Der Raum ist selbst ein Akteur des großen Schauspiels!
- Der Raum ist selbst ein Akteur des großen Schauspiels!
- "Jenseits des Mondes ist nichts mehr von der Menschheit detektierbar"
- "Eine andere Sicht auf die Dinge der Welt"
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Der Physiker und Ex-Astronaut Ulrich Walter im Gespräch - Teil II
Ulrich Walter studierte Physik und promovierte an der Universität Köln mit Gastaufenthalten am Forschungszentrum Jülich, am Hochflussreaktor ILL Grenoble und in Chicago sowie Berkeley (USA). 1987 wurde er ins Deutsche Astronautenteam berufen, bevor er 1993 an Bord der "Columbia" im Rahmen der D-2-Shuttle-Mission als Wissenschaftsastronaut zehn Tage im All war. Seit März 2003 leitet er den Lehrstuhl für Raumfahrttechnik an der TU München. Anlässlich seines neuen Buches "Im Schwarzen Loch ist der Teufel los" kam es mit dem Physiker zu einem aufschlussreichen Interview (Teil 1), dessen zweiter Teil jetzt folgt.
Stichwort intelligentes Leben. Sie haben in Ihrem aktuellen Buch die Häufigkeit von intelligentem Leben im Universum auf gewöhnliche Weise numerisch extrapoliert.
Ulrich Walter: Gehen wir von der schlichten Tatsache aus, dass in unserem Universum zumindest eine Spezies existiert, die Geist und Bewusstsein herausgebildet hat: nämlich unsere. Nehmen wir an, die Evolution zu intelligentem Leben ist sehr unwahrscheinlich, was die Evolutionsbiologen vermuten. Da unser Universum aber im Prinzip unendlich groß ist, erschlägt diese Unendlichkeit jede noch so geringe Wahrscheinlichkeit.
Mehr noch, allein unsere Existenz impliziert, dass es darin unendlich viele außerirdische Kulturen geben muss. Gleichwohl werden wir niemals in Kontakt mit anderen Zivilisationen treten können, weder direkt noch per Funk, denn die räumlichen Abstände zu ihnen tendieren ebenso gegen unendlich. Es ist dabei irrelevant, ob diese fast unendlich weit weg oder doch bereits in einer benachbarten Galaxie in zehn Millionen Lichtjahre Entfernung leben. Sie sind allemal unerreichbar fern.
Aber wenn im Zuge des Urknalls die Materie bzw. Antimaterie in die Welt trat, diese praktisch im Zuge des Big Bang generiert wurden, dürfte doch nur eine begrenzte Masse von Materie im Weltenraum vorhanden sein. Sie würde zwar den Gesetzen der Entropie folgend nicht abnehmen, könnte aber auch nicht zunehmen. Somit dürfte es in einem historisch gewachsenen Universum keine unbegrenzte Anzahl von Galaxien geben - und ergo keine unbegrenzt hohe Anzahl extraterrestrischer Zivilisationen. Dies aber schreiben Sie in ihrem Buch!
Ulrich Walter: Diese Logik wäre nur dann richtig, wenn das Universum positiv gekrümmt wäre, was im Allgemeinen angenommen wird. Ein ebenes oder negativ gekrümmtes Universum kann eine Topologie haben, die bereits beim Urknall unendlich groß war. Seit der Inflation und darauffolgenden ewigen Expansion breiten sich die unendlich vielen Massen in diesem unendlich großen Raum unendlich weiter aus. Das ist kein logischer Widerspruch, sondern die gnadenlose Logik von "unendlich".
Sie haben dargelegt, wie hoch der Aufwand selbst für eine fortgeschrittene außerirdische Kultur wäre, in einem Radius von mehr als 1000 Lichtjahren über einen längeren Zeitraum in alle Himmelsrichtungen zu senden. Es wäre ein enorm hoher Zeit- und Energieaufwand. Auch mit SETI (Search for Extraterrestrial Intelligence) gehen Sie hart ins Gericht.
Ulrich Walter: Nein, ich bin eher ein Befürworter der SETI-Idee. Auch wenn ich nicht an die Existenz vieler intelligenter Lebensformen im Kosmos glaube, so erfüllt SETI doch eine wichtige Aufgabe. Ich muss vorausschicken, dass die SETI-Wissenschaftler bis heute nicht den geringsten Hinweis in Form eines Radiosignals gefunden haben, dessen Absender außerirdischen Ursprungs war.
Es gibt aber auch bislang keinen Beweis dafür, dass wir allein sind. Erst wenn wir über Jahrhunderte hinweg den Himmel auf alle Frequenzen gescannt und in alle Richtungen durchmustert und wir immer noch kein Signal erhalten haben, wäre dies für mich ein starker Hinweis, dass wir alleine sind. SETI könnte also unbeabsichtigt genau das beweisen, was deren Protagonisten gar nicht beabsichtigt haben. Sollte SETI umgekehrt ein Signal detektieren, wäre dies die größte Errungenschaft der Menschheit. Aber dazu wird es nicht kommen. Das ist meine Vermutung.
2015 hat der russische Milliardär Yuri Milner einige SETI-Projekte mit einer Finanzspritze von 100 Millionen Dollar aufgewertet. 2016 schlug er dann zusammen mit Stephen Hawking in einer vielbeachteten Pressekonferenz vor, in 20 Jahren eine Flotte von Nanosonden in das erdnächste Sonnensystem zu schicken, die dort in astrobiologischer Mission Lebensformen nachweisen sollen. Was halten Sie von diesem utopischen Vorschlag, der eher wie eine Presseente wirkt?
Ulrich Walter: (lacht) Ich halte nicht viel davon. Aber Sie müssen dies von einer anderen Warte aus sehen und beurteilen. Man darf nicht vergessen, dass ein solches Projekt eine gigantische Angelegenheit für junge Studenten und Leute ist, die sich für Physik begeistern. Denken Sie nur an den Google-Lunar-X-Prize oder den Space Elevator. Allein die Bekanntgabe solcher Visionen spornt Studenten und andere junge Leute an. Manchmal muss man Visionen in den Raum setzen, die unerreichbar fern scheinen. Es reicht eben nicht aus, irgendeine Formel an die Tafel zu schreiben. Man muss es mit einem praktischen Beispiel konkretisieren.
Wer es besser verstehen will, muss sich in der Praxis damit auseinandersetzen. Aber zurück zu den Nano-Raumschiffen. Die Idee, die dahintersteckt, ist folgende: Wir bauen einige tausend Mini-Satelliten und platzieren diese in die Erdumlaufbahn. Dann ballert ein auf der Erde stationiertes Arsenal von etwa 150 Laserkanonen mit einer Leistung von bis zu 100 Gigawatt zwei bis drei Sekunden lang nacheinander auf einen Satelliten und beschleunigen ihn so auf 20 Prozent der Lichtgeschwindigkeit. Das entspräche in etwa einer Beschleunigung von 3000 g. Dies jedoch würde keine Chip-ähnliche Struktur aushalten. Völlig unklar ist, ob sich bei einer derart hohen Beschleunigung die Flotte überhaupt geschlossen nach Alpha Centauri bewegt. Ich befürchte eher, dass sich beim ersten Impuls die einzelnen Mini-Sonden wie eine Schrotkugel in verschiedene Richtungen verlieren.
Aber angenommen einige Nano-Satelliten erreichen das Centauri-System - wie sollen die mit einer Kamera und einer kleinen Batterie bestückten Sonden ihre Daten zur Erde senden? Wie sollen dabei die winzigen Nano-Batterien es schaffen, Bilder mit einem Datenvolumen von einem Megabyte zu übertragen? Wie soll ein kleiner Sender diese Datenmenge bewältigen und zur Erde schicken? Die Roboter werden pro Einheit maximal ein Bit pro Jahr senden können. Das kann nicht funktionieren.
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