Der Pleitegeier kreist über europäischen Fußballstadien
In England ging der erste Erstligaclub in die Insolvenz und in Spanien müssten eigentlich Clubs reihenweise dicht machen
Vor allem die Schulden im britischen und spanischen Profifußball sind enorm. Deren Vereine schieben Schuldenberge in Milliardenhöhe vor sich her. Mit dem FC Portsmouth musste der erste Verein in der Geschichte der britischen Premier League Insolvenz anmelden, weil er ausstehende Schulden beim Fiskus nicht bezahlen konnte. Würden aber in Spanien die Finanzämter und die Sozialversicherungskassen damit beginnen, Mahnbescheide zu verschicken, dann könnten Real Madrid und Co. sofort den Konkursverwalter bestellen. Neben den Schulden bei Kreditinstituten haben die Profivereine bei Finanzämtern und bei den Sozialversicherungskassen fast 6 Milliarden Euro an Schulden angehäuft. Die UEFA will handeln und Vereine, die dauernd über ihren Verhältnissen leben, aus europäischen Wettbewerben ausschließen.
Es ist ein Warnsignal an viele Fußballvereine in Europa, dass nun ein Insolvenzverwalter bei einem britischen Erstligaclub den Ton angibt, nachdem zum Wochenende nun der Vorstandsvorsitzende des Traditionsvereins FC Portsmouth zurücktrat. Peter Storrie sei zu dem Schluss gelangt, es wäre das Beste für den Klub, sein Engagement ruhen zu lassen, erklärte Andrew Andronikou. Der soll nun versuchen, einen Investor für den Tabellenletzten aus Südengland zu finden.
Vor zwei Wochen wurde der Verein wegen seiner Totalüberschuldung in Zwangverwaltung genommen. "Pompey" wie ihn die Fans nennen, ging in die Insolvenz, als die britische Steuerbehörde eine Nachzahlung in Höhe von 11,7 Millionen Pfund erzwingen wollte. Mit der Zahlungsunfähigkeit konnte ein Konkurs und damit die Liquidation eines Vereins mitten in der Saison und damit die Annullierung der bisherigen Spiele vermieden werden.
Mit Portsmouth ist der erste Club der obersten Liga seit deren Einführung 1992 offiziell pleite, weil zuvor Verkaufsgespräche mit möglichen Investoren scheiterten. Dabei drückt den Verein eine nur mäßige Schuldenlast von gut 70 Millionen Pfund (knapp 80 Millionen Euro), wenn man diese mit anderen Proficlubs vergleicht. Die Zukunft ist nun aber stockfinster, weil der Abstieg für Pompey besiegelt wurde, was einen Verkauf noch erschwert. Zur Strafe werden dem Club neun Punke abgezogen.
Der Fall Portsmouth ist symptomatisch und letztlich werfen die Geschehnisse in der 170.000-Einwohner-Stadt ein Schlaglicht auf ungesunde ökonomische Verhältnisse in vielen Fußballstadien. Die Zeit ist vorbei, in der stark angeschlagene Pleitevereine darauf hoffen durften, stets rechtzeitig von immer neuen, noch potenteren Investoren übernommen zu werden. Der FC Portsmouth hatte in knapp zwei Jahren vier Mal den Besitzer gewechselt. Vom Sohn eines in Frankreich angeklagten Waffenhändlers und Milliardärs ging er an einen Investor aus den arabischen Emiraten und dann wurde er von einem saudischen Immobilienhändler übernommen. Schließlich fiel der Verein in die Hände von Balram Chainrai, einem Geschäftsmann aus Hongkong.
Doch in Portsmouth kommt nur die Spitze eines Eisbergs zum Vorschein. Die Insolvenz zeigt auf, dass auch diese Variante der ökonomischen Schneeballsysteme ausgedient hat. Denn auch viele erfolgreiche Clubs mit wohlklingenden Namen sind völlig überschuldet. Allen voran ist dafür in England der Erfolgsverein Manchester United zu nennen. "ManU" sitzt auf einem riesigen und noch dazu sehr teuren Schuldenberg. Da hilft es nicht viel, dass der Verein die Nummer drei unter den umsatzstärksten Fußballclubs in Europa ist. Einnahmen von knapp 330 Millionen Euro stehen Schulden in einer Höhe von 800 Millionen Euro gegenüber. Wieso spricht man aber von einem "Pleitestaat" Griechenland, dessen Gesamtverschuldung im laufenden Jahr auf 125 % des Bruttoinlandprodukts (BIP) steigen soll und schaut großzügig über Pleitevereine hinweg, deren Bilanz noch deutlich schlechter ausfällt?
Bankrott des Fußballs
Die Zinsen, die Griechenland bezahlen muss, fallen gegenüber denen noch gering aus, die die Glazer-Familie bezahlen muss. Denn die Familie aus den USA hat die Übernahme des Vereins weitgehend über Kredite finanziert. Für Anleihen bei Hedgefonds in einer Höhe von mehr als 200 Millionen Pfund müssen zum Beispiel Zinsen von 14,5 % gezahlt werden. Schon dieser enorme Risikoaufschlag zeigt an, dass es sich um eine sehr zweifelhafte und hoch spekulative Anlage handelt. Man kann solche Zinsen auch Wucher nennen und sie fressen die Erträge auf. Allein im vergangenen Jahr musste der Verein gut 75 Millionen Euro nur für die Zinsen aufbringen, also fast ein Viertel der gesamten Einnahmen.
Da ist es kaum ein Wunder, wenn die Schulden immer weiter steigen. Insgesamt, so schätzt die britische Zeitung Guardian, haben die Profivereine einen Schuldenberg in einer Gesamthöhe von vier Milliarden Euro angehäuft. Gemäß der letzten Schuldenstatistik, die der Vereinigung Europäischer Fußballverbände (UEFA) für das Jahr 2007-2008 veröffentlichte, seien das 56 % der Gesamtschulden, welche die Clubs in 53 nationalen Mitgliedsverbänden aufgetürmt hätten.
Das kommt aktuell aber nicht mehr hin, denn allein die Schulden der spanischen Erstligavereine belaufen sich auf etwa vier Milliarden Euro. Diese Zahl gibt Universitätsprofessor Jaume Llopis an, der in einem Beitrag vom Bankrott des Fußballs spricht. An der Spitze steht abgeschlagen Real Madrid. Mit fast 700 Millionen veranschlagt Llopis die offiziellen Schulden von Real Madrid. Inzwischen werden sie meist aber mit 800 Millionen so hoch angegeben wie die Schulden von Manchester.
Anders als der britische Club hat Madrid nun aber noch erhebliche Zusatzprobleme. Die Investitionen von 250 Millionen Euro, die allein 2009 zum Einkauf von drei Spielern getätigt wurden, haben sich sportlich (und damit auch finanziell) nicht ausgezahlt. Allein Link auf None. Doch während Manchester ohne Ronaldo in der Champions League das Viertelfinale erreichte, wurde Madrid in der vergangenen Woche schon im Achtelfinale von einem eher mittelmäßigem Olympique Lyon ausgeschaltet. Rund 60 Millionen Euro, so schätzen Experten, gehen Madrid an Einnahmen allein dadurch flöten.
Das Ausscheiden aus der Champions League tut den "Königlichen" in diesem Jahr besonders weh, weil das Endspiel 2010 in Madrid im Bernabeu-Stadion ausgetragen wird. Es wäre ein Heimspiel für Real Madrid geworden und darauf hatte der Club sehr hoch gepokert und verloren. Der Prestigeschaden, der den Verein viele Millionen kostet, ist hoch. Madrid kann sich in dieser Saison auch nur noch mit dem FC Barcelona um die Meisterschaft streiten. Die Katalanen, die stark auf eigenen Nachwuchs setzen, haben im vergangen Jahr die Meisterschaft gegen Madrid genauso gewonnen, wie sie es vereitelten, dass Bilbao Pokalsieger wurde. Um die Sache rund zu machen, gewannen sie auch noch die Champions League gegen Manchester United.
Mehr ist nicht drin und ganz anders sah es bei Real Madrid aus. Keine Meisterschaft und im Pokal wurden die "Galaktischen" aus Madrid ganz irdisch zwei Jahre in Folge von Drittligisten aus dem Pokal befördert. Wurden die Amateure aus dem baskischen Irun in der vergangen Saison zum Stolperstein für die Millionäre, wurden sie in dieser Saison von Alcorcón, einem Club aus einem Vorort Madrids, aus dem Pokal katapultiert.
Ist die Schuldenlast für viele europäische Vereine schon jetzt erdrückend, kommen auf die spanischen Clubs nun noch steigende Kosten hinzu. Mit Jahresbeginn fielen die Steuervergünstigungen nach dem "Beckham-Gesetz" für Neuverträge weg. Statt 24 % müssen die Clubs künftig für ihre Stars den Spitzensteuersatz von 43 % bezahlen. Denn die meisten Spieler handeln Nettoverträge aus, die Steuern und die Kosten für die Sozialversicherung übernimmt der Verein. Derzeit wird mit der sozialistischen Regierung verhandelt, nachdem die Profivereine im vergangenen Jahr sogar einen Fußballerstreik angedroht hatten. Während das klamme Spanien die Mehrwertsteuer in der schweren Wirtschaftskrise zur Einnahmensteigerung von 16 auf 18 % anheben will will], fordern die überschuldeten Vereine als Ausgleich für die Steuererhöhung, dass fortan der verminderte Steuersatz angewendet werden soll, der von 7 auf 8 % steigen wird.
Wachsende Steuerschulden
Es ist nicht auszuschließen, dass die ohnehin schon unpopuläre sozialistische Regierung einlenken wird, um nach dem Platzen der Immobilienblase das Platzen der Fußballblase in dieser Legislaturperiode zu vermeiden. Einige Vereine können sogar die Gehälter ihrer Kicker längst nicht mehr bezahlen, weil sie sich völlig übernommen haben. Bei den Zahlungen an die Staatskassen drücken die Regierungen aller Couleur in Madrid ohnehin stets sogar noch die Hühneraugen zu. Bis Ende 2008 hatten die Profivereine Steuerschulden von fast 630 Millionen Euro angehäuft.
Das ging aus einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage vom 21.November 2008 hervor. Dabei ist diese Summe noch geradezu lächerlich im Vergleich zu den fast fünf Milliarden Euro, welche die Clubs im Dezember 2008 der Sozialversicherung schuldeten. Auch das ging aus der regierungsamtlichen Antwort hervor. Man kann sich ausrechnen, wie lange damit vielen Menschen das ohnehin geringe "Sozialgeld" von 420 Euro bezahlt werden könnte, das im letzten Jahr krisenbedingt eingeführt wurde. Inzwischen erhalten Hunderttausende wegen der hohen Arbeitslosigkeit keinerlei staatliche Unterstützungsleistungen mehr, da auch dieses Sozialgeld nur sechs Monate gezahlt wird und dafür veranschlagte die Regierung 642 Millionen Euro. Sie könnte, wenn sie die Schulden der Profivereine eintreiben würde, auch noch einmal über die Anhebung des Renteneintrittsalters nachdenken.
Es ist auch nicht so, dass es dahingehend keine Initiativen gäbe. So hatte angesichts der Einkaufstour von Real Madrid im vergangenen Sommer die linksnationalistische Initiative für Katalonien/Grüne (ICV) im Parlament eine Gesetzesinitiative eingebracht, wonach ein Verein zunächst seine Steuerschulden begleichen müsse, bevor er viel Geld für neue Spieler ausgeben darf. Ministerpräsident Jose Luis Rodriguez Zapatero wurde auch aufgefordert, die spanische Ratspräsidentschaft zu nutzen, um europaweit eine Initiative zur Begrenzung der Profi-Gehälter auf den Weg zu bringen.
Doch die Regierung hat sich auch in der Frage, wie zuvor schon mit der Immobilienblase, in eine Sackgasse manövriert, weil sie dem Treiben zu lange zugeschaut hat. Würde sie jetzt damit beginnen, die Schulden der Vereine bei den Staatskassen einzutreiben, dann könnten etliche Vereine sofort Konkurs anmelden, die eigentlich mit den Bankschulden schon überschuldet sind. Dass es auch anders geht, hat der FC Barcelona gezeigt. Der Club liegt zwar bei den Einnahmen leicht hinter Madrid auf dem zweiten Platz vor Manchester, hat aber anders als diese beiden Vereine mit gut 200 Millionen Euro kaum Schulden. Gerade hat der Erfolgsclub aus Katalonien 60 Millionen Euro an das Finanzamt überwiesen und will damit seine Steuerschulden beglichen haben.
UEFA will "finanzielles Fairplay" einführen
Der Bürgermeister von Agüimes drückt in einem Beitrag den gesammelten Frust aus, der sich bei vielen in Spanien gerade in der Krise anstaut. "Während vielen einfachen Bürger von den Finanzämtern oder den Kassen der Sozialversicherung sogar noch ein Mikrowellenherd gepfändet wird, oder einige Kleinunternehmer wegen ihrem Zahlungsverzug sogar im Gefängnis landen, wachsen die Schulden der Fußballvereine Jahr um Jahr weiter an." Antonio Morales Méndez weist zudem darauf hin, dass diese Vereine schon 1985 und 1990 von den staatlichen Finanzsanierungen über das Sportgesetz profitiert hätten. Die Zahlungsmoral an die Staatskassen wurde durch das Gesetz 10/1990 nicht besser und heute spekulieren erneut viele Vereine auf eine Art Schuldenamnestie.
Doch von ganz anderer Seite wird es langsam ungemütlich für die Schuldenclubs. Inzwischen will die UEFA vor dem Treiben offensichtlich nicht länger die Augen verschließen. Die Unkultur, zu versuchen, mit viel Geld und Schulden sportliche Erfolge zu kaufen, mit der Real Madrid gerade so richtig an die Wand fährt, will der UEFA-Präsident beenden. Michel Platini will verhindern, dass Vereine, die längere Zeit im Minus operieren, an der Champions oder Euro League teilnehmen dürfen.
"Finanzielles Fairplay" will er erreichen und bis zur Saison 2012/2013 sollen verbindliche Budgetvorgaben aufgestellt werden. Wer mehr ausgibt, als er einnimmt, dürfe nicht mehr an europäischen Wettkämpfen teilnehmen, sagte Platini dem Daily Telegraph: "Wenn beispielsweise Manchester United im Jahr 300 Millionen Euro verdient, aber 400 Millionen Euro ausgibt, dann sagen wir: Nein."
In der neuen Studie European Club Footballing Landscape weist die UEFA auf 80 Seiten auch deutlich darauf hin, dass der Wettbewerb verzerrt ist. "Die europäischen Klubs, die weiterhin auf einer nachhaltigen Basis funktionieren – und wie dieser Bericht beweist, gibt es viele davon –, finden es immer schwieriger, mit den Klubs, deren Kosten und Transfersummen über ihren Mitteln liegen und die Jahr für Jahr Verluste ausweisen, mitzuhalten", schreibt Platini im Vorwort des Berichts.
Aufgezeigt wird, dass 54 Prozent der europäischen Erstligisten im Finanzjahr 2008 "einen operativen Verlust (vor Transfers) zu beklagen hatten". Die 20 schlimmsten Vereine hätten operative Verluste von 344 Millionen Euro ausgewiesen. Zählt man die Transfers und andere "nicht-operative Abrechnungsposten" hinzu, erreichten die Verluste in diesem Jahr sogar eine Höhe von 735 Millionen Euro.
Doch es ist vorprogrammiert, dass auch die europäische Fußballblase platzt, wenn die UEFA ihre Vorstellungen umsetzt. Denn dann können horrende Gehälter und Ablösesummen nicht mehr gezahlt werden. Mit den Spielern und den erhofften Transfersummen bei einem Verkauf decken viele Vereine scheinbar ihre extremen Schulden ab. Dazu gibt es keine Alternative, weil sich die Blase sonst auch in diesem Sektor noch weiter und gefährlicher aufbläht und eben später und heftiger platzen würde. Angesteckt würden zwischenzeitlich noch mehr Vereine von diesem Treiben und damit auch einige mit in den Ruin gerissen, die heute noch einigermaßen verantwortungsvoll wirtschaften.