Der Sieg in Afghanistan?

Seite 2: Die Unsicherheit im Land nimmt zu

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Der Eindruck ist im Gegenteil, dass die Unsicherheit im Land zunimmt. Wie der Afghanistan-Kenner von Afghanistan-Analysts, Thomas Ruttig, in seinem detaillierten und sachkundigen Bericht zu den "Sicherheitstrends 2017" (veröffentlicht Ende Januar 2018) beschreibt, sind die objektiven Indikatoren über die Jahre weniger geworden.

Es gebe weniger Quellen und weniger Transparenz. Als Beispiel nennt Ruttig neben anderen die Aufzeichnung von sicherheitsrelevanten Zwischenfällen, von verwundeten oder getöteten Soldaten. Entsprechende Nato- oder US-Aufzeichnungen darüber seien mit Dezember 2014, als das Mandat in Resolute Support geändert wurde, eingestellt worden.

Seinem ausführlichen Bericht ist zu entnehmen, wo Lücken für an der genauen Situation Interessierte gefüllt werden können, eine Station wäre etwa die UNAMA, wo zivile Opfer unter der afghanischen Bevölkerung aufgezeichnet werden.

Ruttigs Bericht ist gar nicht optimistisch. Der erklärte Gegner von Abschiebungen von Flüchtlingen nach Afghanistan berichtet anhand nachvollziehbarer Indizien, dass das Land für Bewohner gefährlicher wird. Die Gewalt haben zugenommen und sei mehr verbreitet als zuvor. Die "Arbeitshypothese" für Rückführungen des deutschen Innenministeriums, wonach Teile Afghanistans sicher seien, widerlegt Ruttig.

Über die Hälfte der Regierungsdistrikte sind umkämpft

Zu den relevanten Indizien gehört der Stand der Dinge darüber, wie viel Gebiete die Regierung kontrolliert und wie viele die Taliban. Seit langem gibt es hierzu Ergänzungen oder Präzisierungen vom Long War Journal zum SIGAR-Bericht.

Das Long War Journal (LWJ) erklärt, dass seine Zahlen aktueller sind und die Stärke der Taliban weniger vertuschen. SIGAR habe eine eigene Kategorie - "von Taliban beeinflusst" -, um die afghanischen Regierungsdistrikte zu markieren. Beim LWJ zähle man diese Kategorie zur Kategorie mit den Namen "umkämpft".

Die drei Kategorien ("von der Regierung kontrolliert", "von den Taliban kontrolliert" und "umkämpft") würden genügen, um sich ein klares Bild zu machen.

Im SIGAR-Bericht, der sich auf Daten bis Ende Januar 2018 stützt, kontrolliert die afghanische Regierung 229 Distrikte von insgesamt 407. Das sind 56,3 Prozent. Die Taliban kontrollieren oder beeinflussen 59 Distrikte (14,5 Prozent). 119 Distrikte (29%) sind umkämpft.

Nach Information des LWJ kontrolliert die afghanische Regierung lediglich 159 Distrikte (39 Prozent) und die Taliban 39 (9,5%). Etwa die Hälfte, 200 Distrikte, 49 Prozent, sind umkämpft. Von neun Distrikten (2 Prozent) sie dem Journal der Status nicht bekannt.

Aus dieser Aufreihung ergibt sich die Ansicht, dass die Regierung in 239 Distrikten, mit 59 Prozent anteilig weit über der Hälfte, keine sichere Kontrolle hat, da diese in 39 Fällen in den Händen der Taliban ist und die Regierungshoheit in 200 Distrikten bekämpft wird.