Der Friedenswinter ist tot! Es lebe der Friedenswinter!
Seite 2: Frieden à la Bautzen
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Diese Pressemitteilung ist inhaltlich eine sehr erfreuliche Entwicklung, in der bundesdeutsche Verantwortlichkeiten in die - teils heftig aufeinanderprallenden - Interessen internationaler Akteure eingeordnet werden. Das Problem indes ist der Mensch. Mal wieder, wie so häufig. Konkret die Liste derer, die den Aufruf unterzeichnet haben.
Da wäre etwa Platz 722 der Liste der Einzelpersonen: "Bautzner Frieden - Für den Frieden, die Menschen und das Leben". Das ist keine Einzelperson, sondern eine Initiative, die dadurch Aufmerksamkeit erregte, dass sie bei einer ihrer montäglichen Zusammenkünfte auch schon mal stadtbekannte Nazis das Mikro überließ:
Der "Bautzner Frieden"-Aktivist Mario Groebe ist in der schillernden Mahnwachenszene kein Unbekannter. Als Moderator der Bautzner Mahnwache fiel er am 26.05.2014 auf, als er zur Problematik Rechts und Links deutlich erklärte: "Es verbindet uns mehr als uns trennt ... Lasst die unterschwellige Kritik gegen links, lasst die unterschwellige Kritik gegen rechts." Unmittelbar danach bat er Peter ans Mikro, dessen Mitarbeit bei der Mahnwache er zuvor ausdrücklich begrüßt hatte. Peter erklärte dann explizit: "Ich bin bekennender Nationalsozialist." (Video, ab 20:15)
In Bautzen sprach man Klartext…
Der "Bautzner Frieden", bekannt für ein "unverkrampftes Verhältnis" zu ortsansässigen Nazis, vergibt auch einen Friedenspreis. 2014 erhielt diesen zum ersten Mal Lars Mährholz, der als unpolitisch geltende Initiator der Berliner Mahnwache für den Frieden.
"Lars Mährholz ist bei weitem nicht so nett, 'unpolitisch' und naiv im Umgang mit den Medien, wie er sich präsentiert", klärte Stefan Lauer im Mai 2014 auf.
Der 34-Jährige war von 2001 bis 2007 Mitglied und Beisitzer im 'Verband Junger Journalisten' (VJJ), der von Torsten Witt gegründet wurde. Witt starb 2010, aber war zu Lebzeiten eine schillernde Figur im rechtsnationalen Milieu. Er durchlief mehrere Parteien und siedelte sich dort immer im jeweils rechten Flügel an. Vor allem interessant ist seine Mitgliedschaft im nationalliberalen Flügel der FDP von 88-97.
Die Berliner Nationalliberalen hatten geplant, die gesamte FDP zu übernehmen und sie zu einer deutschen FPÖ umzubauen. Dieser interne Putsch war nicht erfolgreich und Witt wechselte zum Bund Freier Bürger. 1999 nimmt Witt zusammen mit Horst Mahler (damals noch Anwalt der NPD, heute im Knast wegen Holocaustleugnung und Volksverhetzung) an Demonstrationen gegen die doppelte Staatsbürgerschaft teil und organisiert interessanterweise Montagsdemos. Allerdings nicht für den Frieden, sondern gegen das geplante Holocaustmahnmal.
2004 wollte er schließlich mit seinem VJJ den Deutschen Journalisten Verband Brandenburg übernehmen, indem die eher rechtslastigen Mitglieder des VJJ (inklusive Mährholz) gesammelt in den DJV eintraten und ihn prompt zum Vize-Vorsitzenden wählten.
Stefan Lauer, Vice
Auch Braun nahm den umstrittenen Preis entgegen
Am 30. Januar dieses Jahres wurde Rainer Braun als 2. Persönlichkeit mit dem Bautzner Friedenspreis ausgezeichnet. Er nahm diesen Preis entgegen, machte aber nicht viel Aufhebens darum.
"Dass ein Friedenspreisträger einen Friedenspreis annimmt, um dann darüber tunlichst zu schweigen, kommt nicht alle Tage vor", kommentierte Otmar Steinbiker, Herausgeber des Aachener Friedensmagazins aixpaix.de. Doch Braun wusste laut aixpaix.de warum: "Doch für das Schweigen gibt es triftige Gründe."
Zwar fragt Steinbicker im telepolis-Gespräch (weiter unten): "Wer schaut schon auf Facebook kursierende Videos?". Doch damit können die Aktiven sich nicht herausreden. Von Anfang an nutzten die Mahnwachen munter die Möglichkeit, ihren Aktionsradius mittels YouTube zu erweitern. Immer wieder wurde von Kritikerinnen und Kritikern darauf hingewiesen, dass auf diesen Videos genau die Inhalte und Personen zu sehen waren, für die die Mahnwachen kritisiert wurden. Die Hauptsache-ganz-viele-für-den-Frieden-Apologeten hätten sich diese Videos bloß mal anschauen müssen.
Braun gehört übrigens auch zum Organisations-Team der ebenfalls umstrittenen Kampagne "Stoppt Ramstein". Als Gegenpart dazu gründete sich die Kampagne "Krieg beginnt hier", die eine umfangreiche Kritik an "Stoppt Ramstein" formulierte, und u.a. Braun auffordert, den Bautzner Friedenspreis zurückzugeben:
Zusammenfassend kritisieren wir darin, dass die Kampagne unzureichend und sehr spät mit vielen lokalen Friedensinitiativen in Kontakt trat (Gruppen, nicht nur Einzelpersonen). Zudem wegen ihrer inhaltlichen Einseitigkeit und wegen ihrer Nähe zu 'Montagsmahnwachen", die teilweise offen für rechtsradikale Ansichten und Akteure sind (in Kaiserslautern sogar offen von Nazis als Plattform genutzt wurden.
AGF-Trier
Mit anderen Worten: Die Nähe von Teilen der Mahnwachen-Bewegung zum rechten Spektrum ist vielfach dokumentiert, alle Beteiligten der traditionellen Friedensbewegung hätten es wissen und Abstand von dem Projekt "Friedenswinter" nehmen müssen.
Stattdessen wurden die Aktiven der Friedensbewegung 2.0 weitestgehend in die etablierten Strukturen integriert, und der alte Wein wird am 8.10. in neuen Schläuchen ausgeschenkt. Er wird Teilen genauso sauer aufstoßen wie 2014/15. Nur wenige werden das aber öffentlich äußern.
Beworben wird die Demo vom 8.10. in bewährter Mahnwachen-Manier in "alternativen" Medien wie KenFM, RT deutsch und anderen. Dabei wird mal wieder billigend in Kauf genommen, an der Seite von Rechtsextremen und Neonazis zu marschieren. Zwar werden sie nicht gezielt eingeladen. Aber wer gemeinsame Sache macht mit Organisationen, die wenig Berührungsängste mit Rechten haben, muss damit rechnen, dass diese auch zu überregionalen Aktionen genau das Klientel mobilisieren, das sie auch lokal anziehen.
Das lässt die Frage aufkommen, welche Gemeinsamkeiten es geben kann mit Initiativen und Kampagnen, die Nazis anziehen. Was für ein Frieden das werden soll, für den da am 8.10 in Berlin (gemeinsam) demonstriert wird?
"Die Friedensbewegung befindet sich derzeit in einer Krise" Fragen an Otmar Steinbicker
Otmar Steinbicker ist Herausgeber des Aachener Friedensmagazins aixpaix.de.
Den Aufruf zu der Friedensdemo in Berlin am 8.10.2016 haben knapp 200 Initiativen, Organisationen und Partei-Gliederungen, u.a. der Linken, sowie mehr als 1.000 Einzelpersonen unterzeichnet. Ist das repräsentativ für die Friedensbewegung?
Otmar Steinbicker: Das Spektrum der Friedensbewegung ist deutlich größer als die Liste der Aufrufenden. Es bleibt auch abzuwarten, wie viele Menschen wirklich kommen. Ich weiß, dass es auch in unterzeichnenden Organisationen kontroverse Diskussionen gegeben hat. Da werden nicht wenige lieber zuhause bleiben.
Wieso fehlen einige?
Otmar Steinbicker: Aus unterschiedlichen Gründen. Die Friedensbewegung befindet sich derzeit in einer Krise. Die Veranstalter hoffen, mit dieser Demo neuen Schwung in die Bewegung zu bringen. Das überzeugt aber nicht alle. Einige Kritiker sehen darin eine verzweifelte 1980er-Jahre-Nostalgie, andere sehen eine zu einseitige Fixierung auf die USA und die NATO und einen zu unkritischen Blick auf Russland.
Nicht wenige sehen auch eine Anlehnung an den verkorksten "Friedenswinter" 2014, bei dem mit problematischen Mahnwachen und Personen aus dem neurechten Spektrum offen zusammen gearbeitet wurde.
Ließe sich das auf die Formel bringen: Die Einen fehlen, weil die Anderen dabei sind?
Otmar Steinbicker: Das ist sicherlich ein Aspekt, aber nicht der einzige und womöglich auch nicht der Wichtigste.
Im Zusammenhang mit den Montagsmahnwachen für den Frieden wurde an verschiedenen Orten die Offenheit nach rechts kritisiert. So wurde z.B. bekannt, dass im Ruhrgebiet bei den Mahnwachen auch Nazis anwesend waren, in der Lübecker Mahnwache arbeiteten Personen federführend mit, die nachweislich Kontakt hatten zu der Rostocker Neonazi-Szene, und die Friedensmahnwache Bautzen überließ einem stadtbekannten "Nationalsozialisten" das Mikro. Das wurde in einem Video festgehalten. Bautzen ist gerade dieser Tage quasi täglich Medienthema, wegen der rassistischen Übergriffe. Es ist nicht davon auszugehen, dass es in Bautzen zwei Sorten Nazis gibt: die einen, die zu den Friedensdemos gehen, und die anderen, die Flüchtlinge jagen.
Otmar Steinbicker: Diese Problematik ist seit dem "Friedenswinter" 2014 bekannt. Damals wollten leider viele - auch Verantwortliche - aus der Friedensbewegung trotz deutlicher Warnungen dieses Problem nicht sehen. Als bei einer Auswertungskonferenz im Frühjahr 2015 die Rechtstendenzen unübersehbar waren, wurde der "Friedenswinter" kurzerhand für beendet erklärt. Eine kritische Aufarbeitung blieb leider aus.
Eine selbstkritische Position wie "Wir haben da einen deutlichen Fehler gemacht, hatten die Warnungen ignoriert und uns Illusionen über diese Mahnwachen gemacht", wäre hilfreich gewesen und hätte zur Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit beigetragen. So blieb überwiegend peinliches Schweigen aber es gab keine Aufarbeitung. Damit war die Gefahr einer zumindest teilweisen Wiederholung der gleichen Fehler vorprogrammiert.
Die Mahnwache Bautzen war schon im Sommer 2014 bekannt als Rechtsaußen der Mahnwachen-Bewegung. Auch das wurde damals von vielen in der Friedensbewegung nicht beachtet. Wer schaut schon auf Facebook kursierende Videos? Bis heute beachten viele nicht, was in der Mahnwachenszene in Bautzen vor sich geht.
Die Mahnwache Bautzen gehört zu den Initiativen, die den Aufruf unterzeichneten. Ist also damit zu rechnen, dass unter den Teilnehmenden am 8.10. auch Nazis dabei sind?
Otmar Steinbicker: Das würde mich nicht wundern. Da wird wohl keiner dabei sein, der sich ein Schuld umhängt "Ich bin Nazi", aber diese Zielgruppe wird von den Veranstaltern durch Nutzung von "alternativen" Medien wie KenFM, RT deutsch und anderen gezielt beworben. Da darf man sich dann nicht wundern, wenn die auch kommen.
Welche Rolle spielt Ihrer Ansicht nach Rainer Braun? Er nahm einen Preis der umstrittenen Bautzener Friedensmahnwache an. Er gehört sowohl zu den Organisatoren der Initiative "Stoppt Ramstein", als auch zu denen der Friedensdemo am 8.10. in Berlin. Könnte das ein Grund sein, dass einige Personen und Organisationen Abstand nehmen von der Teilnahme?
Otmar Steinbicker: Reiner Braun war der Initiator des "Friedenswinter". In seinem Büro liefen die organisatorischen Fäden der Ramstein-Initiative und laufen die Fäden der Demo am 8.10. zusammen. Reiner Braun erklärte auch bereits im Sommer in Auswertung der Ramstein-Aktion offen, die genannten "Medien" für die Werbung zum 8.10. nutzen zu wollen. Mir ist nicht bekannt, dass es dagegen offenen Widerstand gab. Der "Friedenswinter" und vor allem der "Bautzner Friedenspreis" hat einigen in der Friedensbewegung zu denken gegeben. Einige dürfte das auch von einer Teilnahme am 8.10. abhalten.
Würde Rainer Braun den Bautzener Friedenspreis zurückgeben, wäre das ein Schritt in die richtige Richtung?
Otmar Steinbicker: Bei denjenigen, die das fordern, handelt sich hier um bekannte, seit langem gut arbeitende Friedensorganisationen und -initiativen aus Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Sie hatten lange vor der Ramstein-Aktion auf die Mitwirkung von Nazis aus der Region an diesem Projekt hingewiesen und deshalb ihre Teilnahme verweigert. Stattdessen orientierten sie auf eine eigene Veranstaltungsreihe unter dem Motto "Krieg beginnt hier". Zeitgleich zur Ramstein-Aktion veranstalteten sie in Trier eine Protestkundgebung zum "Tag der Bundeswehr". Dort war auch ich eingeladen, einen Redebeitrag zu halten.
Die Forderung an Reiner Braun nach Rückgabe des Bautzner Preises ist sicherlich ein Versuch, Reiner Braun zu einer Änderung seiner Haltung zu bewegen. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass er ihn zurückgibt. Er weiß wohl auch, dass das ein Dreivierteljahr nach Preisannahme und heftiger Kritik aus der Friedensbewegung das nicht mehr glaubwürdig zu vermitteln wäre.