Der Potus und die Europäer – ein Geopubertätstheater

Donald Trump balanciert Erdkugel auf Finger

Donald Trump: KI-generiert, Grafik: TP

Trump ist wieder im Weißen Haus. Im Kabinett plant er ein noch größeres Amerika. Wie das in seinem Kabinett wohl abläuft? Eine Glosse.

Zwei Wochen, bevor er inauguriert wird, ruft der neue Potus – also President of the United States – sein Kabinett zusammen. Mit entschlossen-suggestivem Blick schaut er in die Runde und sagt: "Kleines Brainstorming, in zwei Wochen fangen wir an. How can I make America even greater again? Was heißt das für meine Politik? JD, du hast Politik studiert, fang mal an."

Sein Vize JD Vance, der einen Bachelor in Politikwissenschaft hat, sagt: "Ich hab’ da mal was von David Easton gelesen. Politik hat drei operative Werte: Sicherheit, Wohlstand, Herrschaft."

"Okay", sagt Trump, "fangen wir bei der Sicherheit an. Ist ja definitiv das Wichtigste."

Außenminister Marco Rubio projiziert die Weltkugel auf den gigantischen Bildschirm im Oval Office, das Trump in Mar-a-Lago nachgebaut hat. "Wenn wir von oben schauen, das heißt vom Nordpol aus", sagt er, "dann sehen wir hier links uns, also die USA und den nordamerikanischen Kontinent. Auf der anderen Seite liegt Eurasien. Den größten Teil nimmt Russland ein. Darunter liegt China. Das ist unser Hauptfeind. Putin hat 2014 die Krim kassiert, jetzt versucht er seit drei Jahren vergeblich die ganze Ukraine. Deshalb haben ihn der Präsident, der gar kein Amerikaner war, und der Wahldiebpräsident mit Sanktionen belegt."

"Jetzt ist der Loser von Peking abhängig. Das vergrößert unser Problem mit China", sagt Sicherheitsberater Michael Waltz.

Potus schaut auf die projizierte Erdkugel, sieht, wie groß Russland ist, und fragt: "Wie groß ist Russland?"

Rubio, der sich für seinen Posten qualifiziert hat durch den Vorschlag, im Westjordanland hergestellte Waren als "Made in Israel" zu kennzeichnen, googelt Russland und sagt: "17 Millionen Quadratkilometer."

"Und wie groß sind wir?", fragt Potus.

Rubio googelt USA und sagt: "Knapp zehn Millionen."

CIA-Chef John Ratcliffe wirft ein: "Aber der größte Teil Russlands ist Sibirien, fast keine Russen."

Elon Musk, Wirtschaftsfachmann von Potus und selbst ernannter First Buddy, sagt: "Aber massenhaft Rohstoffe."

Potus deutet auf die Projektion und sagt: "Was für die Russen und Chinesen Sibirien ist, können für uns Kanada und Grönland sein. Gigantische, menschenleere Gebiete, massenhaft Rohstoffe. Wenn das uns gehört, sind wir Master of the Universe."

Einen Augenblick herrscht Schweigen im Raum. Think big. Nicht kleckern, klotzen. Musk sagt: "Dann sind wir von China unabhängig. Dann haben wir mehr Rohstoffe als Sibirien und China zusammen. Seltene Erden und alles."

Handelsminister Howard Lutnick: "Wir können die Chinesen totzollen."

Verteidigungsminister Pete Hegseth (Afghanistan, Irak, Guantánamo, Fox-News, Sexualdelikte, Alkoholmissbrauch): "Wir schieben unser Militär bis über den Pol nach Eurasien vor. Wir sind dann nicht nur die weltweit stärkste Militärmacht sondern auch die größte."

Finanzminister Scott Bessent: "22 Millionen km2. Gigantische Chancen für unsere Unternehmen. Der Dow Jones explodiert."

Arbeitsministerin Lori Chavez-DeRemer: "Millionen neue Arbeitsplätze."

Die Ministerin für Innere Sicherheit und Sicherheit vor woker Gender-Ideologie, Kristi Noem, wegen abfälliger Bemerkungen über Indianer mit einem Zutrittsverbot in diversen Reservaten belegt: "Damit lösen wir neben den Problemen Sicherheit und Wirtschaft auch gleich die Herrschaftsfrage. Das ist das definitive Ende von Deep State. Die Menschen werden dich vergöttern, Donald. Du wirst Präsident auf Lebenszeit. Und die Indianer schicken wir dorthin, wo sie hergekommen sind: in die Iglus nach Grönland."

"Das Maga-Projekt Arktis habe ich ja schon 2019 erfunden", sagt Potus: "Bin aber nicht mehr dazu gekommen, es umzusetzen. 2019/20 war tough. Musste meine Landsleute mit Desinfektionsmitteln vor dem China-Virus retten, dann vor dem schwarzen Mob, der monatelang wegen dieses Verbrechers George Floyd randaliert hat, dann vor dem Impeachment, nur weil Selenskyj die Beweise für die krummen Geschäfte des Wahldiebpräsidentensohns herausgeben sollte, dann auch noch die Unterstellungen, ich hätte 2016 und 2017 nur 750 Dollar Steuern, aber 130.000 Schweigegeld an diese Nutte gezahlt, das geschäftsklimaschädigende Pariser Klimaabkommen musste gekündigt werden, und dann kam auch noch Big Lie, dass ich die Wahl verloren hätte.

Aber jetzt haben wir freie Hand. Okay, ich gebe es heute in der Pressekonferenz bekannt. Wir wollen Panama, Kanada und Grönland.

Panama gehört uns. Wir haben den Kanal erfunden, wir haben den Kanal gebaut, sie schulden uns Milliarden. Kanada ist another Big Lie, haben die Franzosen in die Welt gesetzt, wollen Amerika schwächen. Diese Pussy Trudeau ist eh am Ende. Kanada muss mit uns fusionieren. Elise, wem gehört Grönland?"

UNO-Botschafterin Elise Stefanik googelt Grönland. Sie blickt Potus an: "Gehört Dänemark."

"Wo ist das?", fragt Potus.

Stefanik googelt. Sie hat bisher hauptsächlich an drei Fronten gekämpft, was sie für ihren Posten fast überqualifiziert: gegen Big Lie, gegen Great Replacement, also die von den Demokraten betriebene Umvolkung, mit der weiße Amerikaner ersetzt werden sollen, und gegen die antisemitischen Umtriebe der Präsidentinnen der Universitäten Harvard, UPenn und MIT.

"Dänemark ist ein winziger Kackstaat in Europa", sagt sie: "Gehört zur Nato, also uns."

Trump zeigt auf die Projektion. "Kannst du mal zoomen? Wie viele sind das dort eigentlich in der Nato?"

John Ratcliffe hilft aus: "31", sagte er.

"Was", sagt Trump, "so viele Länder auf diesem lächerlich winzigen Europa?"

"Ja", entgegnet Pete Hegseth, "deswegen haben die früheren Potuses ihnen aus Mitleid Sicherheitsgarantien gegeben. Grönland gehört ihnen überhaupt nur, weil wir dort seit mehr als 70 Jahren mit unserer Air Base die Russen und Chinesen abschrecken. Der König schuldet uns Billionen."

"Wie", so Potus, "die haben einen König?"

"Verschwenden dort unser Geld für ihre dekadenten Krönungszeremonien", sagt Musk, "während wir ihnen den Rücken freihalten."

"Die Truppenpräsenz in Europa kostet uns 43 Milliarden US-Dollar im Jahr", ergänzt Scott Bessent.

Alles klar, sagt Potus, denen werd ich’s zeigen. "Wieviel Schutzgeld zahlen sie, Russell?"

Russell Vought, Direktor des Office of Management und Budget, rechnet: "keine zwei Prozent ihres BIP, und davon verschwenden sie noch den größten Teil für ihr nutzloses, weil kampfunfähiges Militär."

"Das heben wir auf fünf Prozent an", sagt Potus. "Das gebe ich auf der Pressekonferenz auch gleich bekannt."

Meanwhile, in Europe

Die meisten Poteuses (Presidents of the European Union States) waren nicht glücklich mit der Rhetorik des Super-Potus auf der anderen Seite des großen Teichs, vor allem, was Kanada und Grönland betraf. Einige meinten, man kann nicht einfach fremde Territorien akquirieren.

Dadurch gebe man ein schlechtes Beispiel. Gleichzeitig freuten sich nicht wenige von ihnen, vorwiegend wertegeleiteten Vorkämpfer für die regelbasierte Freiheit der Welt und die gute Zivilisation, dass der Super-Potus mehr Rüstung wollte. Endlich bekamen sie die notwendige Unterstützung gegen jene Pazifisten und Appeasers, die sie den Russen ausliefern wollten.

Sie wussten: je mehr Waffen, desto mehr Sicherheit. Einig waren sie sich, dass sie Super-Potus mit Morgen-, Mittags- und Abendgaben besänftigen müssen. Eigentlich hatten sie gemeinsam ein paar Jahre zuvor vereinbart, sich zwei Prozent anzunähern, damit die Potuses ihnen gewogen bleiben.

"Zwei Prozent sind zu wenig", konzedierte der Erste. "Wir benötigen drei Prozent", sagte der Zweite. Ein selbsternannter germanischer Poteus-Kandidat nannte sich "Kriegswirtschaftsminister" und schlug 3,5 Prozent vor. Und der Warschauer Poteus erhöhte auf vier Prozent.

Die Europäer juckten den Super-Potus wenig. Er freute sich über die Unruhe, das Missbehagen und die Besorgnis, die unter ihnen ausbrach. Und First Buddy machte sich einen richtigen Spaß aus der Politik und sagte, der Bonsai-Poteus Keith Starmer, vor kurzem erst von den britischen Wählern zum Prime Minister gewählt, sei ein Trottel und soll wieder abhauen.

Das gleiche sagte er über den Berliner Poteus und rief die Deutschen auf zur Wahl einer Rechtsradikalen, die mit dem politischen System in ihrem Land und mit der Europäischen Union gleich viel anfangen kann wie Super-Potus und sein First Buddy.

Die Europäer nannten sich nur umso nachdrücklicher Verbündete und Partner von Super-Potus, obwohl oder gerade weil der neue mit ihnen anders umsprang als die etwas höflicheren Potuses vor ihm. Er sagte: "Ich erhebe jetzt neue Wegzölle für alles, was ihr in mein Land einführen wollt, und ihr müsst mehr Waffen und Öl und Gas und überhaupt in meinen Unternehmen kaufen, sonst kann euch der Russe haben."

Die Poteuses zitterten in ihren Residenzen und fragten sich wieder einmal, ob sie nicht doch stärker zusammenarbeiten und eine strategische Autonomie anstreben sollten.

Aber dann passierte, was immer in den vergangenen Jahrzehnten vorgefallen war, wenn sie sich die Frage nach mehr sicherheitspolitischer Kooperation gestellt hatten: Sie waren sich nicht einig, hängten zum Zeichen der Unterwerfung ihr Fähnchen in den Wind, erklärten die Freundschaft mit Potus für unverzichtbar, versuchten bei ihm einen Termin zu bekommen, schwänzelten um ihn herum, luden ihn ein, hofften inständig, dass er sie doch einmal besuche, und verhielten sich so, wie Super-Potus und sein First Buddy sie vollkommen richtig eingeschätzt hatten.

Dann kreuzten sie fleißig die Einkaufslisten von Lockheed Martin, Raytheon Technologies, Boeing, Northrop Grumman usw. an, die ihnen Howard Lutnick auf Geheiß seines Chefs vorab übermittelt hatte.

Und dann gab es noch EU-Experten, die ihre Aufgabe darin sahen, in dem ganzen Geopubertätstheater Sinn zu erkennen. Sie sprachen von der Großraumtheorie Carl Schmitts, die schon Denkfolie der Neokonservativen in den USA gewesen sei, und von den theoretischen Traditionen Karl Haushofers, die sich in US-amerikanischen Denkschulen in der Disziplin der Internationalen Beziehungen wiederfänden.

Geopolitikspezialisten erklärten, der Kampf um die Arktis habe schon lange vor Trump begonnen. Andere betonten, nicht Potus und Elon Musk seien der Hauptfeind, sondern Putin.

Die Potus-Versteher von der FAZ sagten, es sei "nicht völlig aus der Luft gegriffen", wenn Donald Trump Amerikas Sicherheitsinteressen in Grönland auch mit chinesischen Schiffen begründet. Man müsse verstehen, dass Potus den Besitz und die Kontrolle Grönlands aus Gründen der nationalen Sicherheit und zum Schutz der freien Welt als "absolute Notwendigkeit" versteht.

Ein deutscher Finanzexperte meinte, man solle mehr First Buddy wagen. Die Neue Zürcher Zeitung warb für den "verkannten Trump" und zeichnete das "Porträt eines politischen Genies".

Und der deutsche Kriegstüchtigkeitsminister vertrat die Auffassung, man benötige neue Fregatten, denn Deutschland müsse seiner internationalen Verantwortung gerecht werden und nicht nur in der Taiwan-Straße, sondern auch in der Nordostpassage zwischen Arktis und Russland Flagge zeigen. Die meisten sagten, sie fänden nicht alles gut, was Super-Potus und sein First Buddy machten, aber wo sie recht hätten, hätten sie recht.

Also blieb alles, wie es war. Nur noch schlimmer.

August Pradetto, geb. 1949 in Graz, Dr. phil., Professor em. für Politikwissenschaft an der Universität der Bundeswehr Hamburg.