Der Präsident der Reichen will gegen die Armut kämpfen
Jeder fünfte Franzose kann sich keine drei Mahlzeiten am Tag leisten. Diese Woche will Macron einen Plan zur Bekämpfung der Armut vorlegen
In der Selbstdarstellung fliegen die Pläne noch hoch hinaus. Man wolle den Sozialstaat für das 21. Jahrhundert erfinden, sagen Berater im französischen Präsidentenpalast. In der Realität ist vom großen Plan noch nicht viel zu sehen.
Heute ist auf vielen Medienseiten eine Meldung zu lesen, wonach "sich jeder fünfte Franzose, was Möglichkeiten, jeden Tag Obst und Gemüse zu kaufen, angeht, in einer prekären Situation befindet.
Durchgeführt wurde die Studie vom baromètre Ipsos-Secours populaire. Sie besagt, dass sich die finanziellen Verhältnisse eines Teils der Franzosen im Vergleich zum Vorjahr etwas verbessert hätten, dass sich aber Zeichen des Schlechter-Gestellt-Seins bzw. der Armut nicht oder kaum verändert haben.
Dazu gehören Aussagen, dass man sich Reisen und Kultur schlecht leisten könne. 41 Prozent gaben an, dass sie Schwierigkeiten haben, die Kosten dafür aufzubringen, ein Mal im Jahr wegzufahren. Im letzten Jahr waren es noch 45 Prozent, was wohl unter die leichten Verbesserungen fällt.
Noch markanter herausgestellt werden die prekären Lebensverhältnisse bei den Ausgaben für medizinische Hilfen oder Unterstützung. Jede(r) Dritte gab an, dass sie oder er Schwierigkeiten damit habe, Extrakosten, wie etwa Zahnersatz, zu berappen.
Kinder künftig verwundbarer gegenüber Armut
Der Secours Populaire Français, der die Umfrage in Auftrag gibt, ist eine humanitäre Organisation in Frankreich, die sich der Armutsbekämpfung verschrieben hat. Dass laut Ipsos 80 Prozent der befragten Franzosen der Auffassung sind, dass ihre Kinder "verwundbarer" gegenüber der Armut sind als die Generation, welcher die Befragten angehören, sagt schon etwas über die Stimmung im Land.
Dem Pessimismus der Franzosen wollte sich Macron entgegenstellen. Sein weitgespanntes Projekt zur Erneuerung der Republik hatte auch das Gefälle zwischen arm und reich zum Thema. Zumindest in Ankündigungen. Er wollte gegen die Ungleichkeit vergehen, versprach er.
Schlechte Werte für den Visionär
Allerdings hat seine Glaubwürdigkeit sehr gelitten - bis auf einen Punkt. Nur 35 Prozent der Franzosen glauben laut einer aktuellen Umfrage noch daran, dass der Präsident eine "Vision für die Zukunft hat". Ende Juni waren es immerhin noch 45 Prozent. Der Präsident sei in der Wahrnehmung der Bevölkerung aufs Normalmaß geschrumpft, berichtet Le Monde aus dem Umfrage-Spiegel.
Überall zeigen sich demnach Zweifel, eine Mehrheit der Befragten (54 Prozent) gibt es für Macron einzig beim Punkt "Verteidigung der nationalen Interessen im Ausland". Möglich, dass Macron versucht sein könnte, sich mit militärischen Aktionen in Syrien aus dem Beliebtheitstief ("Mehr als zwei von drei Franzosen sind der Ansicht, dass Macron kein guter Präsident ist") herauszuhangeln.
Ob er es mit seinem Kampf gegen die Armut schafft, ist ziemlich ungewiss. Bislang fiel Macron mit Äußerungen über Sozialleistungen und Soziallsitungsempfänger auf, die das Bild eines arroganten, marktradikalen Schützlings der Elite festigten. Er gilt als Präsident der Reichen ("président des riches"). Der von ihm angekündigte plan pauvreté, Plan zur Bekämpfung der Armut, soll dieses Image korrigieren und zeigen, dass seiner Regierung eine Reform zum Besseren im sozialen Bereich gelingen kann.
Der Start war nicht gut. Ursprünglich wollte Macron den Plan schon im Juli vorstellen, aber er verschob ihn, die Gründe überzeugten die französischen Medien nicht. Jetzt stellt er ihn diese Woche vor. Der Aufschub wird ihm in den Leistungsbilanzen der Medien schlecht angerechnet.
Frühstück umsonst, automatische Mindestsicherung und Familienhilfe
Auch bei der Reform der Sozialleistungen gilt das Macron-typische Phänomen, der erhebliche Unterschied zwischen Ankündigung und dem, was dann möglicherweise realisiert wird. So gibt es den Plan, dass alle sozialen Leistungen, weil das administrativ besser wäre, in einer Hilfe - "aide sociale unique" - zusammenzufassen.
Das wurde für 2020 ins Auge gefasst, ob das aber bis dahin umgesetzt werden kann, ist die große Frage. Die einzelnen Teile der Sozialleistungen, angefangen vom RSA, der sozialen Mindestsicherung, bis zur Beschäftigungspräme (prime d’activité), zusammenzulegen, wird Wirbel verursachen und Macron hat nicht viel Vertrauen gewonnen hat.
So kann man sich eher auf kleine Schritte einstellen. So zum Beispiel soll die soziale Mindersicherung künftig nicht auf bürokratisch aufwändig beantragt werden, sondern automatisch fließen, wenn die Bedingungen stimmen. Als weitere Schritte werden Familienhilfen genannt.
In Frankreich sind besonders Kinder von Armut betroffen. Alleinerziehende, ärmere Familien und solche mit mehreren Kindern sind das Ziel von Maßnahmen wie Unterstützung bei der Betreuung, Frühstück umsonst für Kinder in Kantinen, freier Krippenzugang, die in der Summe eine erhebliche Erleichterung verschaffen sollen.
Das Ziel seiner Sozialpolitik sei es, dass sich die Menschen aus ihren schlechten Bedingungen befreien können, erklärte Macron. Mitte der Woche will er dann vorlegen, wie der konkrete Rahmen dazu aussieht.