Der BND in Libyen
Alles schon mal dagewesen
Die Berichte gleichen sich. Angehörige von Bundeswehr- und Bundespolizei trainieren „ganz privat“ libysches Sicherheitspersonal. Das hatten wir schon mal. Aus der Zeit danach wurden immer wieder Lieferungen militärisch verwendbarer Güter nach Libyen bekannt. Raketentechnik, Giftgasfabrik – immer waren Deutsche dabei. Und stets mittendrin – der BND.
Soweit bisher bekannt, haben Angehörige der Bundeswehr, der GSG 9 und Polizeibeamte aus verschiedenen Bundesländern im Auftrag des BND in Libyen Sicherheitskräfte ausgebildet. Die Aufregung darüber erscheint künstlich, denn schließlich gehört Libyen bereits seit einigen Jahren zu den vorgelagerten Wachposten der „Festung Europa“ mit dem klaren Auftrag, den Europäern – hier besonders den Mittelmeerländern wie Italien, Malta und Spanien - Armutsflüchtlinge aus Afrika fernzuhalten (Europa und die Bootflüchtlinge).
Hinzu kommt, dass der BND nachweislich bereits Ende der 70er Jahre Ausbildungshilfe für Libyen leistete. Es gibt keinen Grund für die Annahme, dass alle Einzelmaßnahmen des BND in Libyen bekannt und öffentlich diskutiert wurden.
Auch dass der BND nun eine Involvierung dementiert, gehört zum nachrichtendienstlichen Geschäft. Wenn ein BND-Sprecher gegenüber dpa erklärt „Der BND hat weder Ausbildungshilfe geleistet, noch war er beratend oder begleitend eingebunden", so kann dies zwar stimmen, denn die Abwicklung erfolgte über eine private Firma. Wenn der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Jäger, betont, die Deutsche Botschaft in Tripolis habe die Aktivitäten der Sicherheitsfirma "in keiner Weise unterstützt", bedeutet das nicht, dass man über die Tätigkeit der Deutschen nicht informiert war.
In Ländern wie Libyen wissen die Botschaften, welche Bundesbürger sich wo im Land befinden und was sie dort tun. Es exstieren sogenannte Evakuierungslisten, in denen auch Anschriften und Rufnummern notiert sind. Der BND, das Bundeskanzleramt und alle übrigen Beteiligten werden stets nur soviel zugeben, wie ohnehin bekannt ist. Das ist Alltag, wenn Nachrichtendienste mal wieder auffallen.
Zweifel an der Unkenntnis des BND
Der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Nescovic (Die Linke) brachte es auf den Punkt: "Es ist nicht glaubhaft, dass dem Auslandsgeheimdienst der Bundesregierung das mehr als ein Jahr andauernde Wirken von fast 40 deutschen Sicherheitskräften verborgen geblieben sein soll. Wäre dies der Fall, stünde die Effektivität des BND ernsthaft in Frage." Der FDP-Bundestagsabgeordnete Rainer Brüderle fordert bei nicht ausreichender Aufklärung in dem geheimen, sogenannten „Kontrollgremium“ des Bundestages für die Gemeindienste (PKG) einen weiteren Untersuchungsausschuss: "Wenn die offenen Fragen nicht rückhaltlos im Parlamentarischen Kontrollgremium geklärt werden, muss man sich die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses offen halten.“
Dies aus dem Munde des erfahrenen FDP-Abgeordneten beweist schauspielerisches Talent. Gewiss würde die FDP-Bundestagsfraktion dann sehr darauf achten, dass der Untersuchungsauftrag zeitlich nicht allzu weit zurück reicht. Denn gerade die FDP hat während ihrer Regierungszeiten stets darauf geachtet, dass ihre Damen und Herren Minister und Staatssekretäre an jenen Schalthebeln saßen, die für die Genehmigung von Rüstungsexporten zuständig waren. Kenner der Materie haben dem Autor gegenüber mehrfach bestätigt, diese Partei habe zumindest bei großen Geschäften stets mitverdient. Der ehemalige Staatsminister im Auswärtigen Amt und Wirtschaftsminister, Jürgen W. Möllemann, hatte besonders enge Verbindungen, auch und besonders in die „arabische Welt“. Er nahm sein Wissen mit in den Tod, als staatsanwaltschaftliche Untersuchungen drohten.
Ein Waffenhändler erklärte dem Autor, auch der später angeblich von Mitgliedern der „Revolutionären Zellen“ ermordete frühere Schatzmeisters der FDP Hans-Herbert Karry habe im Zusammenhang mit Rüstungsexporten Spenden für die FDP gesammelt. Die Mordwaffe im Fall Karry stammte den Ermittlungen zufolge jedenfalls aus der Waffenkammer der US-Streitkräfte in der Schlosskaserne Butzbach. Dort war sie bereits 1970 als gestohlen gemeldet worden. Die „Abendzeitung“ berichtete am 20. Mai 1981, „den amerikanischen Behörden“ seien die Diebe der Waffe „bekannt“. Doch als der damalige Generalbundesanwalt Kurt Rebmann von US-Behörden wissen wollte, an wen sie die Waffe weiterverkauft hatten, kam er nicht so recht weiter.
Stattdessen war davon die Rede, es habe wegen Rebmanns Anfrage „diplomatische Verwicklungen“ gegeben. Seit dem wurde über den Weg der Mordwaffe, einer eher seltenen Sportschützenwaffe, die Hochgeschwindigkeitsmunition verschießt, nichts weiter bekannt (Vergleiche Wisnewski/Landgraeber/Sieker, Das RAF-Phantom, Verlag Knaur). Der Mordfall Karry ist bis heute nicht aufgeklärt und damit sind die führenden Politiker dieses Landes offenbar auch ganz zufrieden. So ganz genau wollen sie es gar nicht wissen, besonders nicht die in der FDP.
EU-Partner Libyen
Bei der Ausbildungshilfe für Libyen stellt sich eher die Frage, wieso es eigentlich eine solche Aufregung gibt. Libyen gehört doch mittlerweile zu den „Guten“. Libyens Dienste bei der Abwehr von Armutsflüchtlingen, die via Libyen die Festung Europa erobern wollen, werden nur allzu gerne in Anspruch genommen. Im Juni 2005 gab die Europäische Union den Startschuss für eine Zusammenarbeit mit Libyen in der Flüchtlingspolitik – richtiger: bei der Flüchtlingsabwehr-Politik. Die Innenminister der 25 EU-Staaten hatten sich in Luxemburg auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt. Der Beschluss sah einen Dialog mit der Regierung in Tripolis vor, um zu einer "konkreten Kooperation" in Einwanderungsfragen zu kommen. Bei einem Besuch wurden nun konkrete Schritte vereinbart und ein Aktionsplan verabschiedet.
Inzwischen ist bekannt, dass die EU Libyens Grenzpolizisten ausbildet. Die sollen im Vorfeld afrikanische Einwanderer abfangen. Italien hatte Libyen schon mit Radargeräten, Helikoptern, Booten und Jeeps zur Grenzüberwachung ausgestattet. Wohin die Reise in der Einrichtung geplanter Auffanglager geht, zeigte auch ein vielsagender Versprecher des damaligen Kandidaten für das Amt des Justizkommissars in der EU-Kommission, Rocco Buttiglione. Der italienische Kultusminister sprach im Herbst 2004 vor dem Europaparlament von "Konzentrationslagern" in Nordafrika. Der damalige deutsche Bundesinnenminister Otto Schily hatte im Sommer 2004 die Debatte über Auffanglager in Nordafrika begonnen und damit einen Vorstoß der Briten aufgenommen (Libyen wird Vorposten der EU).
BND-Ausbilder in Libyen
Schon 1978 waren Ausbilder im Auftrag des BND in Libyen tätig. Damals galt Libyen noch als „Hort des Bösen“, als Ausbildungsort aller möglichen Terroristen. Im Sommer 1978, so erinnert sich der ehemalige Fallschirmjäger-Major Hans Dieter Raethgen, habe ihn der BND-Nahostexperte Cornelius Hausleiter angerufen und um Unterstützung gebeten. Er suchte einen Fachmann für die Schießausbildung der für die Sicherheit des libyschen Revolutionsführers Muammar Gaddafi und seines Regierungsapparats zuständigen Truppe in der Bab-el-Azizia-Kaserne. Der alte Haudegen Raethjen sagte zu.
Als Tarnfirma für die in Libyen benötigte Ausrüstung diente die Firma „Telemit Electronic“. Raethjen wurde zum 31. Dezember 1978 auf eigenen Antrag aus der Bundeswehr entlassen. Mit ihm zusammen waren mindestens 13 Deutsche als Ausbilder in Libyen tätig. Ausgebildet wurden zunächst libysche Offiziere und Unteroffiziere, später auch Mannschaften, bis zu 400 Personen gleichzeitig. So Raethjen gegenüber dem Kölner Journalisten Peter F. Müller (vgl. Peter F. Müller/Michael Müller: „Gegen Freund und Feind – Der BND: Geheime Politik und schmutzige Geschäfte“ rowohlt, 2002).
Auch die jetzt bekannt gewordene Ausbildung libyscher Sicherheitskräfte erfolgte über eine Firma, die BDB protection in Wiesmoor, die sich den Teilnehmern des IT-Sicherheitstags „Trustday“ als „kompetenter Partner für Unternehmen in allen Fragen rund um Sicherheit“ anpries.
Die Kompetenzzentren – Riskmanagement – ISPS (International Ship & Port Facility Security) – ASM (Akademie für Sicherheit und Management) sind Basis der effizienten Leistung. Von der Schwachstellenanalyse über die Risikobewertung hin zur konzeptionellen Lösung werden - auf der Grundlage vereinbarter Schutzziele - vorhandene Risiken für den Partner wirtschaftlich beherrschbar.
Die genannte „ASM“-Akademie befindet sich im gleichen Bürogebäude, in dem auch die BDB ihren Sitz hatte, bevor sie auf Beschluss ihrer Gesellschafterversammlung vom 19.4.207 aufgelöst wurde. Zum Liquidator der Firma wurde deren Geschäftsführer Volker Bergmann bestimmt, der wiederum mit der ASM-Akademie über deren Mutterfirma IPM-GmbH verbunden ist. Bergmann war oder ist bei IPM für den Bereich des „Risk-Consulting“ zuständig. Bergmann oder andere Vertreter der Firma waren telefonisch leider nicht erreichbar.
Bergmanns BDB protection befasste sich aber nicht nur mit IT-Sicherheit, sondern auch mit handfesteren Aspekten der Sicherheit. So verzeichnet die Internationale Taekido Association in Uplengen in ihrer Referenzliste seit 2001 insgesamt acht Taekido- und Personenschutz-Lehrgänge der Firma BDB protection in Wiesmoor. BDB protection wurde laut Mitteilung des zuständigen Handelsregisters mit Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 19.04.2007 aufgelöst