Der Traum vom "Beamen"
Wenn im Star-Trek-Universum "Science" wegmaterialisiert wird
Im faszinierenden, keineswegs trivialen und dank zahlreicher außerirdischer Lebensformen höchst lebendigen Star-Trek-Universum reisen Erdlinge und Außerirdische wie selbstverständlich überlichtschnell durch Raum und Zeit, somit also auch als Zeitreisende quer durch die vierte Dimension - bisweilen aber auch als reiner Materiestrom von Punkt A nach Punkt B.
Heute hat sich dieser mit dem Terminus Beamen beschriebene Vorgang umgangssprachlich als kaum mehr wegzudenkender Anglizismus etabliert. Dennoch, so schön und praktisch diese Teleportationsmethode auch immer sein mag - ihr Realitätsfaktor ist gleich null. Nichts, aber auch rein gar nichts spricht dafür, dass diese einmal in ferner Zukunft für Menschen zum gängigen Transportmittel reifen könnte. Vielmehr scheint die Zeit reif, eine möglichst lebendige Diskussion über den Sinn und Unsinn des Beamens à la Enterprise zu entfachen, ohne dabei die Schönheit und Faszination des Star-Trek-Kosmos auch nur im Ansatz in Abrede stellen zu wollen.
Die Vorstellung, sich in Sekundenschnelle über Tausende von Kilometern von einem Punkt zum anderen zu bewegen, ohne sich dabei selbst zu bewegen, ist fraglos sehr reizvoll. Wer von uns hat sich nicht schon einmal gewünscht, einer peinlichen Alltagssituation auf diese Weise zu entfliehen oder mal so eben übers Wochenende nach New York zu teleportieren, um im Central Park zu joggen?
Informationsgerechte Verpackung
Auch wenn der erste Materietransmitter bereits 1958 in dem Film The Fly ("Die Fliege") von Kurt Neumann (nach einer Erzählung von George Langelaan) beschrieben wurde, so ist doch die Erfindung des Beamens unweigerlich mit dem Namen des geistigen Vaters und Produzenten von Star Trek, Gene Roddenberry, verknüpft. Roddenberry war es, der den Star-Trek'schen Transportstrahl aus pragmatischen Gründen 1 neben der Wells'schen Zeitmaschine bzw. überlichtschnellen Raumfahrt zur populärsten technischen Innovation und zum zugleich spektakulärsten Fortbewegungsmittel im SF-Genre erhob.
Was er dabei in die SF-Welt setzte, klingt vom Prinzip her einfach 2 und logisch: Stellen Sie sich vor, Sie sind an Bord der alten Enterprise und betreten den Transporterraum. Nachdem ein Techniker die Zielkoordinaten in das Transportersystem einprogrammiert hat, nehmen Molekularbild-Scanner das Quantenauflösungsmuster Ihres ganzen Körpers auf und leiten jegliche Information als Echtzeit-Abbild weiter.
Das Objekt wird in einen subatomar unverbundenen Materiestrom umgewandelt ... Wenn alles nach Plan geht, verlässt dieser Transporterstrahl das Schiff über eine der Transporter-Emitterphalanxen, die den Materiestrom, eingeschlossen in einen ringförmigen Eindämmungsstrahl, zum Zielpunkt des Transports senden.
Enterprise-Chefingenieur "Scotty" (zitiert nach: Star Observer, Special Nr. 8. Science&Fiction)
Sie würden also in Ihre einzelnen Bestandteile zerlegt, bevor diese per (oder mit annährend) Lichtgeschwindigkeit durch den Raum zum Zielort bis zu einer Reichweite von bis zu 40.000 Kilometern gelotst und dort wieder molekülgerecht zusammengesetzt werden. Dies alles schmerzlos, schnell, also ohne nennenswerten Zeitverlust - und in der Regel unfallfrei, versteht sich.
Wenn Sie wirklich große Lust verspüren, sich auf ein solches Experiment einzulassen, wäre folgender Rat sicher hilfreich: Lassen Sie besser die Finger davon, sonst laufen Sie Gefahr, nicht nur die dieselbigen zu verlieren! Um nämlich mit einem Beam-Manöver von Punkt A nach Punkt B zu gelangen, müssen schier unglaublich viele physikalische Gesetze überlistet werden. Denken Sie nur an das Heisenbersche Unbestimmtheitsprinzip ("Unschärferelation"), wonach eine gleichzeitige Bestimmung der Position und Geschwindigkeit eines Partikels unmöglich ist3. Aber genau diese beiden Informationen brauchen die Star-Trek-Quantenphysiker für einen fachgemäßen Scan. Schließlich muss jedes Partikel informationsgerecht verpackt werden.
Ginge bei Ihrem Transport nur ein Atom Ihres Körpers verloren oder rematerialisierte beim "Landemanöver" auch nur eines davon an einer falschen Stelle, wären die Folgen für Sie verheerend. Denn nur wenn die Position jedes einzelnen Atoms punktgenau mitsamt den drei notwendigen Koordinaten (x, y und z) gespeichert ist und wenn jedes energetische Niveau eines Elektrons sowie die Eigenschaften eines jeden Moleküls en detail berücksichtigt wurden, lassen sich alle Partikel wieder an die richtigen Stelle des zu generierenden Körpers platzieren.
Immens großer Datenozean
Doch selbst der zurzeit schnellste und leistungsstärkste irdische Computer wäre nicht in der Lage, jedem einzelnen Atom ein entsprechendes Bit zuzuordnen - und umgekehrt. Gemäß dem Moore'schen Gesetz, dem zufolge sich die Rechnerleistung alle 1,5 Jahre verdoppelt, wären frühestens die Elektronengehirne des 23. Jahrhunderts einer solchen Mammutaufgabe quantitativ gewachsen. Wenigstens würde dies mit der Zeitskala von Star Trek annährend korrespondieren.
Trotz alledem wäre die zu bewältigende Informationsmenge schlichtweg zu groß. Immerhin reden wir hier von 1028 Atomen, die zu speichern und zu befördern wären, also einer 10 mit sage und schreibe 28 Nullen. Wie immens groß dieser Datenozean ist, zeigt folgender Vergleich: Angenommen, Sie speicherten alle erforderlichen Daten für Ihre Teleportation auf zehn Zentimeter dicken Festplatten von zehn Gigabyte und legten diese übereinander, dann ergäbe sich rein rechnerisch ein Stapel von Festplatten, der 10.000 Lichtjahre ins All reichen würde 4. Für eine solch aussichtslose Arbeit würde noch nicht einmal König Sisyphos seine bei weitem sinnvollere Tätigkeit unterbrechen. "Es wäre einfacher zu laufen", meint hierzu der Quantencomputer-Experte Samuel Braunstein von der englischen Universität in York lapidar.
Aber selbst ein einsatzbereiter ausgereifter Quantencomputer wäre noch nicht der Weisheit letzter Schluss. Denn bei einer Transformation von Materie in Energie würden unter Berücksichtigung der bekanntesten Formel Einsteins E=mc2 ungeheure Kräfte freigesetzt, die zu bändigen wären. Bereits bei 50 Kilogramm Materie erhielten wir das energetische Äquivalent von 1000 Wasserstoffbomben mit einer Sprengkraft von jeweils einer Megatonne. Zweifelsohne dürften derartige Transformationen alles andere als sicher und umweltfreundlich sein 5, zumal auch Unmengen von Energie nötig sind, um den Beam-Vorgang überhaupt in Gang zu setzen. So oder so müssten auch die zwischen den Atomen herrschenden elektrischen Kräfte irgendwie überlistet werden, ganz zu schweigen von den Bindungsenergien in den Atomkernen, die bekanntlich millionenfach stärker sind als im Bereich der Elektronen. Falls der Entmaterialisierungsvorgang es zudem erfordert, bis auf die Ebene der Protonen, Neutronen oder gar den Quarks zu gehen, wäre alles noch viel verzwickter. Und von Strings & Co. wollen wir hier erst gar nicht reden...
Bloße Kopie oder Original?
Gewiss, die Gesetze der klassischen Physik erlauben durchaus die Teleportation, wie der Quantenphysiker Anton Zeilinger vom Institut für Experimentalphysik der Universität Wien unterstreicht6, der bekanntlich selbst einige Photonen unter Laborbedingungen teleportieren konnte und jüngst im Wissenschaftsblatt Nature sogar einige interessante Gedanken über einen völlig neuen Quantencomputer-Typ zu Papier brachte 7.
Wie dem auch sei , gesetzt den Fall, dass alle bekannten im wahrsten Sinne des Wortes (sub-)elementaren Probleme irgendwie gelöst würden, bliebe da noch die unlösbare Aufgabe, die umgewandelte Materie auf annährend Lichtgeschwindigkeit zu bringen. Es dürfte sich doch selbst im Star-Trek-Universum mittlerweile herumgesprochen haben, dass für die Beschleunigung von Materie auf 99,9 Prozent der Lichtgeschwindigkeit ein ungeheurer Energieaufwand vonnöten wäre. Lawrence Krauss, der sich eingehend mit der Physik von Star Trek beschäftigt hat, schätzt, dass allein eine einzige Transformation, den Transport und Materialisierung inbegriffen, 10.000-mal mehr Energie verschlingen würde, als unser Planet mitsamt Bewohnern bisher verbraucht hat.
Natürlich stellt sich hier auch noch eine ganz andere Frage: Kommt am Ende des ganzen Vorganges wirklich das Original-Exemplar wieder zum Vorschein – und nicht etwa nur eine Kopie oder gar mehrere? Oder sind Kopie und Original ein- und dasselbe 8 ? Und berücksichtigt der „materielle“ Beamvorgang überhaupt Immaterielles? Wird jedes einzelne reproduzierte Atom des Körpers auch wirklich in dem jeweiligen Zustand berücksichtigt, so dass eine vollkommen identische Person mit den gleichen Erinnerungen, Hoffnungen und Träumen des Originals generiert wird? Was ist mit der rein geistigen Ebene? "Viele Religionen behaupten, dass die 'Seele' nach dem Tod 'weiterlebt'. Was passiert mit ihr bei einem Transfer?", fragt Lawrence M. Krauss 9 wohl nicht zu Unrecht.
Alles in allem bleibt die Erkenntnis, dass das Beamen mit zu den extremsten Visionen im SF-Genre zählt. Das Beamen "großer Objekte oder gar lebender Menschen" wird auch "weiterhin reine Utopie bleiben"10, konstatiert Anton Zeilinger nüchtern. Nicht zuletzt deshalb scheint in Bezug auf das Wort "Fiction" eine exponentiale Aufwertung angebracht. Bezeichnen wir daher konsequentermaßen das Beamen, das fernab jeglicher "Science" 11, besser gesagt abseits des technisch Machbaren steht (wie die Zeitreise), nicht als nur Quadrat-Science-Fiction, sondern als Science-Fiction hoch drei (Science-Fiction3).
Erfreuen wir uns aber dennoch daran, dass das vermeintlich Nichtmachbare wenigstens im fiktiven Star-Trek-Universum (meistens) wie am Schnürchen klappt. Und lassen wir wenigstens unseren Traum vom zukünftigen Transportstrahl auf der Science-Fiction-Spielwiese freien Lauf - heute und in Zukunft. Denn wo anders sonst sollte sich dieser entfalten?