Der 8. Mai 1945
Seite 3: Kein deutscher Platz an der Sonne – eine andere Erinnerung
- Der 8. Mai 1945
- Die Zukunft des großen Ganzen und seine "tragische" Geschichte
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Aber allerdings sind wir der Ansicht, dass es sich nicht empfiehlt, Deutschland in zukunftsreichen Ländern von vornherein auszuschließen vom Mitbewerb anderer Völker. (Bravo!) ... Die Zeiten, wo der Deutsche dem einen seiner Nachbarn die Erde überließ, dem anderen das Meer und sich selbst den Himmel reservierte, wo die reine Doktrin thront (Heiterkeit - Bravo!) - diese Zeiten sind vorüber...(Bravo!)
Mit einem Worte: wir wollen niemand in den Schatten stellen, aber wir verlangen auch unseren Platz an der Sonne...(Bravo!) ...werden wir bestrebt sein, getreu den Überlieferungen der deutschen Politik, ohne unnötige Schärfe, aber auch ohne Schwäche unsere Rechte und unsere Interessen zu wahren. (Lebhafter Beifall.)
Bernhard Freiherr von Bülow, 6.Dezember 1897
Diese Überzeugung war bei den Regierungsverantwortlichen des wilhelminisch-kaiserlich geführten und verwalteten Deutschland längst herangereift: Mit allen zu Gebote stehenden Mitteln haben die kaiserlichen Reichs- und Staatsführer das deutsche große Ganze zu einem weltmarktkonkurrenzfähigen Kapitalstandort hergerichtet, dessen Reichtumsakkumulation gebietet, dass seinem Zugriff auf die Reichtumsquellen und Bevölkerungen fremder, "zukunftsreicher Länder" (von Bülow) freie Bahn geschaffen wird.
Aus dieser Überzeugung heraus haben die berufenen politischen Sachwalter des wilhelminisch-kaiserlichen Kapitalstandortes die daraus erwachsenden Ansprüche an die eigene Nation zugleich an die Verwalter und Souveräne anderer Nationen adressiert als "unsere Rechte und Interessen". Diese unsere Rechte und Interessen sind "ohne unnötige (sic!) Schärfe", das heißt: "ohne Schwäche" geltend zu machen.
Dass diesem Geltendmachen "unserer Rechte und Interessen" andere Nationen im Wege stehen, die längst den Globus erobert haben und weltumspannend ihre Interessen als Hausherren-Rechte auf alles und über jeden Erdenbewohner praktizieren, nährte und beförderte die Unzufriedenheit und Kritik der Regierungsverantwortlichen des wilhelminisch-kaiserlichen Standorts Deutschland.
Denn nach ökonomischem Reichtum und militärischen Gewaltmitteln bemessen, war das deutsche große Ganze ja längst zu einer politischen Macht herangewachsen, die es sich leisten konnte und leisten wollte, ihre in Rechte und Rechtsansprüche übersetzten ökonomischen und politischen Interessen gegenüber den damaligen Hausherren der Welt in Anschlag zu bringen.
Ihnen gegenüber war in aller Deutlichkeit klarzumachen, dass sie der Forderung, dem "Verlangen" (von Bülow) nach einem deutschen "Platz an der Sonne" in der Ausübung des Hausherren-Rechtes über die Kontinente samt Völkerschaften nachzugeben hatten.
Hausherrengewalt über den Globus
Ihre selbstbewusste Entschlossenheit, ein von den damaligen Hausherren der Welt anerkanntes und respektiertes Mitspracherecht in der Ausübung der Hausherrengewalt über den Globus nicht nur zu fordern, sondern auch durchzusetzen, kleideten die wilhelminisch-kaiserlichen Regierungsverantwortlichen in die unmissverständliche Rede:
"Die Zeiten", da dem deutschen großen Ganzen kein nach eigenem Urteil geo- und weltpolitisch maßgebliches Mitspracherecht in der Ausübung globaler, ökonomischer, militärischer und politischer Hausherrengewalt von den herrschenden Weltmächten zuerkannt wird, "diese Zeiten sind vorüber" (von Bülow).
Die politischen Entscheidungsträger des deutschen Standorts der damaligen Zeit trugen den Anspruch auf ein geo- und weltpolitisches Mitspracherecht auf der höchsten Ebene des "Mitbewerbs anderer Völker" (von Bülow) vor: auf der Ebene der Staatenkonkurrenz von Welt-Mächten, die keine Großmacht-, sondern Welt-Politik, Welt-Politik als globales Hausherrenrecht betrieben, weil ihre Reichtumsakkumulation und ihre darauf gegründeten Gewaltmittel ihnen das erlaubten.
Eingedenk dessen und im Anspruch, "unsere Interessen und Rechte" (von Bülow) auf der Ebene konkurrierender Weltmächte geltend zu machen, ist ein deutscher "Griff nach der Weltmacht" keine Frage.
Nur dann ist dem wilhelminisch-kaiserlichen Kapitalstandort Deutschland eine gewinnbringende Zukunft gesichert, wenn ihm eine deutschfarbene Weltmacht, die über ein geo- und weltpolitisches Mitspracherecht in der Ausübung weltweiter Hausherrengewalt verfügt, den Weg gegen alle Konkurrenten bahnt.