Der Tag X
Während in Camp David der Krieg gegen den Irak diplomatisch vorbereitet wird, wappnen sich auch die Medien für das große Quotenereignis
Wenn nicht etwas Überraschendes geschieht, beispielsweise Hussein doch noch mit der Hilfe der USA ins Exil geht - vielleicht öffnet Präsident Bush ihm ja in den USA die Türen -, wird eher früher als später die Invasion beginnen. Die Medien haben sich schon entsprechende Fenster für den Showdown der Supermacht und ihrer Alliierten gegen den abgehalfterten Tyrannen eingerichtet, der auf seinen nur noch kläglich sprudelnden Ölfeldern sitzt.
Wenn es denn zutrifft, dass das Pentagon die Medien stärker als bislang an der "Mütter der Schlachten" beteiligen wird, um Zuhause und in der Welt für die richtige Stimmung und den Eindruck der Überlegenheit der US-Truppen zu sorgen, werden die Menschen womöglich bald in der ersten Reihe sitzen, um mitzuerleben, was an der Front geschieht.
Beim Afghanistan-Krieg hatten sich die Medien noch einmal darüber beschwert, dass sie nicht mit den kämpfenden Truppen mitziehen durften und überhaupt nur aus der Ferne über die Kampfhandlungen gewissermaßen aus zweiter Hand berichten konnten. Kriege bringen Quote, vor allem dann, wenn Bilder gezeigt werden können. Während im ersten Krieg gegen den Irak CNN der einzige ausländische Sender vor Ort war, der den Himmel über der Hauptstadt Bagdad und einige Lichter in den Nächten zeigten, die Raketen oder Abwehrfeuer waren, so hatte sich in Afghanistan mit al-Dschasira ein arabischer Konkurrent in Kabul angesiedelt, der nun zumindest einige Bilder, dafür aber auch manche Interviews mit Bin Ladin zeigte. "Zufällig" wurde das Redaktionsgebäude in Kabul alsbald jedoch von einer amerikanischen Bombe getroffen.
Doch jetzt haben die Pentagon-Medienstrategen erkannt, dass es vermutlich besser wäre, wenn man selbst die Bilder liefert, indem man einige "geschulte" Journalisten sie machen lässt, die in Truppenverbänden "eingebettet" sind. Das gibt den Anschein einer unabhängigen Berichterstattung, die man gleichwohl vor Ort gut kontrollieren und zensieren kann, zumal die Journalisten auch nur dorthin kommen werden, wo man sie haben will. Sollte die Erfolgsstory für den Schlachtherrn Bush weniger gut wie erwartet ausfallen, dann wird man davon eben nichts sehen. Dafür dürften sowohl die Sender als auch die Journalisten sorgen, die die Ehre haben, profitabel ganz vorn dabei zu sein, und vermutlich nicht riskieren werden, wegen Unfolgsamkeit sofort vom Schauplatz ausgesperrt zu werden. Es ist ein Geschäft für beide Seiten. Leichen und Verletzte wird man in diesem "sauberen" Krieg vermutlich ebenso wenig sehen wie im letzten. Bei dem hatte man auch schon mal mit Raupen die Tausenden von getöteten Irakern in den Gräben zugeschüttet, bis die Journalisten kamen und dann verwunderlicherweise nur noch leere ausgebrannte Panzer und Fahrzeuge sahen.
Unlängst gab es einen kritischen Bericht im ZDF über die Berichterstattung der US-Medien im Irak. Skrupel seien den amerikanischen Fernsehsendern fremd: "Die Konkurrenz ist groß, der Ton ist einhellig: Showdown Irak ... Die Interessen von Kriegsplanern und möglichen Kriegsberichterstattern treffen sich in diesen Tagen. Militär und macht, schöne Bilder von Stärke - Bilder mit eigener Dynamik. Und keiner kann es sich leisten, nicht dabei zu sein."
Das stimmt, und trifft auch auf das ZDF zu, das auch bereits einen Journalisten in Kuwait stationiert hat, der schon einmal seine "Notizen am Rande eines möglichen Krieges" dem deutschen Publikum preisgibt und auch wieder (selbst)kritisch untertitelt: Frontbericht als "Sexy Stuff. Wer weiß, ob man dort auch an der Front mit dabei sein darf. Aber Medien müssen sich auch wappnen, zumal wenn es sich um eine lange angekündigtes Ereignis handelt, das ähnliche Zuschauergier wie die völlig überraschend erfolgten WTC-Anschläge auslösen dürfte, bei dem der erste Einschlag nur zufällig gefilmt wurde. Weil Fernsehen ohne Bilder nichts ist, war man also beim ZDF schon aktiv und hat einige Filme oder zumindest Vorschaubilder für den "Tag X" vorbereitet. Die lassen sich dann als Hintergrund benutzen, bis man an die echten und authentischen kommt.
Das mag zynisch aussehen, ist aber natürlich ganz rational, wenn das erwartete Ereignis nahezu unvermeidlich, aber sicherlich ebenfalls überraschend beginnt. Ungeschickt war es nur, dass die Filme so auf den Servern abgelegt wurden, dass listige Besucher sie auch schon zuvor sich anschauen können. Vielleicht sind sie auch nur zufällig mit ihren Eingaben in die ZDF-Suchmaschine über das Versteck mit den Bildern für das antizipierte Ereignis gestolpert. Und machte ein Leser von Telepolis darauf aufmerksam. Man kann sich also schon ein wenig umschauen und sich mental darauf vorbeiten, was wir irgendwann demnächst im ZDF in Sachen "kuwait_invasion", "saddam_portraet", "vorbereitung_israel", "propagandakrieg" vielleicht zu sehen bekommen. Noch steht dabei: "BITTE NICHT VERWENDEN !!!, Nur für Tag X".
Danach müsste es dann, wenn es nach den Medien ginge, freilich andere Bilder geben. Sehen sollen wir aber wohl nur, wenn es nach dem Pentagon geht, den heroischen Kampf der Guten und wahrscheinlich einen sauberen und schnellen Sieg. Allerdings dürften Bagdad oder al-Dschasira auch im Propagandakrieg mitspielen, wenn der Irak nicht gleich zu Beginn von jeder Verbindung nach außen abgeschnitten wird (Schon wieder eine neue "Wunderwaffe").