Der Baulöwe von Bagdad

Saddam Husseins Halluzinationen aus Blut und Stein

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Die "Mutter aller Schlachten" am heißen Golf ist lange geschlagen. Aber noch immer können die Ungläubigen und Verräter ihre spirituelle Niederlage nicht fassen und spotten frech über die "Mutter aller Niederlagen" (US-Außenminister Colin Powell).

Doch wer "The mother of all battles" nur für ein plattes Propagandasymbol in der rhetorischen Kampfzone hält, den belehrt Saddam Hussein nun eines Besseren. Seine neueste Waffe im Kampf gegen die ideologische Verblendung des Westens reckt sich 15 Meilen außerhalb Bagdads gen Himmel: "Umm El-Mahare". "Die Mutter aller Schlachten"-Moschee ist der Stein gewordene Sieg aller standhaften Gläubigen. Die in Form von Scud-Raketen geformten Minarette nebst Abschussrampen sind 37 Meter hoch, vier weitere Minarette, um die Kuppel herum gruppiert, stellen 28 Meter hohe Maschinengewehrrohre dar. Damit dürfte auch Baudrillards vordergründig plausibler Medienhoax, der Golfkrieg habe nie statt gefunden, endgültig widerlegt sein. Saddam hat ein gewaltiges Simulacrum in die Welt gesetzt, gegen das Neuschwanstein wie ein romantizistisch versponnenes Projektil am Horizont erlischt.

Saddam goes postmodern – ohne ästhetische Zäsur direkt über Disneyland und Zeppelinfeld. Der eingeweihte Beobachter erkennt das martialische Architekturzitat sofort, die Zahlen 37-4-28 markieren einen Schicksalstag: Saddams Geburtstag. Aber das ist nur die prächtige Fassade der Macht. Im Inneren, im gläsernen Schrein, liegt ein über sechshundert Seiten starker Koran. Nicht irgendein Koran. Sondern das Buch des Propheten wurde mit Saddams höchsteigenem Blut geschrieben. Saddam spendete im Lauf von drei Jahren, so heißt es, 28 Liter Blut, um dem Buch der Bücher sein Siegel aufzudrücken. Der Informationschef der Moschee Dahar Al-Ani erklärt, dass der kostbare Lebenssaft mit Chemikalien vermischt worden sei, um die rote Tinte flüssig zu halten. Was die Amerikaner nicht fertig brachten, hat Saddam selbst vollendet: Er hat seinen Blutzoll dem heiligen Krieg freiwillig entrichtet.

Die in Bagdad verbliebenen Westdiplomaten beeindruckt der religiöse Aderlass nicht allzu sehr: "Wie kann man sicher sein, dass es sich wirklich um Saddams Blut und nicht das seiner Opfer handelt." Ungläubige und Zweifler denken auch an Saddams über zwanzig Doppelgänger.

Glaubenskriege und Wahrnehmungsverluste

Der Bau der Moschee ist vorläufiger Schlusspunkt der "Faith Campaign" der irakischen Regierung, die sich der korrekten Buchstabierung religiöser Freiheit widmete und der auch einige religiöse Führer zum Opfer fielen. Priorität der Glaubenskampagne war es, den Widerstand in schiitischen Religionszentren im Süden in den Griff zu kriegen. In der heiligen Stadt Najaf dementierten Offizielle die Behauptungen irakischer Dissidenten, dass Saddams Regierung für den mysteriösen Tod des Ayatollah Hussein Bahrir Al-Aloum verantwortlich war. Dessen Anhänger erklärten, dass der 75-jährige Religionsführer vergiftet worden sein, weil er Saddams Glaubenskampagne nicht unterstützt habe. Eine Religion, ein Volk, ein Herrscher.

Ein Diplomat kommentiert frech: "Saddam lädt seine Ideologie mit Religion auf." Nun ist dieser Unterscheid auch bei anderen Religionen nie sonderlich trennscharf gewesen. Aber nach den neuesten Enthüllungen könnte selbst das nur die vordergründige Erklärung eines Ungläubigen sein. Es ist nicht mehr auszuschließen, dass Saddam Hussein selbst Opfer eines perfiden US-Anschlags auf seine Wirklichkeitswahrnehmung geworden ist. Der südafrikanische Chemiewaffenexperte Wouter Basson behauptet inzwischen, die USA hätten im Golf-Krieg halluzinogene Waffen gegen den Iran eingesetzt. Filmaufnahmen von irakischen Elite-Truppen, die aus den unterirdischen Bunkern flohen, zeigten, dass ihre Pupillen erweitert waren, wirr redeten und teilnahmslos starrten. Das könnten typische Symptome sein, wie sie unter Benzodiazepin-Einfluss beobachtet werden. Diese Droge verändert die Fähigkeit eines Menschen, rational zu reagieren, entweder würde er total passiv oder unkontrollierbar aggressiv, jederzeit bereit, auch seine eigenen Kumpanen anzugreifen.

Vielleicht fehlte also dieses kleine Mosaiksteinchen des sauberen Golfkriegs noch, um Saddam Husseins unkontrollierte Bauwut zu erklären. Die postmoderne Kriegsmoschee ist ohnehin nur eine weitere Großmannstat einer landesweiten "Denkmalisierung" des Golfkriegers. In und um Uruk herum entstehen inzwischen Moscheen, luxuriöse Repräsentationsbauten, vor allem aber überlebensgroße "Murals", Stein- wie Bronzestatuen des Herrschers in Action. Mal feuert er Gewehre ab, mal tätschelt er die Häupter unschuldiger Kleinkinder - wie das halt Diktatoren in Erfüllung ihrer Amtsgeschäfte medienwirksam so zu tun pflegen.

Nahe bei "Umm El-Mahare" gibt es zudem eine gewaltige Reliefkarte aus Wasser und Stein, die die arabische Welt zumindest im gefälligen Modell vereint. In den steinernen Verhältnissen erscheint der Irak als großer Fels, in den die Gesichter von "Märtyrern", eingemeißelt sind, die im Golfkrieg ihr Leben ließen. In offizieller irakischer Lesart soll dieses Ensemble von Moschee, heiligem Schrein mit Blutkoran und den "United Rocks of Arabia", der immer staunenden Welt demonstrieren, dass der Irak in der Lage ist, den amerikanischen und britischen Imperialismus in mittleren Osten zu besiegen. Auch der neueste Herrschaftskomplex Saddams in Bagdad ist vom Grundriss her als Modell des Iraks konzipiert und mittendrin erstrahlt: die Sonnenresidenz Saddams. Der Staat bin ich – wer hätte je daran gezweifelt?

Architektur als Krieg

Fraglich ist nur noch, ob George W. auch zu Stein erstarren und sich unfreiwillig in die Felsschädel von Mount Rushmore einreihen wird, wenn er hört, dass sich über die "Mutter-Aller-Schlachten-Moschee" ein großes in Stein gehauenes, arabisches "Nein" zieht. Moscheenhüter Al-Ani sinniert stolz: "Das ist das gewaltigste "Nein", das je den Amerikanern entgegengeschleudert wurde." Wohl wahr, was die Dimension der nicht auslegungsbedürftigen Inschrift angeht. Allerdings impliziert dieses moslemische Wunderzeugnis wie all die anderen Bollwerke gegen die amerikanisch-britisch-zionistischen Teufel zugleich auch ein großes "Nein" gegenüber dringend benötigten Sozialmaßnahmen im eigenen Lande. Bertolt Brechts Devise wird im Irak seit dem Golfkrieg von den Füßen auf den Kopf gestellt: "Erst kommt die Religion und dann die Notration."

Denn die dem Untergang des westlichen Imperialismus geweihte Moschee, für die sicherlich auch einige reale Scud-Raketen hätten gekauft werden können, ist nicht das furiose Finale saddamitischer Großschöpfungen und architektonischer Weltmachtträume. Die "Architectura caelistis" wird demnächst in Bagdad um die größte Moschee der Welt bereichert. Zudem wird gerade mal wieder einer der zahlreichen zerstörten Präsidentenpaläste fertig gestellt - mit vier gewaltigen Büsten, die Saddams finster blickendes Gesicht auf das Elend der Stadt herabblicken lassen.

Während viele irakische Familien um die nackte Subsistenz kämpfen und den Krankenhäusern selbst die Nadeln für Spritzen ausgehen sollen, spendet der Präsident vor allem Steine statt Brot. Etwa auch den Saddam Tower, mit einem sich drehenden Luxusrestaurant auf der obersten Etage, für jene Menschen, die es sich halt leisten können. Tariq Aziz, Iraks Premier, erklärte, dass solche Prestigeprojekte Amerika ohnmächtig erkennen lassen, dass der Irak nicht in die technologische Steinzeit zurückgebombt werden konnte. Aber auch wenn Amerika wahrscheinlich in seinem Nationalstolz dadurch tief getroffen wird, müssen wohl vor allem die ohnmächtig zusehen, die sich unterhalb des Turms im Kreisel von Inflation und Armut um die eigene Achse drehen.

Die Physiognomie des Herrschers

Seit Saddams Machtübernahme hat sich das Gesicht von Bagdad nachhaltig verändert. In mehr als 11 Jahrhunderten kam die Stadt mit zwei zivilen Denkmälern aus. Das verdankte sich vor allem dem Umstand, dass der Islam figurative Kunst und insbesondere Skulpturen ablehnt. Frühere Herrscher verliehen ihrer Macht dadurch Ausdruck, dass sie islamische Schulen, größere Minarette und Moscheen bauen ließen. An Stelle von narzisstischen Führerskulpturen wählten sie hymnische Inschriften, die relativ diskret in Ornamente und Arabesken eingelassen wurden. Saddam lässt sich gerne als besonders getreuen Jünger des Propheten feiern. So zeigt sich etwa auch der irakische Strafvollzug ganz von seiner menschlichen Seite, wenn Insassen frühzeitiger entlassen werden, so sie denn die Suren des Korans auswendig heruntersurren können.

Gleichwohl schenkt der paradoxe Traditionshüter der bildfeindlichen Tradition wenig Beachtung und spendiert der Stadt stattdessen ein Face-lifting, das der Physiognomie des Herrschers folgen muss. Da es Kritikern zufolge nur noch einen einzigen Bauplaner im Land gebe, haben ausländische Architekten längst die Nase voll, sich noch im Irak zu engagieren. Viele haben die Baukommissionen verlassen, weil Saddam der Bauherr an ihren Entwürfen herummäkelte. Im besten Obersalzberger Führerstil soll der Baulöwe von Bagdad irakischen Architekten und Bauunternehmern oft unverständliche Skizzen auf Papierfetzen überreichen, die dann nur noch kongenial umgesetzt werden müssen.

Trotz der wundersamen Eingebungen des Bauherrns entführen die meisten Bauten den Betrachter nicht in die imaginäre Topografien der großen islamischen Bautradition, sondern bedienen sich der einfachsten und direktesten Sprache, die nur eine Semantik kennt: Saddam ist Kriegsheld und Friedensfürst zugleich. Die Einheit dieser Differenz ist Saddams historische Größe, die alle Widersacher – im Innern wie im Äußeren - in den Staub sinken lässt. Bald jedenfalls. Bereits berühmt-berüchtigt ist der stählerne Traum der Triumphbögen in Form zweier gekreuzter Schwerter nahe der Tore Bagdads, die Stormin' Norman Schwarzkopf zu seinem persönlichen Leidwesen nicht auch noch einäschern durfte. Dieses dem Iran-Irak-Krieg gewidmete Denkmal wurde aus sturmerprobtem Kriegsmaterial fabriziert: Gewehre von getöteten iranischen Soldaten wurde zu 24 Tonnen schweren Klingen eingeschmolzen, und - um den symbolischen Overkill zu vollenden - zieren iranische Helme mit Einschusslöchern den Sockel. Die Fäuste sind Repliken von Saddams eigenen Stahlfäusten.

Saddam schätzt klare Symbole: Als ein amerikanisches Geschoss ein Telekommunikationsgebäude in der Hauptstadt während des Golfkriegs zerstörte, ließ Saddam die Teile des Projektils einsammeln, um daraus die mit dem Tod kämpfenden Porträts der Anführer der antiirakischen Liga zu schmelzen. Grotesk grimassierend sitzen nun die Abbilder von Bush sen. und Thatcher auf ewig zu Füßen einer triumphierenden Statue Saddams. Welche Schmach, Dubya!

Um die Freude der Bevölkerung an diesen und anderen wetterfesten Siegen nicht zu sehr zu strapazieren, wurde um das Märtyrerdenkmal ein Vergnügungspark herum gebaut, die Triumphbögen werden von Spielflächen für die Jugend umschmeichelt und am Grab des unbekannten Soldaten steht ein Theater. Der Krieg ist halt der Vater aller Dinge und Saddam der Vater im selbstfabrizierten Märchenland aus Marmor und Talmi. Nach acht Jahren Sanktionen signalisiert die Bautätigkeit der Welt vor allem trotzigen Widerstand.

Jedes Mal wenn Amerika in Erfüllung seiner humanitären Pflichten Saddams Residenzen bombardierte, wurden sie nicht nur wieder aufgebaut, sondern es kamen auch gleich noch ein paar neue dazu. Das Regierungsblatt "Baghdad Observer" beklagte jüngst, dass wegen der alliierten Sanktionen der Fünfjahresplan für den Neubau von 3973 Schulen auf 22 reduziert worden sei. Nicht die Rede war aber von Saddams protzigen Palästen, seinen Monumentallüsten aus Stein und veritablem Kitsch, die Milliarden verschlingen.

Die Psychologie der Massen

Herrschaftsarchitektur ist vor allem eine psychologische Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln. Dass trotz der Sanktionen etwa die komplizierte Doppeldecker-Brücke gebaut werden konnte, sollte alle Zweifler überzeugen, dass der Irak saddamŽscher Bauart nicht klein zu kriegen ist. Bauen die Kuwaitis neue Telekommunikationsgebäude, zieht Saddam sofort nach. Entsteht dort ein luxuriöses Drehrestaurant am Firmament, hat Bagdad auch gleich eins parat. Saddams Personenkult entfaltet indes auch konjunkturelle Segenswirkungen für die beteiligten Handwerker. Allein in Bagdad soll es 76 Hofmaler geben, die den Herrscher als multifunktionalen Segensbringer in Form bringen: Saddam als Politiker, Richter, Beduine, Kinderfreund und so fort.

Aber Saddam strebt bei weitem mehr an als nur die bedingungslosen Liebe seines Volkes, die ihm offen ohnehin keiner streitig zu machen wagt. Viele Gebäude in Irak tragen inzwischen Schilder mit dem historischen Hinweis für spätere Generationen, dass sie in der "Ära von Saddam Hussein" entstanden. Der nahtlose, wenn auch historisch höchst diffuse Anschluss an das alte Babylon und den mythischen Herrscher Nebukadnezar kennt viele Embleme. Zwar weiß keiner, wie das alte Babylon – ehedem ca. 50 Meilen südlich von Bagdad gelegen - wohl ausgesehen haben mag, aber Saddam ist nicht um des Rätsels Lösung verlegen.

Forscher haben sich anhand der wenigen archäologischen Restbestände der Stadt in akademische Debatten über das Stadtbild verloren. Als Saddams Baath Partei 1968 die Macht ergriff, erstickte er diese Diskussionen genauso wie jeden politischem Widerspruch sofort. Wissenschaftliche Mutmaßungen sollten ihn nicht hindern, die große Weltstadt wiederaufzubauen, als gigantisches Vorspiel, um schließlich das alte Reich wieder auferstehen zu lassen. Babylon bzw. Babel ist als mythengeladenes Wahrzeichen von Macht und Herrlichkeit sowohl in der Bibel wie im arabischen Kulturkreis prominent. Für solche propagandistischen Wunderwaffen wird die Geschichte neu- und umgeschrieben, keine Geschichtsklitterung ist zu schräg, um das multikulturelle Amalgam von Sunniten, Schiiten und Kurden, das den Irak heute bevölkert, auszublenden. Wenigstens die Monumente sollen für eine geschlossene, uniformierte Gesellschaft stehen, die tief in einem gemeinsamen religiösen und kulturellen Humus wurzelt.

Muhammad Ghani, Iraks bekanntester Bildhauer, sollte eine Skulpturenfolge mesopotamischer Herrschern von Hammurabi bis eben zu Saddam höchst selbst schaffen. Dem historischen Schulterschluss kam der Golfkrieg in die Quere. Ghani wurde dann beauftragt, eine Serie von Skulpturen zu bauen, die nationale Mythen wieder geben. Da die gemeinsame Erbschaft letztlich nicht allzu groß ist, dass alle Bevölkerungsgruppen ihre Selbstverständnis darin wieder finden, entschied sich Ghani für die transreligiöse wie –ethnische Hollywood-Fairytale-Lösung: "Ali Baba und die vierzig Räuber", "Scheherazade", "Sindbad der Seefahrer" und "Fliegende Teppiche". Wenn der Orient auch nach dem sicheren Filmwissen amerikanischer Schulkinder ein Wunderland ist, könnte nicht nur der Dieb von Bagdad, sondern auch der Baulöwe mit überirdischen Kräften im Bunde stehen.

Armageddon aufgewärmt

Aber diese irakische Annäherung an eine artifizielle Lunaparkgeschichte des Islam, die Amerikas eigener Technicolor-Bildersuche nach Bibel und Nationalgeschichte nicht so fremd sein dürfte, hat bisher wenig zur interkulturellen Verständigung der Erzfeinde beigetragen. Inzwischen geht es auch Saddam wieder um mehr als nur symbolische Siegesfeiern in Stein und Blut. Gerade verkündete das Hausblatt der regierende Baath Partei "al-Thawra", der Irak könnte jeden US-Angriff niederschlagen. Hintergrund ist Washingtons Drohung, mit energischen Schritten auf Bagdads Versuch zu antworten, ein amerikanisches U-2 Spionage-Flugzeug abzuschießen. "Iraks Widerstand gegen die amerikanisch-britische Aggression wächst, und es werde zu einer endgültigen Niederlage nebst dem Abzug aus dem nationalen Luftraum kommen" lässt Saddam verkünden.

Streng logisch ist diese Ankündigung nach dem Bau der Moschee nicht, da die Mutter aller Schlachten bereits erfolgreich geschlagen wurde. Die Bush-Regierung kann indes darüber nicht lachen. Washington konterte damit, dass Saddam Hussein sich wieder auf dem amerikanischen Radarschirm der administriellen Aufmerksamkeit befinde – als ob er sich nach dem Golfkrieg selbst im tiefsten Erdbunker je woanders bewegt hätte. Die Nationale Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice wollte keine endgültige Stellungnahme abgeben, ob Bush II. demnächst wieder zum Angriff bläst. Aber eins ist klar: Saddam muss diesmal nicht nur mit lässigen "Routineschlägen" rechnen. Man werde Rice zufolge militärisch "resoluter" auftreten, und das setzt nicht nur bei Saddam wenig Fantasie voraus, sich darunter sehr handfeste Szenarien vorzustellen. Die alltäglichen "Tit-for-Tat"-Spielchen sei man endgültig leid. Die irakische Luftabwehr soll diesmal nur knapp ihr Ziel in der "no-fly zone" über dem südlichen Irak verfehlt haben. Bisher ist kein alliiertes Flugzeug abgeschossen worden, obwohl es wiederholt zu Luftscharmützeln verschiedener Art kam.

Der Irak dementierte selbstverständlich den Zwischenfall und verkündete, hier würden nur Angriffsvorbereitungen einzuleiten. Wie immer es nun gewesen ist, dürfte ohnehin irrelevant ein, da der Friedensfundamentalist Bush feststellte, Saddam bleibe eine Schurke. Er sei eine Bedrohung der amerikanischen wie internationalen Sicherheit – was ja ohnehin in der Pax Americana nur als Unterschied zwischen Kartoffeln und Erdäpfeln gehandelt wird. Allerdings muss sich Bush diesmal noch mehr in Acht nehmen als sein stolzer Vater. Vizepräsident Taha Yassin Ramadan erklärte, dass der Irak einen endgültigen Sieg über die von Amerika geleiteten Kräfte des Bösen, der Tyrannei und Aggression erringen werde.

Armageddon wird also zurzeit wieder von beiden Seiten kräftig angewärmt. Aus militärstrategischer Sicht wäre Saddam dann aber gut beraten, seine "nebukadnezaresken" Unsterblichkeitsprojekte schleunigst zurückzustellen, sollte es ihm nicht vorrangig darauf ankommen, den Ruinenwert von martialischen Führerbauten unter Beweis zu stellen. Allerdings hat Saddam schon angekündigt, dass, sobald genug Geld zusammen sei, die "Hängenden Gärten" der Semiramis, eines der sieben Weltwunder der Antike, wieder aufgebaut werden soll.

Aber da steht noch eine andere höchst eilige Chefsache an: der Wiederaufbau des Turms von Babylon. Sollte Saddam zuvor einen kurzen Blick auf die abendländische Ikonografie riskieren, um seine hybride Himmelsstürmerei auf klassische Minarette zu beschränken? Vielleicht wird schließlich doch noch alles gut: US-Wirtschaftshilfe für den Wiederaufbau Babylons im hypermusealen Maßstab 1:1, Schwerter zu Minaretten, gesponsert von Disney und Industrial Light and Magics, George W. als Schirmherr und Saddam als postmoderner Nebukadnezar in einem sündenfreien Babel mit hängenden Gärten. Ach könnte das schön sein ...