Der Nahost-Konflikt und die Koalition aus konservativen Christen und Juden in den USA

Der Irak-Krieg hat den Terrorismus nicht eingedämmt, mittlerweile ist auch der von Bush nach dem Krieg versprochene Friedensfahrplan schon fast wieder Makulatur

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Mit den erneuten Selbstmordanschlägen von Mitgliedern der al-Aksa Brigaden und von Hamas ist der Friedensplan des sogenannten Nahost-Quartetts in Gefahr, falls er nicht schon Makulatur geworden ist, auch wenn US-Präsident Bush gegenüber dem palästinensischen Ministerpräsidenten Mahmud Abbas gestern noch versichert hat, weiter an der "road map" festzuhalten. Die Terroranschläge in Israel, aber auch in Saudi-Arabien oder in Marokko zeigen überdies, dass der Sturz Husseins nichts dazu beigetragen hat, die Region stabiler zu machen und den Terrorismus einzudämmen. Auch in den USA muss jetzt das Heimatschutzministerium trotz des erfolgreichen Irak-Kriegs die Terrorwarnung von "erhöht" auf "hoch" setzen.

Im Juni 2002 hatte Bush in Vorbereitung des Irak-Kriegs und zur Dämpfung der anti-amerikanischen Stimmung in den arabischen Ländern in einer Rede angekündigt, sich für die Schaffung eines palästinensischen Staates einzusetzen. Wegen des geplanten Kriegs hatte die US-Regierung den Nahost-Konflikt allerdings erst einmal weiter brodeln lassen und ging wohl davon aus, dass nach dem Sturz des Diktators die Region friedlicher und handsamer sein würde, um endlich einen neuen Friedensplan durchsetzen zu können. Vielleicht ging man davon aus, dass Israel kompromissbereiter sein würde, wenn durch die Entschärfung des Irak und durch den Druck auf andere arabische Regierungen die Bedrohung sinkt, während die militanten Palästinenser ihre Unterstützung in anderen Ländern verlieren, die Angst vor einer militärischen Intervention der USA haben. Beides scheint nur kurzfristig eingetreten zu sein, jetzt ist die Situation schon wieder wie zuvor, wenn überhaupt eine Chance zu einer endgültigen Beilegung des Konflikts jemals wirklich bestanden hat.

Optimistisch sieht der vom Nahost-Quartett unterstützte Plan eine Beilegung des jahrzehntelangen Konflikts vor, wenn bis 2005 ein unabhängiger palästinensischer Staat geschaffen worden wäre. Verbunden werden soll das mit einem Rückzug Israels aus den seit 2000 besetzten Gebieten und mit der Auflösung der seitdem erbauten Siedlungen, während die Palästinenser für ein Ende des Terrors sorgen sollen. Mit der Einrichtung eines unabhängigen palästinensischen Staates, wie dies der gemeinsame Friedensplan von USA, Europäischer Union, Russland und Vereinten Nationen vorsieht, sollten auch die umliegenden arabischen Staaten normale Beziehungen mit Israel aufnehmen.

Doch die Errichtung von zwei unabhängigen demokratischen Staaten, die friedlich nebeneinander existieren, als Ziel der road map passt weder den militanten palästinensischen Gruppen, die mit Anschlägen jede Einigung verhindern wollen, noch den radikalen Israelis und vor allem den Siedlern, die das Land für sich beanspruchen und gleichfalls die Gewaltspirale antreiben (Gewalt überschattet Friedensgespräche). Sofort sagte denn auch Ministerpräsident Ariel Scharon nach den ersten Anschlägen den geplanten Besuch in Washington ab, bei dem er wohl von US-Präsident Bush unter Druck gesetzt worden wäre, und ließ wieder Militär vorrücken.

Unter Druck steht die US-Regierung mit ihrem Versprechen nicht nur gegenüber Palästinensern und Israelis, sondern auch im eigenen Land durch eine konservative Koalition aus fundamentalistischen christlichen Organisationen und zionistischen Gruppierungen, die erst letztes Wochenende auf der Konferenz "Interfaith Zionist Leadership Summit" in Washington die "road map" als Teufelswerk ("satanic") bezeichnet haben. Prekär ist, dass es sich nicht nur um Bush-Wähler aus der konservativen Ecke handelt, sondern dass diese konservative Fraktion, die amerikanische Interessen mit israelischen verbindet, auch in der Regierung stark vertreten ist. Eingeladen zur Veranstaltung waren Sprecher aus der konservativen Szene wie Joseph Farah von WorldNetDaily, Michael Leeden vom American Enterprise Institute, Frank Gaffney vom Center for Security Policy oder Daniel Pipes vom Middle East Forum, den Präsident Bush unlängst als Direktor an das US Institute of Peace berufen hat (Die Prätorianer-Garde des Imperiums). Mitveranstalter war unter anderem auch das Jewish Institute for National Security Affairs (JINSA), bei dem Paul Wolfowitz, Richard Perle, Douglas Feith oder James Woolsey Mitglieder sind. Wie sehr diese Fraktion den Kurs der Bush-Regierung beeinflusst, lässt sich daran ermessen, dass bislang auf Scharon wenig wirklicher Druck ausgeübt worden ist, um den zentralen Konfliktherd im Nahen Osten zu entschärfen, der auch den Terrorismus nährt.

Thema der Veranstaltung war vor allem, die Opposition gegen den Friedensplan zu stärken und zu zeigen, dass die amerikanischen Interessen im Nahen Osten gleichzeitig die der israelischen Regierung sind. Wenn man den palästinensischen Terrorismus mit einer Staatsgründung belohne, mache man den Krieg gegen den Terrorismus lächerlich und bestärke neue arabische Aggression. Zudem sei der Plan mit Partnern (Russland, EU und UN) geschaffen worden, die sich wiederholt amerikanischen Interessen entgegen gesetzt und sich gegenüber Israel als feindlich gezeigt hätten. Unterstützer für islamischen Terrorismus seien auch Libyen, Syrien, Saudi-Arabien und der Iran.

"You can have a Jewish state or a Palestinian state. You can not have both."

Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen wird hier schon einmal versucht, Bush weiterhin zur unbedingten Unterstützung Israels anzuhalten. Immerhin stehen hinter den konservativen evangelikalen Organisationen wie der Christian Coalition, dem Apostolic Congress, American Values oder dem Christian Boradcasting Network möglicherweise bis zu 45 Millionen Christen, die teilweise auch Israel helfen wollen (oder insgeheim die Juden lieber in Israel sehen würden). Dazu kommen die jüdischen Organisationen, die wiederum auf Solidarität pochen. In einem gemeinsamen Brief, der Bush demnächst übergeben werden soll, fordern die an der Tagung beteiligten Organisationen, dass zunächst die Palästinenser Konzessionen zu machen haben, bevor Israel beginnt, sich hinter die Grenzen von 1967 zurückzuziehen. Vielen geht auch das freilich viel zu weit.

Als einzigen Text zur Veranstaltung wurde ein Artikel von Don Feder, der sie organisiert hat, veröffentlicht. Der ultrakonservative Feder sagt sich "devotion to America and a commitment to Biblical morality" nach. Seine Aussage ist ziemlich eindeutig:

"You can have a Jewish state or a Palestinian state. You can not have both. ... President Bush says he wants to bring democracy to the Middle East. If he's serious about creating a Palestinian state, he will end up destroying the only democracy in the Middle East - Israel. ... ou will not find a more unlikely candidate for democracy than Arab Moslems. There is a reason why, among the 22 nations of the Arab world, not one even approaches popular rule - why they consistently produce leaders like Nasser, Assad (father and son), Khomeini, Khadafy, Arafat, Saddam and bin Laden. ...A Palestinian state would make a mockery of our own war on terror, reward the terror masters and create another Iraq on the borders of our only reliable ally in the region. The only peace it would bring to Israel is the peace of the grave."

Für Gary Bauer, Präsident der konservativen American Values und ehemaliger republikanischer Präsidentschaftskandidat, ist die Angelegenheit ganz einfach, wie er auf der Tagung sagte:

"Das Land Israel hat ursprünglich Gott gehört. Da Er der Besitzer war, konnte nur Er es weitergeben. Und er gab es dem jüdischen Volk."

Die Logik wird freilich nicht alle überzeugen, für Bauer ist jedoch klar, dass die Terroristen einfach nicht verstünden, warum Israel und die USA "mit dem Herzen verbunden" sind. Daher müssten die USA auch stets auf der Seite Israels stehen..

Die christlich-jüdische Einigkeit in der Unterstützung Israels sollten theologische Differenzen nicht stören. Man sei sich zwar nicht ganz einig, wer der Messias ist, so Jan Willem van de Hoeven, der Direktor der International Christian Embassy, aber gegenüber den Moslems scheinen die Unterschiede zu verblassen: "Er kommt nicht in eine Moschee zurück, sondern in einen dritten Tempel."

Das freilich ist gleich wieder eine Kampfansage an die Palästinenser, denn damit ist der Tempel gemeint, den die Juden nach Prophezeiungen wieder auf Tempelberg in Jerusalem erbauen werden. Hier war der zweite jüdische Tempel, der von den Römern zerstört wurde. Hier ist auch die Klagemauer, der Rest des ersten jüdischen Tempels. Aber hier befinden sich auch der Felsendom und die al-Aksa-Moschee, die eine der heiligsten Stätten der Moslems bilden. Als Ariel Scharon den Tempelberg Ende September 2000 besuchte, löste er die bis heute anhaltende Intifada, in deren Verlauf er zum Ministerpräsidenten gewählt wurde.

Sieg Israels ist für einen Frieden notwendig

Einige der Sprecher stellten sich auch demonstrativ hinter den umstrittenen Daniel Pipes, der von Bush zu einem der Direktoren des Institute of Peace ernannt worden ist. Pipes ist Direktor des Middle East Forums und hat sich besonders als Warner vor dem militanten Islamismus hervorgetan, den er mitsamt Unterstützern überall sieht. Nach dem 11.9. wurde von ihm die Campus-Watch gegründet, um gegen politisch in seinem Sinn nicht korrekte Professoren an den Universitäten vorzugehen. Die Berufung an das Institute for Peace, das die US-Regierung auch bei der Nahost-Politik berät, ist von Muslims bereits kritisiert worden (Neue Aufgabe für den "führenden Islamophobiker").

Pipes bezichtigte auf der Veranstaltung denn auch die Amerikaner der Naivität und stellte die rhetorische Frage: "Warum zerstören wir unsere Feinde und verlangen von Israel, dass es seine Feinde hochzüchten soll?" Der Friedenplan basiere auf der Annahme, dass die Palästinenser die Existenz Israels anerkennen würden, aber dazu müssten sie sich erst verändern. Und das müssen "durch einen Sieg Israels und eine Niederlage der Palästinenser" geschehen. Zum Beispiel könne die USA ihre Botschaft nach Jerusalem verlegen und so demonstrieren, dass dies die Hauptstadt Israels ist (und die Palästinenser dies akzeptieren müssen).

Auf seiner Website scheint Pipes einen Lernprozess vermitteln zu wollen. 1990 habe er noch geglaubt, dass es entweder einen palästinensischen oder einen israelischen Staat, aber nicht beide zusammen geben könne. Jetzt ist der Meinung, dass man nur dann über so etwas wie das Oslo-Abkommen sprechen könne, wenn die Palästinenser über längere Zeit definitiv und einmütig bewiesen hätten, dass sie die Existenz des Staates Israel als irreversiblen Fakt anerkennen.

Immerhin ist Pipes (bislang) so aufrecht, noch immer seine mittlerweile brüchig gewordene Erfolgsmeldung stehen zu lassen. Er hatte nämlich gegenüber Kritikern des Irak-Kriegs, die eine Stärkung des Terrorismus prophezeiten, am 8. April vorhergesagt, dass das Gegenteil eintreten werde. Der Krieg führe zu einer Reduzierung des Terrorismus, nach einem Sieg löse sich der muslimische Zorn auf: "Ein amerikanischer Sieg im Irak wird mehr schützen als schaden."