Der Dotcom-Populist und die Proteste in Algerien
Seite 2: Die von der Elite freigelassenen Räume neu politisieren
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Nun versucht er es erneut (nach 2014) nochmal in Algerien. Auch dort sammelt er Unterstützerunterschriften, auch dort hat er Geld versprochen. Der Unterschied zu früheren Versuchen ist: In Algerien könnte er diesmal dem vertrockneten Establishment tatsächlich gefährlich werden - auch wenn man ihm den Weg zur Kandidatur versperrt - weil er zur rechten Zeit an einem Ort auftaucht, wo er einen leeren Raum vorfindet. Er ist eine Bedrohung der Macht.
Seine politische Arbeit, die auf Nähe basiert, bringt die Politik in einen Raum zurück, der von den Apparatschiks der Opposition wie auch vom Regime zurückgelassen wurde. Die Einzigen, die zu einer solchen Arbeit mit körperlicher Nähe fähig waren, waren die Islamisten, aber hier lassen sie sich von einem Typen überholen, der noch zugänglicher ist, weniger rigoristisch, näher am Internet als am Koran.
Auf diese Weise wurde - unter dem erstaunten Blick aller - ein Mann zum am wenigsten erwarteten Konkurrenten Bouteflikas, der von außerhalb kam. Sein Erfolg ist wirklich, in jeder Stadt, in die er kommt, zieht er eine Menge an, die ihn auf Schultern trägt.
Kamel Daoud
Ein bisschen erinnert das an die Gelben Westen, die auch einen von der eingefahrenen Politik freigelassenen Raum betraten. Die Gelbwesten stehen für die Situation einer neuen Mehrheit, die von gängigen Wahrnehmungsschablonen nicht erfasst wurden, wie dies etwa Christophe Guilluy, als Erforscher der Bevölkerungsverhältnisse in Frankreich, schon vor mehr als zehn Jahren herausstellte.
In Algerien ist die Jugend in der Mehrheit. Welchen Einfluss Nekkaz auf sie ausüben kann, ist nicht genau zu sagen (wie so vieles, was ihn betrifft, nicht so genau zu bestimmen ist). Aber es hatte sich vergangene Woche gezeigt, dass er durch sein Auftreten eine Demonstration mobilisieren kann, obwohl sie verboten war.
Offenbar war das für die algerische Führung Grund genug, um ihn als politischen Gegner ernst zu nehmen. Man hat ihn unter Hausarrest gestellt. Die Polizeiaktion auf der Autobahn hat Nekkaz als Video auf seine Facebookseite gestellt. Man kann davon ausgehen, dass ihm dies nicht zum Schaden gereicht.
Allerdings kann man sich auch schlecht vorstellen, dass er tatsächlich in der gesamten algerischen Jugend Anhänger findet. Die Studenten, die gestern protestierten, trugen kein Bild von ihm und kein Plakat mit Forderungen, dass Nekkaz kandidiert.
Laut den Regelungen kann Rachid Nekkaz auch gar nicht für die Präsidentschaft kandidieren. Zwar hat er seine doppelte Staatsbürgerschaft, französisch-algerisch, aufgegeben und ist nur mehr algerischer Staatsbürger, aber er lebte zu lange außer Landes, in Frankreich, um die formalen Bedingungen zu erfüllen, die an einen Präsidenten gestellt werden.
Das Gesetz stammt aus der ewig langen Amtszeit Bouteflikas (seit 1999 an der Macht), der selbst nach den gültigen Vorschriften nicht zum Präsident hätte gewählt werden können, weil er zuvor 20 Jahre lang im Exil war.