Klimawandel: Erdgeschichte als Wegweiser

Die geologische Zeitskala (Andere Begriffe: Oberkarbon für Pennsylvanium, Unterkarbon für Mississippium, Erdurzeit für Archaikum). © 2023 Michael E. Mann, all rights reserved.

Mit Michael E. Mann in die Klimawissenschaft eintauchen: Vergangene Klimaereignisse sind für die Zukunft wichtig. Welche Lehren wir daraus ziehen können. (Teil1).

Um Vorhersagen treffen zu können, müssen wir in die Vergangenheit reisen, denn ohne den Blick zurück wäre es nicht möglich, die Gegenwart zu verstehen. Wir könnten keine Prognosen erstellen, Simulationen wären reine Spekulation.

Das ist keine wirklich neue Erkenntnis, aber bezogen auf die Einschätzung unserer Lage als Spezies auf dem Planeten Erde, dennoch ein wesentliches Fundament. Denn ironischerweise hat genau das, was die Menschheit jetzt bedroht, der Klimawandel, unsere Existenz erst möglich gemacht, dieser Klimawandel war allerdings kein menschgemachter.

Wer sich gemeinsam mit dem renommierten Paläoklimatologen Michael Mann auf die Suche nach einer Analogie für die nahe Zukunft begeben möchte, der sollte mal einen Blick in das neueste Werk des US-Autors werfen.

Spektakuläre Erdgeschichte

In dem Buch, das unter dem Titel "Our Fragile Moment", das auch in einer deutschsprachigen Version unter dem Titel "Moment der Entscheidung" vorliegt, unternimmt der Atmosphärenforscher eine spektakuläre Wanderung durch die Erdgeschichte.

Mann vermittelt in seinem neuesten Werk interessante Einblicke in die eigentlich komplexe Klimawissenschaft und macht dabei deutlich, dass wir nur durch das Wissen über vergangene Klimawandelereignisse ausreichend verifizierte Erkenntnisse hinsichtlich unserer Zukunft erhalten können.

Dazu lässt er uns auch ganz praktisch an seiner interdisziplinären und selbstkritischen Arbeitsweise teilhaben. Indem er die Ursachen erdgeschichtlicher Entwicklungen reflektiert und einordnet, vermittelt er seinen Leserinnen und Lesern ein besseres Verständnis für den Einfluss des Menschen und mögliche Gefahren.

In diesem Artikel begeben wir uns auf einen Streifzug durch das Buch, welches ja selbst eine spektakuläre Wanderung durch die Erdgeschichte ist.

Ohne Klimawandel gäbe es keine Menschen

Unser Planet wurde schon von vielen, allesamt natürlich auftretenden Klimawandelereignissen heimgesucht. Diese waren in der Regel extrem einschneidend, sodass es immer wieder zu großen Verwerfungen und Massensterben kam.

Das, obwohl diese Veränderungen der Lebensbedingungen auf der Erde, bezogen auf die aktuell von uns selbst verursachte Klimamanipulation, geradezu in Zeitlupentempo abliefen. Glücklicherweise wurde bei all dieser "Katastrophen" niemals das komplette globale Erbgut ausgelöscht, es gab immer wieder Nischen, in denen Spezies überleben konnten.

Reflektiert man das Entstehen unserer Existenz, so muss man konstatieren, dass wir uns letztlich auch erst dank einer für uns klimatisch idealen Nische entwickeln konnten.

Im ersten Kapitel des Buches "Unser Augenblick ist gekommen" (im Original: "Our Moment Begins") dreht sich daher alles um uns und wie es dazu kommen konnte, dass wir vor 300.000 Jahren überhaupt erstmals in Erscheinung treten konnten. Denn letztendlich waren es die Veränderungen auf unserem Planeten, die uns zupass kamen.

Das Zwischenzeitalter

Und um zivilisiert zu werden, d. h. dauerhafte Siedlungen zu errichten, komplexe soziale Hierarchien zu schaffen oder eine Arbeitsteilung umzusetzen, bedurfte es zudem eines klimatischen Zwischenfalls. Dieser ereignete sich während der großen Eisschmelze am Ende der letzten Eiszeit.

Es ist als das sogenannte Bølling-Allerød-Zwischenzeitalter bekannt, zu der Zeit bildete sich sehr viel Schmelzwasser und große Gletscherseen entstanden. Die wiederum beeinflussten das Förderband der Ozeanzirkulation, ein großräumiges, bandförmiges Strömungssystem, derart massiv, dass fast wieder eiszeitliche Bedingungen herrschten.

Dieser Epoche, dem "Jüngeren Dryas", folgte schließlich die heutige Zwischeneiszeit, das Holozän, in dem die entscheidenden menschlichen Innovationen entstanden. Diese Warmzeit ließ uns zu dem werden, das wird sind.

Denn obwohl der moderne Mensch nach einem Asteroideneinschlag, einer langfristigen Abkühlung und den gewaltigen Erwärmungs- und Abkühlungszyklen des späten Pleistozän schließlich das Licht der Welt erblickt hatte, bedurfte es einer weiteren Reihe von Klimaereignissen und Unfällen, um die Innovationen hervorzubringen, die für das Hervorbringen der menschlichen Zivilisation notwendig waren.

Michael E. Mann, Moment der Entscheidung

Wie stabil ist Klima?

Die theoretischen Grundlagen von klimatischen Rückkopplungen sind essentiell für das Verständnis und die Entwicklung von Klimamodellen. Wer herausfinden möchte, welche Folgen das Überschreiten von Kipppunkten hat, muss mehr über die Dynamik eines planetaren Systems wissen.

Dabei tun sich Fragen auf wie: Gibt es tatsächlich Momente, die einen Planeten in ein instabiles System wandeln und kann ein Klima tatsächlich schnell destabilisiert werden oder pendelt es sich nicht letztendlich nur in Richtung eines anderen Zustands ein?

Im zweiten Kapitel des Buches "Gaia und Medea: Schneeball-Erde und die schwache junge Sonne" (im Original: "Gaia and Medea: Snowball Earth and the Faint Young Sun") gilt es das zu klären, schließlich gab es einen solchen, zeitlich derart forcierten, Eingriff innerhalb der Erdgeschichte noch nie, auch wenn diese wahrlich viele gravierende Zustandsänderungen erlebt hat.

Das Kapitel beschäftigt sich auch mit der Frage, wie stabil der Planet bleibt, wenn er nur stark genug beansprucht wird. Denn das wird er durch die massive Emission von Treibhausgasen. Diese verstärkten schon vor vielen Milliarden Jahren den Treibhauseffekt. Das ist insofern von Bedeutung, da auch früher höchstwahrscheinlich CO2 und Methan schon an globalen Katastrophen beteiligt waren.

Die Wissenschaft geht davon aus, dass das Klimasystem der Erde zumindest bis zu einem gewissen Grad widerstandsfähig ist. Auch hat die Erkenntnis, dass bestimmte Zellbestandteile für die Atmung in pflanzlichen und tierischen Zellen verantwortlich sind, und Pflanzen die Photosynthese ermöglichen, dazu beigetragen.

So gibt es eine, wie auch immer stabilisierende Fähigkeit unserer planetarischen Heimat. Es ist kein Zufall, dass sich ausgerechnet hier das Leben entwickeln konnte, denn nur die hier bestehenden Randbedingungen ließen dies zu.

Die Erde bewahrte sich vor fast vier Milliarden Jahren ein bewohnbares Klima, trotz der Herausforderung einer schwächeren Sonne. Als die Sonne im Laufe der folgenden Milliarden Jahre allmählich stärker wurde, schwächte sich der Treibhauseffekt ab, so dass sich die Temperatur auf der Erde meistens in einem günstigen Bereich bewegte. Und wie wir gesehen haben, hat das Leben durch seine immer wichtigere Rolle im globalen Kohlenstoffkreislauf dazu beigetragen, dass die Bedingungen für es selbst günstig waren.

Michael E. Mann, Moment der Entscheidung