Der Pharmakonzern Merck senkt die Preise für AIDS-Medikamente in Entwicklungsländern
Angeblich will man die Medikamente zu den Herstellungskosten anbieten, aber damit wahrscheinlich auch Billiganbieter bekämpfen
Als erster Konzern hat jetzt Merck bekannt gegeben, in Entwicklungsländern den Preis für die Medikamente gegen AIDS auf die Herstellungskosten herabzusetzen. Noch freilich wären trotzdem die Behandlungskosten so hoch, dass die Meisten der Menschen in den armen Ländern sich eine Behandlung nicht leisten könnten. Bislang hatten die Pharmakonzerne unter Druck etwa von Seiten der UNO versucht, entsprechende Vereinbarungen mit einzelnen Ländern zu erzielen, die dafür aber sicher stellen mussten, dass keine Billiganbieter ihre AIDS-Medikamente vertreiben dürfen.
Erst vor kurzem hatte die internationale Hilfsorganisation Oxfam anlässlich der Veröffentlichung der Karten des menschlichen Genoms die Pharmakonzerne und die westlichen Regierungen bezichtigt, einen "unerklärten Medikamentenkrieg gegen die ärmsten Länder der Welt" zu führen. Jedes Jahr sterben, so Oxfam, 11 Millionen Menschen oder jeden Tag 30000 Menschen an Krankheiten, die zu verhindern gewesen wären. Grund sind für Oxfam in erster Linie die hohen Preise für Medikamente, um AIDS, Erkrankungen des Atemtrakts oder Durchfallerkrankungen bei Kindern behandeln zu können. Die Preise in die Höhe treiben die "exklusiven Vermarktungsrechte, die durch Patente entstehen." Abhilfe könnten billige generische Medikamente sein, deren Verbreitung aber von den reichen Ländern über den Schutz des geistigen Eigentums und der Androhung von Handelssanktionen unterbunden werden soll. 39 Pharmakonzerne, darunter auch Merck, führen deswegen etwa einen Prozess gegen die südafrikanische Regierung. Die USA gehen vor der WTO gegen Brasilien vor und drohen 15 Entwicklungsländern Handelssanktionen angedroht.
Seit letzten Jahr haben UN-Organisationen zusammen mit GlaxoSmithKline, Merck, Hoffman La Roche, Boehringer Ingelheim und Bristol-Myers begonnen, mit einzelnen Ländern zu verhandeln, um gegen entsprechende Sicherheiten dort Medikamente gegen AIDS billiger anzubieten. Dazu gehörte auch das Verbot, generische Medikamente von lokalen Billiganbietern einzuführen oder zu vertreiben. So bieten beispielsweise indische Unternehmen Kombinationstherapien gegen AIDS für jährlich 350 Dollar an. Erfolgreich waren diese Verhandlungen, die aufgrund des öffentlichen Drucks zustande kamen, aber nicht. Nur mit Uganda, Senegal und Ruanda wurden Vereinbarungen getroffen.
Die Ankündigung der Preissenkung von Merck betrifft alle Entwicklungsländer. Regierungen, NGOs oder Firmen, die die Medikamente in einem Land anbieten, müssen im Gegenzug dafür sorgen, dass sie nur dort vertrieben und nicht wieder exportiert werden. Merck sagt, dass mit dieser Initiative die Behandlung von AIDS in Entwicklungsländern beschleunigt werden soll. Wahrscheinlich hat man eingesehen, dass die Verhandlungen mit einzelnen Ländern wegen der Auflagen nicht recht vorankommen und man so weder die Kritiker beruhigen, noch die lästigen Billiganbieter aus dem Feld schlagen konnte.
Möglicherweise schließen sich diesem Angebot noch andere Pharma-Konzerne an. Merck hat angekündigt, die Preise auf etwa ein Zehntel der Kosten senken, die AIDS-Patienten in den reichen Ländern entstehen. So soll die Versorgung mit Crixivan, einem Protease-Inhibitor, jährlich nur noch 500 Dollar oder 1,64 Dollar am Tag kosten. Das können sich viele zwar immer noch nicht leisten, zumal oft ja auch ganze Cocktails zur Behandlung eingenommen werden müssen, aber der Preisnachlass könnte es zumindest Hilfsorganisationen leichter machen, medizinische Behandlung überhaupt zugänglich zu machen.
Per Wold-Olsen von Merck weist aber gleich darauf hin, dass auch mit den neuen niedrigeren Preisen das Problem des Zugangs zu den Medikamenten noch nicht gelöst sei. Viele Millionen Menschen würde sich weiterhin nicht die erforderlichen Medikamente leisten können. Entscheidend für eine wirkliche Hilfe seien Partnerschaften zwischen Regierungen, internationalen Organisationen und NGOs mit der Privatwirtschaft, um die Probleme zu lösen. Merck weist darauf hin, dass der Konzern zusammen mit der Regierung von Botswana und der Bill & Melinda Gates Stiftung seit letzten Jahr ein umfassendes Projekt durchführe, um durch Prävention, Aufklärung und Behandlung gegen AIDS vorzugehen. Sinn dieser Partnerschaft sei auch zu zeigen, dass ein solcher umfassender Ansatz durchführbar ist und auch in anderen Ländern eingeführt werden könne.
Jon Liden, Sprecher der WHO, bezeichnete Mercks Initiative als "tolle Nachricht", weil jetzt die Preise so weit gefallen seien, dass man daran denken könnte, Medikamente zu kaufen und die Erkrankten in den Entwicklungsländern damit zu behandeln. Allerdings würden für eine größere Aktion zwischen 5 und 10 Milliarden Dollar im Jahr notwendig sein, weswegen eine solche auch in nächster Zeit mit weiter zurückgehenden Entwicklungshilfegeldern nicht zustande kommen werde.
Schwierigkeiten aber könnten Merck auch durch die neue Transparenz entstehen. Wenn die Kunden in den westlichen Ländern erkennen, dass sie das Zahnfache des angeblichen Herstellungspreises bezahlen müssen, könnte die Initiative, die auch der Imageverbesserung dienen soll, durchaus auch negative KOnsequenzen haben. Die Hälfte der Gewinne erzielt Merck allein in den USA. Unterstützung erhält Merck etwa durch den WHO-Mitarbeiter Michael Stoltz, der sagt, man müsse den Amerikanern sagen, dass sie auch diese Vergünstigung haben könnten, wenn sie mit einem Dollar am Tag auskommen müssen - woran sich allerdings schon wieder sehen ließ, dass auch 500 Dollar jährlich für nur ein Medikament von einigen, die zur Behandlung notwendig wären, außerhalb der Möglichkeiten von vielen Menschen besonders in Afrika sind, in dem AIDS besonders verbreitet ist.