Der Tanz der Eiszeiten: Ein Blick ins Holozän

KI generierte Illustration

Wie astronomische Zyklen das Erdklima formen und welche Lehren wir daraus ziehen können. Mit Michael E. Mann in die Klimawissenschaft eintauchen, (Teil 2 und Schluss).

Letzten Endes war ein konkretes Ereignis ursächlich verantwortlich für das Aussterben der Dinosaurier. Es war ein Einschlag, dessen Krater in den 1970er-Jahren auf der mexikanischen Halbinsel Yucatán, ironischerweise auf der Suche nach fossilen Brennstoffen, entdeckt wurde.

Nuklearer Winter

Der etwa 180 Kilometer breite Einschlag, heute als Chicxulub bekannt, ist der "Fußabdruck" eines Asteroiden der auf der Erde mit der fast unvorstellbaren Wucht von rund 100 Millionen bis 10 Milliarden Hiroshima-Bomben einschlug. Es dauerte eine Weile, bis man begriff, was man gefunden hatte. Erst 1980 wurden die Folgen verstanden.

Das vierte Kapitel des Buches von Michael E. Mann, dessen spektakuläre Erdgeschichte wir im ersten Teil schon verfolgt haben, heißt "Mächtiger Brontosaurus: Hast du keine Lektion für uns?" (im Original: "Mighty Brontosaurus: Don’t You Have a Lesson for Us?").

Es beschreibt, wie großen Mengen von Staub und Trümmern, die durch den Einschlag in die Atmosphäre geschleudert wurden, den Planeten überzogen.

Denn sie, das war das verheerende, verweilten jahrelang in der Atmosphäre und reflektierten einen beträchtlichen Teil des einfallenden Sonnenlichts zurück in den Weltraum. Das löste eine Art ewigen Winter aus, währenddessen die Photosynthese stark eingeschränkt wurde. Zu den Opfern gehörten viele große Landtiere, unter ihnen auch die Dinosaurier.

Zurück zu 1980: Damals eskalierte das nukleare Wettrüsten zwischen den USA und der UdSSR. Es drohte ein globaler thermonuklearer Krieg. Das Wissen über die möglichen Konsequenzen eines solchen Einsatzes von Atomwaffen kam demzufolge gerade rechtzeitig.

Der Untergang der Dinosaurier als Blaupause für einen menschengemachten nuklearen Winter führte letztendlich auch zu bilateralen Rüstungsabkommen.

Und da gibt es noch eine weitere Lektion, die der mächtige Brontosaurus für uns bereithält: Es gibt immer eine Gewinner- und eine Verliererseite. Obwohl die nicht-vogelartigen Dinosaurier ausstarben, waren kleine, spitzmausgroße Säugetiere die großen Gewinner.

Sie sind unsere Vorfahren unter den Säugetieren. Weil es keine Raubtiere mehr gab, konnten die kleinen Säugetiere gefahrlos aus ihren Löchern und Ritzen hervorkommen. Sie entwickelten sich schließlich prächtig und besetzten die verschiedenen neu entstandenen Nischen.

Michael E. Mann, Moment der Entscheidung

Treibhauseffekt

Der allgegenwärtige, menschengemachte, beschleunigte Klimawandel ist der krasse Gegensatz zum vermeintlichen nuklearen Winter. Der Prozess funktioniert ähnlich der Abkühlung: Sich gegenseitig verstärkende Rückkopplungsprozesse können zu einem Aufschaukeln des klimatischen Zustands führen.

Im Zuge einer übermäßigen Erwärmung kommt es schließlich zu Abschmelzungsprozessen und es könnte – das ist einer der entscheidenden Punkte – zu, in unseren zeitlichen Maßstäben gemessenen, irreversiblen Prozessen führen, wie etwa die Freisetzung von Methan.

Um diese möglichen Gefahren besser beurteilen zu können, hilft auch ein Blick weit zurück in die Vergangenheit. Im fünften Kapitel des Buches "Treibhaus Erde" (im Original: "Hothouse Earth") ist zu lesen, dass es vor etwa 55 Millionen Jahren das sogenannte "Paläozän-Eozän-Wärmemaximum", kurz PETM, gab.

Damals erwärmte sich der Planet sehr schnell, geologisch betrachtet. Für unsere Maßstäbe sind die 170.000 bis 200.000 Jahre natürlich schon noch eine lange Zeit, gibt es unsere Art, den Homo Sapiens, ja gerade mal seit rund 300.000 Jahren, weiter zurückreichende fossile Funde gibt es (noch?) nicht.

Binnen dieser kurzen Epoche gelangten vergleichsweise viel Treibhausgase, vor allem wohl CO2, in die Atmosphäre, was die hohe Geschwindigkeit der daraus resultierenden Erwärmung erklärt.

Dieses natürliche Ereignis ist eine durchaus passende Analogie für das "Experiment", das wir aktuell durchführen. Zur Orientierung: Während des PETM stiegen die globalen Durchschnittstemperaturen um etwa 5 °C, ausgehend von einer Basislinie, die bereits etwa 10 °C wärmer war als heute.

Geschätzte Veränderungen der globalen Durchschnittstemperatur der letzten 24.000 Jahre. Der einzigartige Augenblick (siehe Original-Buchtitel "Our Fragile Moment") wird durch den Zeitraum von vor etwa 6.000 Jahren bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts definiert (hier: der "Nullpunkt" der Zeitachse). Entnommen aus "Moment der Entscheidung" (2024), © 2023 Michael E. Mann, all rights reserved

Eine wichtige Erkenntnis

In dem Zusammenhang erscheint es wichtig, dass es, obwohl der CO2-Eintrag, der das PETM auslöste, nur "wenige tausend Jahre lang" erfolgte, noch 200.000 Jahre lang "sehr warm" blieb. Das ist für uns eine wichtige Erkenntnis in Bezug auf unsere schädlichen Hinterlassenschaften, zumal wir der Atmosphäre durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe heute sogar noch schneller CO2 zuführen.

Neben der Wärme gibt es im Übrigen einen anderen sehr wichtigen Aspekt: die zunehmende Luftfeuchtigkeit. So kann der Mensch hohe, trockene Temperaturen länger widerstehen, als wenn diese in Kombination mit hoher Luftfeuchtigkeit auftreten. Zu Zeiten des PETM war es auf der Erde vermutlich sowohl sehr heiß als auch extrem feucht gewesen.

Die Problematik lässt sich am besten mit der Kühlgrenztemperatur, der tiefsten Temperatur, die sich durch direkte Verdunstungskühlung in einer bestimmten Umgebung erreichen lässt, beschreiben. Dabei ist eine Kühlgrenztemperatur von 32 °C auch ohne körperliche Aktivität gefährlich.

Bereits heute sind wir gar nicht mal mehr so weit davon entfernt. Während des Frühjahrs 2022 wurden schon Anfang Mai Kühlgrenztemperaturen von 30 °C erreicht.

Das verdeutlicht, dass CO2, wenn es erst einmal in die Atmosphäre gelangt ist, tendenziell sehr lange dort verbleibt. Die Luftverschmutzung durch CO2, das wir bereits in die Atmosphäre eingebracht haben, wird den CO2-Gehalt und die Temperaturen noch mehr als 1.000 Jahre lang hoch halten, wenn das atmosphärische CO2 nicht in erheblichem Maße entfernt wird.

Das bedeutet, dass unser einzigartiger Augenblick selbst dann bedroht sein durfte, wenn wir sofort mit der Verbrennung fossiler Brennstoffe aufhören und unsere CO2-Emissionen rasch auf Null senken.

Michael E. Mann, Moment der Entscheidung

Die heutige Zwischeneiszeit: Das Holozän

Immer wieder kam es in der Erdgeschichte zu Eiszeiten, was auch viel mit der Erdumlaufbahn zu tun hat. So gibt es bekanntlich eine jahreszeitliche Schwankung beim Abstand zwischen Erde und Sonne, aber auch astronomische Zyklen, welche die Umlaufbahn der Erde bestimmen.

Insbesondere unterscheidet sich die Form der Erdumlaufbahn, die sogenannte Exzentrizität oder auch Elliptizität schwankt in einem etwa 100.000-jährigen Rhythmus. Mal ist die Umlaufbahn kreisförmiger, mal elliptischer.

Das Ausmaß der Schwankungen bestimmt letztendlich, wie kalt und eisig der Planet werden kann. Dadurch kommt es zwangsläufig abwechselnd zu ausgedehnten Eisschilden, wie auch zu stark reduzierten Eismengen.

Auch bestimmt die Exzentrizität in welchen zeitlichen Abständen sich kalte Glazialperioden (Eiszeiten) mit wärmeren Interglazialen (Zwischeneiszeiten) abwechseln. Die Eisschilde veränderten dabei die Dynamik des Klimasystems grundlegend.

Im sechsten Kapitel des Buches "Eine Botschaft aus dem Eis" (im Original: "A Message in the Ice") erfährt man etwa, dass die Erdumlaufbahn ihre maximale Exzentrizität wie vor 125.000 Jahren erreicht hatte. Dabei gab es als Differenz zwischen der größten und der kleinsten Entfernung der Erde von der Sonne im Laufe des Jahres ein Maximum.

Das verstärkt die jahreszeitlichen Schwankungen und sorgt für wärmere Sommer, die den im Winter gefallenen Schnee in der Regel vollständig schmelzen lassen, so dass sich auf Dauer kein Eis bilden kann. Nimmt die Exzentrizität der Erdbahn ab, verbessern sich die Bedingungen für eine Eisbildung: Der CO2-Gehalt nimmt ab, die Temperaturen sinken, und der Planet verfällt allmählich in eine Eiszeit.

Die letzte Eiszeit

Die letzte Eiszeit, bekannt als das Letzteiszeitliche Maximum (LGM), erreichte ihren Höhepunkt vor 21.000 Jahren. Das Eis begann vor etwa 17.000 Jahren zu schmelzen, als die Exzentrizität erneut in hinreichendem Maße angestiegen war. Damit endete ein etwa 100.000-jähriger Exzentrizitätszyklus, der vor 12.000 Jahren in die gegenwärtige Zwischeneiszeit mündete.

Hinweis: Die Bedeutung des Eises auf das Klima ist enorm, so hat die Albedo-Rückkopplung des Eises auf einer von Eis bedeckten Erde eine sehr ausgeprägte Wirkung. Darunter versteht man das Rückstrahlvermögen des Sonnenlichts.

Während schneebedecktes Eis das höchste Rückstrahlvermögen hat, wird von Wasser deutlich weniger einfallenden Sonnenenergie reflektiert. Schließlich ist es deutlich schwieriger, Eis zu schmelzen, wenn es reichlich davon gibt. Eine eisige Erde ist bestrebt, kalt und vereist zu bleiben, aber auch eine eisfreie Erde hält an ihrem Zustand fest.

Im arktischen Eisschild ist heute so viel Wasser gebunden, dass es einem Meeresspiegelanstieg um 60 Metern entspricht. Etwa 50 Meter davon schlummern im Ostantarktischen Eisschild (EAIS), dem wesentlich größeren der beiden Eisschilder.

Nur etwa sechs Meter sind im Westantarktischen Eisschild (WAIS) enthalten. Weitere sechs Meter sind im GIS eingefroren. Daher könnte man annehmen, dass es vor allem der EAIS ist, um das wir uns Sorgen machen sollten. Aber in Wirklichkeit stellt ein mögliches Abschmelzen des WAIS eine viel größere Gefahr für den Anstieg des Meeresspiegels dar – zumindest in absehbarer Zukunft.

Michael E. Mann, Moment der Entscheidung

Der menschliche Fußabdruck

Seinen hohen Bekanntheitsgrad verdankt Michael E. Mann zu einem nicht unwesentlichen Teil des 1999 erstmal von ihm und seinen Kollegen veröffentlichten "Hockeysticks". Die erstmalige umfassende Visualisierung des Klimawandels hat ihm aber auch immer wieder sehr viel, meist unangebrachte und unberechtigte Kritik eingebracht, nicht zuletzt ihm aber auch jede Menge Popularität beschert.

In den gut 20 Jahren seitdem ist allerhand passiert, die Hockeyschlägerkurve wurde immer weiter verfeinert und kalibriert. Mittlerweile sieht sie, so Mann, mehr nach einer Sense aus, da der anthropogene Fußabdruck mit einem immer größeren Temperaturanstieg am Ende der Kurve, also unserem Heute, einhergeht.

Unabhängig davon, dass immer wieder kleine Abschnitte aus der Hockeyschlägerkurve herausgepickt werden, um damit noch so absurde Thesen zu belegen, oder auch das Ganze als reine Manipulation diffamiert wird, ist in der Kurve natürlich nicht zu erkennen ist, was die Gründe der dort dargestellten Erwärmung sind.