Den Strahl im Fenster bet' ich an
Die Gefangenen der US-Truppen in Irak und Afghanistan
Es sind wahrscheinlich Zehntausend im Irak und mindestens Tausend in Afghanistan, die in irgendeiner Zelle irgendwo sitzen, liegen, grübelnd verharren oder auf-und abgehen - genügend Raum vorausgesetzt - und in den meisten Fällen gar nicht wissen, warum sie in Gefangenschaft geraten sind. Einziger Besuch: amerikanisches Militärpersonal und, falls sie Glück haben, Emissäre des Roten Kreuzes. Wahrscheinlich ist der tatsächliche Schaden, den ihre Inhaftierung dem ohnehin ramponierten Image der USA im Mittleren Osten zufügt, ungleich größer als der Schaden der mutmaßlich von ihrer Person ausgeht.
Der Irak habe eine "neue Generation von vermissten Männern", schrieb die New York Times am Wochenende. Etwa 10.000 sollen es sein, in der Mehrzahl Männer und Knaben, der älteste 75 Jahre alt, der Jüngste 11, und einige Hundert Frauen, die auf etwa 20 offizielle größere und mehr als hundert kleinere Gefängnisse im Irak verteilt sind.
Etwas mehr als 100 der Gefangenen gelten als Kriegsgefangene (POWs); die überwältigende Mehrheit wird als "ziviler Häftling" geführt. Präzisere Angaben hat, wie üblich, keiner. Die Daten, obschon Listen der Gefangenen im Internet kursieren sollen, sind mangelhaft und für Durchschnittsiraker, die mit dem Medium nicht umgehen können, selten eine Hilfe.
Die Amerikaner benötigten fünf Minuten, um mir meinen Sohn wegzunehmen. Ich habe mehr als drei Wochen gebraucht, um ihn zu finden.
Nicht die einzige Klage über die Verhaftungswelle der Amerikaner nach dem Ende der offiziellen Kriegshandlungen. Nach dem Fall von Bagdad, weiß die Asia Times, sei der Großteil der Kriegsgefangenen wieder frei gelassen worden. Die anschließenden Sicherheitsoperationen, ausgelöst durch die Anschläge, haben die Gefängnisse erneut gefüllt.
Kritik gegen die zum Teil willkürlichen Festnahmen verbirgt sich auch in offiziellen Stellungnahmen: Die meisten Gefangenen, heißt es, seien wahrscheinlich nicht "gefährlich". Eine kürzlich erfolgte Revision von US-Militärrichtern brachte zutage, dass von 1.166 Inhaftierten 963 freigelassen werden könnten.
Das Schicksal der 10.000 Gefangenen im Irak liegt völlig im Dunkeln; noch weiß man nicht, wie mit ihnen verfahren werden wird, wenn die Macht an die Iraker übergeben wird.
Kein Wunder also, dass Anwälte von Menschenrechtsorganisationen den Vergleich zu Guantanomo (vgl. dazu See you later, Interrogator) ziehen. Keiner der Gefangenen habe elementare Rechte, kritisiert Adil Allami, ein Anwalt der Human Rights Organisation. "Keiner hat einen Anwalt, den meisten wird jeder Besuch verwehrt. Der Irak hat sich in ein großes Guantanamo verwandelt."
Außerhalb des Gesetzes würden die US-Truppen, was Gefangene anbelangt, auch in Afghanistan verfahren, bemängelt ein Bericht der Human Rights Watch Organisation, der gestern erschienen ist. Dem US-Militär wird von den Menschenrechtlern vorgeworfen, dass es "exzessive Gewalt" anwende, um Menschen zu verhaften, die Gefangenen zu misshandeln, die "unbefristet" in einem "legalen Nichts" ohne irgendwelchen rechtlichen Schutz festgehalten würden. Mindestens 1000 Afghanen würden unter Bedingungen festgehalten, die internationale Menschenrechtsbestimmungen verletze.
Zahlreiche Berichte würden darauf hinweisen, dass die amerikanischen Streitkräfte, oft auf mangelhaftes Geheimdienstmaterial gestützt, exzessive Gewalt - schweres Feuer aus Hubschraubern und anderen Waffenträgern - gegen Unschuldige eingesetzt habe und Unschuldige hinter Gittern bringe, die zum Teil bei Befragungen schwer misshandelt würden.
Zwar würde man anerkennen, dass es die Amerikaner mit gegnerischen Truppen zu tun habe, die nichts auf Menschenrechte gäben, das rechtfertige aber auf keinen Fall das Verhalten ihrerseits.