Der alte Todesdrang der Neuen Rechten
Seite 2: Klimakrise als faschistisches "reinigendes Hitzegewitter"
- Der alte Todesdrang der Neuen Rechten
- Klimakrise als faschistisches "reinigendes Hitzegewitter"
- Das Unbehagen am Kapitalismus
- Avantgarde der Barbarei
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Die Dialektik des Klimawandels - der nicht graduell und langfristig, sondern sprunghaft, plötzlich abläuft - hat die Neue Rechte und vor allem die AfD vollkommen unvorbereitet erwischt, die ja noch in ihrem Programmentwurf von 2016 mit infantil-reaktionären Humor das "Stigmatisieren des CO2 als Schadstoff" beenden wollte.
Das Kalkül innerhalb dieses reaktionären Milieus in den USA und Europa bestand anfänglich darin, auf das übliche "nach mir die Sintflut" zu setzen, einträglichen Lobbyismus für die fossile Industrie zu betreiben, und ideologisch-praktische Vorarbeit für die besagte Abschottung des Nordens gegenüber den kommenden Klimaflüchtlingen zu leisten.
Was der Rechten nun angesichts der zunehmenden Klimabewegung bleibt, ist die verbissene Leugnung des Offensichtlichen, sowie der irrationale Umschlag in Resignation und Defätismus aufgrund der eskalierenden Klimakrise - bei gleichzeitiger Mobilmachung für den molekularen Bürgerkrieg, wie sie die rechtsextremen Prepper-Netzwerke in- und außerhalb des deutschen Staatsapparates im Rahmen ihrer apokalyptischen Verschwörungsideologien bereits emsig betreiben.
An der üblichen, von ökonomischen und politischen Interessen geprägten Oberfläche kapitalistischer Vergesellschaftung handelt es sich bei den Ideologen der Neuen Rechten somit einfach um Mietmäuler und Hampelmänner der alten, fossilen Industrien: Trump setzt alles daran, um Big-Oil möglichst alle umweltpolitischen Hürden aus dem Weg zu räumen, Bolsonaro wirft den Amazonas der brasilianischen Agraroligarchie zum Fraß vor, die Kaczynski-Partei agiert als politisches Exekutivorgan der polnischen Kohleindustrie, die AfD will Merkel als Erfüllungsgehilfen der Autoindustrie beerben.
Die Tatsache, dass diese Kooperation zwischen den reaktionärsten Teilen des Kapitals und der faschistischen Rechten so gut funktioniert, deutet aber eben auch darauf hin, dass neue, ökologische Industrien, die als Gegengewichte agieren können, sich angesichts des global erreichten Produktivitätsniveaus kaum durchsetzen können. Allein schon die weiterhin bestehende Dominanz alter, fossiler Industriezweige verweist auf die Strukturkrise des Spätkapitalismus, der an seiner Hyperproduktivität erstickt.
Ideologisch betrachtet bildet der Klimawandel für die Neue Rechte aber ein Vehikel, um deren alte, sozialdarwinistische und kulturpessimistische Fieberphantasien zu reaktivieren, die immer wieder in Krisenzeiten um sich greifen. Die spätkapitalistischen Gesellschaften werden als verweichlicht, dekadent, unrein, von kulturfremden oder artfremden Elementen zersetzt angesehen. Somit werden die evidenten Krisentendenzen des Kapitalismus als eine Folge von Dekadenz, von der Abkehr von den kulturalistisch, autoritär oder rassisch definierten "reinen" Werten einer verklärten Vergangenheit imaginiert.
Der Klimakrise fällt in diesen Wahngebäuden im 21. Jahrhundert dieselbe ideologische Funktion zu, wie sie dem großen Krieg im 20. Jahrhundert zukam: sie ist das "reinigende Stahlgewitter", in dem alles Minderwertige, Artfremde, Inferiore und Schwache unterzugehen hat. Die "morschen Knochen der alten Welt" sollen in dem drohenden Klimachaos zermahlen werden, in dem "alles in Scherben" fallen solle. Die damit einhergenden gesellschaftlichen Kämpfe und Auseinandersetzungen sollen bis zum Exzess, bis zum Bürgerkrieg getrieben werden, in dessen Verlauf die Neue Rechte die dekadente Gesellschaft vom "unwerten Leben" reinigen und rassisch erneuern will.
Das unaufhörliche Beschwören des Bürgerkrieges, es ist somit eine simple unbewusste Projektion der eigenen Untergangs- und Vernichungsphantasien, wie sie Deutschlands Neue Rechte ausbrüten. Diese apokalyptisch aufgeladene Hoffnung auf das reinigende "Hitzegewitter" ist, wie erwähnt, keine bloße Fieberphantasie - es ist die Grundlage ganz konkreter Strategien der extremen Rechten, die sich ja konkret - innerhalb wie außerhalb des bundesrepublikanischen Staatsapparates - auf den Bürgerkrieg und auf Massenmord vorbereiten.
Todestrieb und Triebverzicht
Es ist der unbewusste Hass auf die Zivilisation, speziell auf die zunehmenden Widersprüche spätkapitalistischer Vergesellschaftung, geboren aus der Unterwerfung unter diese Verhältnisse, der die barbarische Wut, die Todessehnsucht der Neuen Rechten - die sie mit dem Islamismus als einer eng verwandten Krisenideologie teilt - hervorbringt.
Zentral für das Verständnis dieser faschistischen Todessehnsucht ist die freudsche Psychoanalyse, die nicht umsonst von der alten wie neuen Rechten mit unbändigem Hass bedacht wird. Das irrationale ES des Faschismus muss sich der bewussten Selbstreflexion verweigern - genauso wie die fetischistische Dynamik des Kapitals, die sich "hinter dem Rücken der Marktsubjekte" herstellt, als gesellschaftlich Unbewusstes nicht reflektiert werden darf, um weiterhin die Personifizierung der systemischen Krisenursachen in Sündenböcken leisten zu können (siehe Ich will, wo Es ist. Versuch einer Psychopathologie der Neuen Deutschen Rechten, Teil 1).
In der Spätphase seiner Schaffenszeit hat sich Sigmund Freud zunehmend sozialwissenschaftlichen Themen zugewandt, um hierbei den gesellschaftlichen Ursachen des individuellen psychischen Leidens auf die Spur zu kommen. Der Fokus der Freudschen Theorie verschob sich somit von der Natur- zur Geisteswissenschaft.
In seiner Spätschrift "Das Unbehagen in der Kultur" argumentierte Freud, dass es eben der Zivilisationsprozess selber sei, der die irrationalen Kräfte hervorbringt, die ihn bedrohen. Die Kultur sei ein "besonderer Prozess", der "über die Menschen abläuft" und diese in immer größeren gesellschaftlichen Einheiten, in der weltgeschichtlichen Tendenz zu "einer großen Einheit, der Menschheit, zusammenfassen wolle".
Dieser Zivilisationsprozess gehe aber mit zunehmendem Triebverzicht einher, der die Quelle des titelgebenden "Unbehagens an der Kultur" sei. Je dichter die Vergesellschaftung des Individuums in den immer größer werdenden Gesellschaftsformationen, desto stärker wirkt die soziale Tendenz zur Triebunterdrückung, desto größer der unbewusste Hass auf die Zivilisation, der in Aggression und Zerstörungswut sein Ventil findet. Für Freud ist die "Kulturentwicklung" somit durch einen "Kampf zwischen Eros und Tod, Lebenstrieb und Destruktionstrieb" gekennzeichnet, wie er sich "an der Menschenart" vollziehe.
Diesen widersprüchlichen, fetischistischen Charakter des Kapitalismus beschrieb auch - in enger Anlehnung an Freud - Theodor W. Adorno in seiner Schrift Erziehung nach Auschwitz:
Man kann von der Klaustrophobie der Menschheit in der verwalteten Welt reden, einem Gefühl des Eingesperrtseins in einem durch und durch vergesellschafteten, netzhaft dicht gesponnenen Zusammenhang. Je dichter das Netz, desto mehr will man heraus, während gerade seine Dichte verwehrt, daß man herauskann. Das verstärkt die Wut gegen die Zivilisation. Gewalttätig und irrational wird gegen sie aufbegehrt.
Theodor W. Adorno
Die Menschheit scheint somit gewissermaßen "gefangen" in einer gesamtgesellschaftlichen fetischistischen Dynamik, die "über die Menschen abläuft", obwohl gerade die Menschen sie unbewusst selber als Staats- und Marktsubjekte alltäglich hervorbringen, buchstäblich erarbeiten.