Der Kosmos ist ein kleiner Fußball
Französische Forscher gehen davon aus, dass das Universum ein in sich geschlossener Poincaré-Dodekaeder-Raum ist
Eine neue Analyse der Schwankungen in der kosmischen Hintergrundstrahlung zeigt, dass unser Himmelsgewölbe wie ein Fußball aussehen könnte.
Jean-Pierre Luminet und Roland Lehoucq vom Oberservatoire de Paris, Jeffrey R. Weeks, Alain Riazuelo vom französischen Commissariat à l'Energie Atomique sowie Jean-Philippe Uzan von der Université Paris XI haben die Daten der NASA-Mission "Wilkinson Microwave Anisotropy Probe" (WMAP) untersucht, um aus ihnen auf die Form des Weltalls zu schließen. Im Wissenschaftsmagazin Nature veröffentlichten sie die Ergebnisse unter dem Titel "Dodecahedral space topology as an explanation for weak wide-angle temperature correlations in the cosmic microwave background".
Der WMAP-Forschungssatellit ist seit 2001 im All unterwegs, um die kosmische Hintergrundsstrahlung aufzuspüren (vgl. NASA-Detektiv nimmt Big Bang unter die Lupe). Anfang des Jahres schickte er "Babybilder" des Universums zur Erde, Aufnahmen aus der Frühzeit, vom Zustand gerade mal 380 000 Jahre nach dem Urknall (vgl. 380 000 Jahre nach dem Urknall).
Die kosmische Hintergrundstrahlung ist das Nachglühen oder das Echo des Big Bang im Mikrowellen-Bereich. Sie entstand 300.000 Jahre nach dem Urknall, als das Universum transparent wurde und hat eine Temperatur von 2,73 Kelvin (ca. minus 270 Grad Celsius). Sie ist überall im All vorhanden, weist aber kleine Temperaturschwankungen auf, über deren Ursache die Forscher noch diskutieren. Es handelt sich um mehrfach nachgewiesene, sehr schwache Abweichungen von der ansonsten gleichmäßigen Temperaturverteilung (vgl. Fluctuations in the Cosmic Microwave Background). Die kosmische Hintergrundstrahlung liefert Hinweise nicht nur auf die Geschichte des Weltraums, sondern auch auf seine Struktur und Gestalt.
Welche Form hat das Universum? Auf diese Frage gibt es bisher keine definitive Antwort. Wie das Weltall entstand und grundsätzlich beschaffen ist, erklärt das kosmische Standard-Modell, das aber keine Aussagen zur Form beinhaltet (vgl. Am Anfang war das Universum ganz einfach). Die Allgemeine Relativitätstheorie besagt nur, dass der Raum gekrümmt ist und dass sich zu den drei Raumdimensionen noch eine Zeitdimensionen gesellt.
Grundsätzlich gibt es drei Raumgeometrien, man unterscheidet sie nach den mathematischen Definitionen der Krümmung. Zweidimensional ausgedrückt bedeutet keine Krümmung eine flache Ebene, eine Kugel ist positiv gekrümmt und ein Sattel negativ (vgl. Kosmologie). Welche Form das Universum hat, hängt von der Masse der Materie ab. Ein flaches Universum hat keine Krümmung und genügend Masse, um irgendwann seine eigene Expansion zu stoppen. Es ist unendlich. Das Modell eines offenen Universum sieht bei negativer Krümmung des Raums eine unendliche Ausdehnung vor, weil nicht genug Masse vorhanden ist, um komplett zu bremsen. Die dritte Möglichkeit ist ein geschlossenes Universum, in dem der Raum eine positive Krümmung hat und mehr als genug Masse für einen Expansionsstopp vorhanden ist.
Über die möglichen Formen wird noch lebhaft diskutiert, obwohl viele Erkenntnisse der letzten Zeit auf ein flaches Universum hinwiesen. Aktuell gehen die meisten Kosmologen von einem unendlichen Universum aus, dass unter dem Druck dunkler Energie expandiert (vgl. Das Universum ist voller dunkler Energie).
Luminet und Kollegen schreiben nun in ihrem Fachartikel vollmundig:
Seit der Antike haben sich die Menschen gefragt, ob unser Universum endlich oder unendlich ist. Nun, nach mehr als zweitausend Jahren des Spekulierens, könnten die Beobachtungsdaten endlich diese alte Frage beantworten.
Das Forscherteam sah sich die Daten von WMAP genau an und stellte fest, dass in der Strahlung nicht alle Wellenlängen vorkommen, obwohl das bei einem flachen Universum anzunehmen wäre. Ihrer Analyse zufolge ist die einfachste und nahe liegendste Erklärung, ein endliches Universum in Form eines einfachen geometrischen Modells: des Dodekaeders als Poincaré-Raum. Sie sind überzeugt, dass das Weltall wie ein vierdimensionaler Fußball aussieht. Er besteht aus zwölf gewölbten Fünfecken, die sich wiederum zu einer Kugel zusammensetzen.
Würde man den Dodekaeder über einen seiner Ränder verlassen, käme man auf der entgegengesetzten Seite wieder hinein, wodurch der Raum in sich geschlossen wäre. Aus 120 sphärischen Dodekaedern setzt sich die Hypersphäre zusammen (vgl. Computer Graphics in Curved paces). Dieses geometrische Modell passt haargenau zu den gesammelten Daten der kosmischen Hintergrundsstrahlung.
Aber das Ergebnis könnte auch eine zufällig Übereinstimmung sein, wie die Kosmologin Janna Levin von der University of Cambridge in Nature kritisch anmerkt:
Der Dodekaeder ist eine hübsche Lösung. Es wäre eine Überraschung, wenn das Universum eine so schöne platonische Form gewählt hätte. Und ich wäre überrascht, wenn das Universum so klein sein sollte.
Sie ist der Meinung, dass auch andere Geometrien ähnliche Muster in der kosmischen Hintergrundsstrahlung erzeugen könnten. Die Analyse weiterer WMAP-Daten wird zeigen, ob das Universum wirklich wie ein Fußball aussieht.