ceta brav auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gewartet hat, nicht aber im Fall weiterer EU-Handelsverträge "der neuen Generation", die sämtlich dieselben Strukturmerkmale wie Ceta aufweisen. Im Gegenteil hat man bei diesen sogar den Turbo gezündet, indem man den Investitionsschutz aus ihnen herausgenommen und sie dadurch zu Verträgen gemacht hat, die angesichts des erwähnten Singapur-Gutachtens des Europäischen Gerichtshofs vermeintlich komplett in alleiniger EU-Kompetenzen liegen.

Insgesamt wurden auf diese Weise schon fünf weitere Abkommen als alleinige EU-Abkommen ohne Mitwirkung der Parlamente der EU-Mitgliedstaaten abgeschlossen, nämlich diejenigen mit Japan, Singapur, Vietnam und Großbritannien.

Sie sind nun schon endgültig in Kraft, doch nur gegen das Abkommen mit Singapur ist rechtzeitig eine weitere Verfassungsbeschwerde eingereicht worden, die sich ebenfalls vor allem auch gegen die Ausschüsse wendet.

"Regieren durch Ausschüsse" als neuer Standard der EU?

Dabei wird die erläuterte Problematik der Ausschüsse nicht nur mit jedem neuen Vertrag größer – insofern einfach deren Zahl steigt und auch jedes Mal neue Themenbereiche hinzukommen, in denen Beschlüsse gefasst werden können. Das, was man das "Regieren durch Ausschüsse" nennen könnte, ist auch innerhalb der einzelnen Verträge teilweise noch umfassender angelegt als in Ceta, insbesondere in dem Vertrag mit Großbritannien nach dessen EU-Austritt.

Zudem überträgt der Rat – in seinen Beschlüssen über den Abschluss der einzelnen Handelsverträge – der Kommission zunehmend mehr Vollmachten, die EU in den Ausschüssen nicht nur formal zu vertreten, sondern dort auch gleich selbst zu entscheiden. Auch hier bildet der Vertrag mit Großbritannien bzw. der entsprechende Ratsbeschluss zu dessen Abschluss den vorläufigen Höhepunkt.

Insgesamt droht somit das "Regieren durch Ausschüsse" nicht nur zum neuen Standard für die EU zu werden. Es besteht darüber hinaus auch die Gefahr, dass das ohnehin schon niedrige demokratische Legitimationsniveau, das damit verbunden ist, noch einmal deutlich weiter abgesenkt wird.

Es scheint dringend geboten, dass das Bundesverfassungsgericht sehr deutlich die vom Grundgesetz gesetzten Grenzen dieses Weges aufzeigt. Gelegenheit dazu dürfte sich mit der noch anhängigen Klage gegen das Abkommen mit Singapur bieten. Oder durch weitere, künftige Ceta-Klagen, die aber erst nach der Verabschiedung des entsprechenden Ceta-Zustimmungsgesetzes durch den Bundestag erhoben werden können.