Der US-General a.D., der den zivilen Wiederaufbau des Post-Hussein-Irak leiten soll

Die US-Regierung schickt einen pensionierten General ins Feld, der ausgerechnet Direktor eines Rüstungsunternehmens für elektronische Systeme auch von Raketen ist, mit denen der Irak bombardiert wird

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die US-Regierung und das Pentagon sehen sich trotz mancher Rückschläge und zunehmenden Opfern in der Zivilbevölkerung weiterhin auf der Siegerseite. Nur verwandelt sich der Blitzkrieg allmählich in einen Feldzug, der bis zum Sommer dauern könnte. Sollten bei den Stadtkämpfen noch mehr Menschen sterben und unter Bombardements leiden, so werden die Menschen zwar ein Ende des Kriegs begrüßen, aber nicht unbedingt ihre "Befreier" willkommen heißen. Die Etablierung einer amerikanischen Militärherrschaft ist insofern möglicherweise für eine Übergangszeit ganz realistisch. Sie eröffnet aber auch lukrative Geschäfte für die heimische Wirtschaft. Für den Wiederaufbau vorgesehen ist ein Vertrauter von Rumsfeld und Cheney, ein pensionierter General, der in der Rüstungsindustrie tätig war. Seine Firma liefert Raketen, die auch im Irak eingesetzt werden und so zynischerweise die Voraussetzung für Wiederaufbauleistungen durch Zerstörung schaffen. So verdient man doppelt am Krieg.

Kriege zerstören nicht nur und vernichten Werte, sie schaffen auch direkt Profite für Firmen und manche Berater, wie man an Richard Perle unlängst sehen konnte, und machen freien Platz für einen Neuaufbau, von dem viele profitieren können. Besonders im Irak mit seinen reichhaltigen Ölressourcen ist der Einsatz hoch, geht es um Zig-Milliarden Dollar und Folgegeschäfte, wenn die Wirtschaft erst einmal wieder floriert und das Land wie zu Beginn der 90er Jahre wieder eine relativ wohlhabende Gesellschaft werden. Die Schäden, die einen Wiederaufbau ermöglichen, werden durch die gegenwärtige Bombardierung geschaffen, stammen aber auch noch vom ersten Krieg 1991, von dem sich die Wirtschaft des Irak aufgrund des Embargos nie erholt hat.

Die Vereinten Nationen sollen außen vor bleiben

Noch zumindest will die US-Regierung bestimmen, wie der Übergang zu einer irakischen Regierung vonstatten gehen soll. "We didn't take on this huge burden with our coalition partners not to be able to have a significant dominating control over how it unfolds in the future", erklärte etwa Außenminister Powell, während Ari Fleischer, Sprecher des Weißen Hauses, zu verstehen gab, dass Deutschland und Frankreich mit Geld den angerichteten Schaden mit den USA wieder richten könnten. Die UN soll war humanitäre Hilfe leisten und den Wiederaufbau fördern, aber möglichst keine Kontrolle besitzen. Vorerst wurden vom Sicherheitsrat unter dem Hinweis, dass die Besatzungsmacht verpflichtet ist, die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen, Gelder des von der UN verwalteten Öl-für-Lebensmittel-Programms für die nächsten 45 Tage freigegeben. Zusätzlich fordert die UN für die Versorgung der Menschen Spenden in Milliardenhöhe.

Nachdem US-Präsident Bush beim letzten Treffen auch Tony Blair von der Notwendigkeit einer Militärregierung überzeugen konnte, wird die "zivile" Verwaltung unter dem Militärkommando personell bereits von der US-Regierung mit ehemaligen Diplomaten und Militärs aufgebaut. Chef der "zivilen "Verwaltung, der das am 20. Januar 2003 beschlossenen "Office for Reconstruction and Humanitarian Assistance" leiten wird, ist der ehemalige US-General Jay Garner. Wie so viele andere in der US-Regierung reicht seine Karriere weit zurück in den Kalten Krieg, aber er hat auch bereits unter Bush sen. und Cheney nach dem Irak-Krieg 1991 im Rahmen von "Operation Provide Comfort" als ein Kommandeur die Schutzmaßnahmen für die Kurden im Nordirak, gegenwärtig die Hauptverbündeten der Koalitionstruppen im Land, geleitet. Garner hält sich bereits in Kuwait auf und wird nicht nur die humanitäre Hilfe, sondern auch den geldschweren Wiederaufbau organisieren. Man geht von bis zu 100 Milliarden Dollar aus.

Das Schachern um den milliardenschweren Kuchen beginnt

Präsident Bush hat für sein beim Kongress eingereichtes Kriegsbudget 2,4 Milliarden Dollar für humanitäre Hilfe und Wiederaufbau vorgesehen. Die ersten amerikanischen Gelder von USAID in Höhe von 600 Millionen US-Dollar fließen nur amerikanischen Firmen zu, von denen einige aufgefordert wurden, sich für den Auftrag zu bewerben (Die Gewinner des Krieges). Das Schachern um die Zeit danach hat begonnen. Auch wenn 600 Millionen noch kein gewaltiger Auftrag sein mögen, so haben die Unternehmen, die als erstes in den Irak gelangen, die besten Chancen, sich auch andere Aufträge im zerstörten Öl-El-Dorado zu sicher. Das lässt Ängste in der Koalition der Willigen entstehen, zu kurz zu kommen. Die britische Regierung geriet bereits unter Druck der eigenen Wirtschaft und forderte von der US-Regierung, auch am weiteren Aufbau beteiligt zu werden (ein diesbezügliches Versprechen könnte möglicherweise auch der Grund sein, warum Blair nach dem Treffen mit Bush umschwenkte und plötzlich von einer Militärregierung unter Franks überzeugt war).

Zunächst sollte Halliburton, dessen Direktor zufällig der jetzige US-Vizepräsident und frühere Verteidigungsminister Cheney zwischen 1995 und 2000 war, den Auftrag erhalten erhalten. Doch nach dem Bekanntwerden des politisch-militärisch-wirtschaftlichen Filzes, aufgrund dessen zur Schadensbereinigung schon Richard Perle vom Posten des Leiters des Defense Policy Board zurücktreten musste (Erosionserscheinungen in der Bush-Regierung), scheint man vorsichtiger geworden zu sein und hat Halliburton schon einmal ausgeschlossen. Einen kleineren Vertrag hatte Halliburton bereits letzte Woche erhalten, die brennenden Ölquellen zu sichern.

Jay Garner hatte mit Operation Provide Comfort schon einmal der US-Regierung in einer misslichen Lage ausgeholfen. Bekanntlich wurden Schiiten und Kurden angesichts der Niederlage der irakischen Truppen von den USA aufgefordert, sich gegen das Regime aufzulehnen und es zu stürzen. Kurden und Schiiten begannen auch den Aufstand, wurden dann aber von den Alliierten alleine gelassen, die auch nicht nach Bagdad vorrückten, sondern sich wieder aus dem Land zurückgezogen hatten. Husseins Streitkräfte unterdrückten die Aufständischen brutal und blutig, so dass es zu einer UN-Sicherheitsresolution kam, die zum Schutz der Menschen im Nordirak aufrief. Im Rahmen von Operation Provide Comfort wurden zwischen April und Juli 1991 Flüchtlingslager aufgebaut, die Menschen mit Hilfsgütern versorgt und eine Sicherheitszone zum Schutz eingerichtet.

Fest verworben mit der Rüstungsindustrie

Garner ist eng mit dem konservativen Pentagon-Lager der gegenwärtigen Bush-Regierung verwoben und hat sich stark für die Einführung und die Entwicklung des teuren Raketenschutzschilds gemacht, das auch ein Lieblingskind von Verteidigungsminister Rumsfeld war und ist. Während Operation Desert Storm war er die zum Schutz von Israel aufgebauten Patriot-Raketenabwehrstellungen zuständig und später die mangelnde Zuverlässigkeit des Patriot-Systems verschleiert. Zwischen 1994 und 1996 hatte er das Army Space and Strategic Defense Command geleitet, zuständig auch für das nationale Raketenabwehrsystem (NMD).

Unter der Leitung vom Rumsfeld saß Garner in dem Komitee, das den Bericht "Assess the Ballistic Missile Threat" (1998) verfasste. Hier wurde bereits die später von Bush als Achse des Bösen bezeichneten Länder Irak, Iran und Nordkorea als neue Bedrohung aufgeführt, da sie neben den alten Feinden China und Russland bald Langstreckenraketen haben würden, die mit Massenvernichtungswaffen ausgestattet sein können und mit denen sie die USA erreichen könnten. Der Bericht forderte zwar nicht ausdrücklich die Weiterentwicklung des auch im Pentagon unter Kritik stehenden Raketenabwehrschilds, aber er sollte dafür das Rüstzeug in Form eines akuten Bedrohungsszenarios liefern. Seit 1983, als Ronald Reagan das Star Wars Projekt ausrief, war die für die Rüstungsindustrie interessante Raketenabwehr ein Lieblingsprojekt der Republikaner. Die zweite Rumsfeld-Kommission, in der Garner ebenfalls saß und deren Bericht 2001 vorgelegt wurde, machte sich direkt für das NMD stark (Pearl Harbor im Weltraum), das auch zu einem wichtigen Bestandteil der Verteidigungspolitik von Rumsfeld unter Bush wurde. Hauptnutznießer sind Boeing, Lockheed Martin, Raytheon und TRW.

Was aber den "zivilen" Leiter des Hilfs- und Wiederaufbauprogramms, der für den Übergang von der Militärregierung zu einer demokratischen irakischen Regierung und von einer staatlich gelenkten Wirtschaft zum Kapitalismus verantwortlich ist, in Misskredit bringt, ist nicht nur die Frage seiner Kompetenz. Vornehmlich geht es dabei um seine Funktion als Präsident von SY Technology, das u.a. die Software für Raketen und Raketenabwehrsysteme entwickelt, beispielsweise für Patriot- oder Arrow-Systeme. Das Unternehmen profitiert auch vom NMD. Letztes Jahr kam der Verdacht durch einen ehemaligen Mitarbeiter der Missile Defense Agency auf, dass das Pentagon wegen der guten Beziehungen zu Garner der Firma ohne Ausschreibung einen 100 Millionen Dollar Auftrag zugeschanzt habe.

SY wurden 2002 von L-3 Communications gekauft, Garner aber leitete diese weiter. L-3 hat durch Krieg und steigenden Rüstungsetat den Umsatz im letzten Quartal 2002 gegenüber 2001 fast verdoppeln können. Mit den Präzisionsraketen, deren Elektronik von SY stammt, werden nun die irakischen Städte bombardiert, die Garner später wieder aufbauen soll. L-3 hat erst letzte Woche einen Auftrag über 1,5 Milliarden vom Pentagon erhalten, um für die Logistik der Spezialeinheiten zu sorgen.

Garner hat auch enge Beziehungen zum Jewish Institute for National Security Affairs. Mit 20 anderen pensionierten US-Militärs hatte er im Oktober 2000 kurz nach Beginn der Intifada einen Brief - "Friends Don't Leave Friends on the Battlefield" - unterzeichnet, in dem das Vorgehen Israels unterstützte wurde, das seitdem immer weiter eskalierte. Auch deswegen hat die Ernennung unter Arabern Erstaunen und Ablehnung hervorgerufen.