Der lange Weg nach Inisfree
Seite 3: Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann?
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Ford war ein Quartalssäufer. Während der Dreharbeiten zumeist extrem diszipliniert, gestattete er sich zwischen zwei Filmen eine Sauftour, die mit dem totalen Kollaps und der Ausnüchterung in einem Krankenhaus enden konnte. Mag sein, dass er vor seinen privaten und beruflichen Problemen in den Alkohol flüchtete. Eine andere Theorie geht davon aus, dass das Filmemachen sein Lebenselixier war und er den Alkohol zum Überbrücken brauchte. Möglicherweise hatten die Besäufnisse mit seiner wachsenden Verzweiflung darüber zu tun, wie sich die Vereinigten Staaten von Amerika entwickelten. Wenn er einen Film drehte, konnte er sich künstlerisch damit auseinandersetzen; wenn nicht, brauchte er ein anderes Ventil. Und vielleicht ist das nur Küchenpsychologie. Fest steht, dass es sehr viele Trinker in Fords Œuvre gibt. Gleich der erste Bewohner von Inisfree, den Sean Thornton trifft, Michaeleen Óg Flynn, ist einer. Ford begegnet seinen Trinkern üblicherweise mit einer Sympathie, die stark nachlässt, wenn der Held selbst zur Flasche greift, nicht nur die Nebenfiguren. Es liegt nahe, da einen Zusammenhang mit den Schuldgefühlen zu sehen, die der gläubige Katholik ein Leben lang nicht loswurde.
In Dreaming The Quiet Man erzählt einer von den irischen Verwandten, dass der John Ford, der 1951 nach Irland kam, ein ziemlich wilder Kerl gewesen sei, aber auch sehr religiös. Wie religiös genau, das ist eine interessante Frage. Beim Sehen von The Quiet Man gewinnt man den Eindruck, dass er der katholischen Kirche als Institution, zumindest in der irischen Variante, eher reserviert gegenüberstand, und der Frömmelei sowieso. Der zweite Einwohner von Inisfree, den Sean trifft, ist Father Lonergan. Bisher haben wir diesen Herrn nur als Erzählerstimme aus dem Off gehört. Nun begegnen wir ihm in Gestalt von Ward Bond auf der Landstraße zwischen Castletown und Inisfree, als wäre er der Wächter, den man passieren muss, ehe man den Ort betreten kann, den Sean Thornton für den Himmel hält. Jede Farbe hat in The Quiet Man ihre Bedeutung. Darum ist es nicht ganz unerheblich, wenn Lonergan als Mann in Schwarz auftritt. Am wenigsten leiden könne er die irischen Pfarrer, vertraute Ford Bertrand Tavernier in einem im März 1967 in der Zeitschrift Positif veröffentlichten Interview an. Der in The Quiet Man habe mehr Geld als der Oberbürgermeister von Dublin.
An Lonergan kann man gut eine von Fords Spezialitäten studieren, den Kontrast zwischen Bild und Ton. Der Gemeindepfarrer hat eine warme, herzlich wirkende Stimme und heißt Sean Thornton, den er als Säugling getauft hat, scheinbar freundlich willkommen. Aber dann erinnert er sich an Seans Vorfahren, deren Verhalten nicht seinen Erwartungen entsprach. Gute Menschen waren das, sagt Lonergan. Seine Stimme jedoch wird kälter und greller, während er sich vorstellt, was das für Sünden gewesen sein könnten, welche die Thorntons begingen. Das Lächeln verschwindet aus seinem Gesicht, auf das die Hutkrempe einen dunklen Schatten wirft. Um den verständnisvollen Priester in einen scheinheiligen Pfaffen zu verwandeln braucht Ford nur ein paar Leinwandsekunden - und einen Ward Bond, der sich bereitwillig von ihm führen ließ und meistens gar nicht merkte, was der Regisseur mit ihm anstellte.
Am Ende der Begegnung kündigt Lonergan an, am nächsten Morgen eine Messe für Seans tote Mutter lesen zu wollen. "Du kommst dann", sagt er streng. Das ist kein frommer Wunsch, sondern ein Befehl. "Ganz bestimmt", erwidert Sean. Tags darauf besucht er brav die Messe wie vom Pfarrer angeordnet. Das Innere der Kirche von Cong, wo gedreht wurde, ist sehr dunkel. Beim damaligen Technicolor-Material war das besonders problematisch. Durch eine helle Ausleuchtung wäre die düstere Atmosphäre verloren gegangen, die Ford haben wollte. Also wies er Hoch an, die Geschwindigkeit zu halbieren, mit welcher der Film durch die Kamera transportiert wurde, von 24 auf etwa 12 Bilder pro Sekunde, weil so mehr Licht auf jedes einzelne Bild fiel. Der fertige Film würde später aber in der normalen Tonfilmgeschwindigkeit von 24 Bildern pro Sekunde projiziert werden. Deshalb bat Ford John Wayne, die Kirche in Zeitlupe zu verlassen, um das auszugleichen. Wayne war so sehr Profi, dass Ford schon nach dem ersten Versuch zufrieden war.
Trotz Waynes Professionalität ließen sich die unterschiedlichen Geschwindigkeiten nicht perfekt aufeinander abstimmen. Das hatte den von Ford durchaus gewünschten Nebeneffekt, dass Sean Thornton jetzt mit abgehackten Bewegungen und wie ein Automat eine der Kirchenbänke verlässt und an der Kamera vorbei aus dem Gebäude geht. Das ist ein Kommentar zur katholischen Kirche als Institution und zu dem, was sie aus ihren Gläubigen macht. Michaeleen, als trinkfester Ire ein Mann nach Fords Geschmack, bleibt lieber gleich draußen vor der Tür. Das Läuten der Kirchenglocken, das auf der Brücke zur Stimme von Seans Mutter zu hören war, als Teil des Idylls mit Harfenklängen, hat jetzt eine andere Bedeutung angenommen. Das Fenster, im Wartesaal von Castletown die Rahmung für das Bild eines pastoralen und idealisierten Irlands, wird die Markierung für ein Gefühl der Sehnsucht bleiben, gleichzeitig aber ein Gefängnis aus Konventionen und Verhaltensregeln bezeichnen.
Schwarze Liste
Durch die biographische Person Ward Bond wird außerdem, ganz real und sogar sehr bedrückend, die Verbindung zur politischen Situation in den USA der frühen 1950er hergestellt, zum Hollywood des Kalten Kriegs. Dafür muss man ein wenig weiter ausholen und The Red Menace (1949) erwähnen, eine Republic-Produktion von Herb Yates. Dieses von R. G. Springsteen, einem Experten für rasch heruntergekurbelte Billigwestern, reichlich uninspiriert in Szene gesetzte Werk gilt als erste Hollywoodproduktion in Spielfilmlänge, die vor einer kommunistischen Unterwanderung der USA warnt. Es folgten The Woman on Pier 13, Big Jim McLain (mit John Wayne in der Titelrolle), I Was a Communist for the FBI und dergleichen, mit Leo McCareys My Son John (1952) als delirierendem Höhepunkt. Doch in Hollywood begann der Kalte Krieg nicht 1949, sondern spätestens im Februar 1944. Damals wurde die Motion Picture Alliance for the Preservation of American Ideals (MPA) gegründet. Theoretisch sollten die amerikanischen Ideale vor kommunistischen wie faschistischen Infiltrationsversuchen geschützt werden. Praktisch verteidigte man den American Way of Life exklusiv gegen Kommunisten und gegen solche, die man dafür hielt (oder halten wollte).
Die ersten Versammlungen der Allianz fanden im Haus des mit John Ford befreundeten James Kevin McGuiness statt (Autor des Drehbuchs zu Rio Grande). Erster Präsident war der Regisseur Sam Wood, der entweder schon immer einen Knall gehabt hatte oder sich in eine antikommunistische Psychose hineinsteigerte, weshalb er testamentarisch verfügte, dass seine Töchter das von ihm hinterlassene Erbe nur antreten durften, wenn sie zuvor eidesstattlich versichert hatten, keine Kommunistinnen zu sein und dies auch nie gewesen zu sein. John Wayne war Gründungsmitglied der MPA und wurde 1949 ihr Präsident, nachdem Wood im aufopferungsvollen Kampf gegen die rote Gefahr einem Herzinfarkt erlegen war. Die große Mehrheit der "freundlichen Zeugen", die vor dem Ausschuss zur Untersuchung unamerikanischer Aktivitäten aussagte und Namen nannte gehörte der Filmallianz zur Bewahrung der amerikanischen Ideale an.
Joseph McBride hat in Fords Steuerunterlagen einen Beleg entdeckt, dem zufolge er der MPA 1944 40 Dollar spendete (steuerlich absetzbar), was bei ihm wie bei Leo McCarey wohl wesentlich damit zu tun hatte, dass ihn als irischstämmigen Katholiken die antireligiösen Sprüche mancher Kommunisten beunruhigten. Als den Sohn irischer Einwanderer und Angehörigen einer diskriminierten Bevölkerungsgruppe muss ihn aber auch die chauvinistische und fremdenfeindliche Grundhaltung vieler MPA-Mitglieder beunruhigt haben. Sein Verhalten in den nächsten Jahren ist so widersprüchlich wie fast alles, was er tat. Er sprach sich gegen den Ausschuss, Gesinnungsschnüffelei und die Schwarze Liste aus; gleichzeitig blieb er in der MPA, die Informationen für die Erstellung der Liste lieferte. Namen nannte er jedoch nie. Aus seiner Verachtung gegenüber Leuten wie Joseph McCarthy machte er kein Hehl. Er war auch nicht der einzige in Hollywood, der extrem widersprüchlich agierte. Für viele war die Hexenjagd eine traumatische Erfahrung, was es offenbar sehr schwer machte, die Orientierung zu behalten. McBride meint, dass Ford selbst nicht immer wusste, wo er stand. Wahrscheinlich kann man das nur wirklich nachvollziehen, wenn man diese Zeit selbst miterlebt hat.
Sehr aktiv in der MPA war Ward Bond, der alte Freund von John Wayne und John Ford, langjähriges Mitglied im Schauspieler-Ensemble, das in den Filmen von "Pappy" Ford immer wieder zu sehen ist. Er gehörte zur Familie. Bond war enorm stolz auf das Erreichte, seine Fähigkeit zur Selbstkritik war unterentwickelt. In Nicholas Rays Anti-McCarthy-Western Johnny Guitar spielte er den Anführer des Lynchmobs, ohne zu begreifen, warum Ray ihn besetzt hatte und was damit gesagt wurde. Bond war berauscht von seiner Hollywoodkarriere und seiner eigenen Wichtigkeit. Jede Gelegenheit, sich in dem Gefühl bestätigt zu sehen, ein bedeutender Mann zu sein, nahm er dankbar an. Die MPA war für ihn ein ideales Betätigungsfeld.
Neben der schwarzen gab es auch eine graue Liste mit Leuten, die jemand denunziert hatte, die in einem als verdächtig eingestuften Film mitgewirkt hatten, die aus der Sicht paranoider Kommunistenjäger zu früh gegen die Nazis aufgetreten waren ("premature anti-fascism"), die Anhänger von Roosevelt und des New Deal gewesen oder die wegen einer Namensgleichheit verwechselt worden waren. Wer auf einer dieser Listen landete brauchte eine Unbedenklichkeitsbescheinigung, um weiter in Hollywood arbeiten zu können. Bond gehörte einem MPA-Komitee an, das Betroffenen eine solche Bescheinigung ausstellte, wenn sie sich dort demütigten. Nunnally Johnson, der für Ford mehrere Drehbücher schrieb (darunter für den New-Deal-Film The Grapes of Wrath), bekannte später McBride gegenüber, dass er sich wegen Gestalten wie Bond geschämt habe, Teil der amerikanischen Filmindustrie zu sein: "Denken Sie nur an John Huston, der hingehen und sich vor einem Esel wie Ward Bond erniedrigen und versprechen musste, nie mehr ein böser Junge zu sein. Und Ward Bond sagte: ‚Na gut, dann streichen wir deinen Namen von der Liste, aber wir haben ein wachsames Auge auf dich.'"
Pappy und seine Familie
Nach allem, was man weiß, war Ford zunehmend angewidert von den MPA-Aktivitäten seiner Saufkumpane John Wayne und besonders Ward Bond (Wayne als Präsident war für die Patriotismus-Phrasen zuständig und drehte ansonsten lieber Filme, während Bond sich in das operative Geschäft warf, was schon der Gesundheit von Sam Wood nicht gut bekommen war). Die Freundschaft kündigte er ihnen darum aber nicht auf. Das hatte sicher etwas mit Loyalität zu tun und vielleicht mit Taktik. In Fords Œuvre gab es eine ganze Menge, was sich von den Hexenjägern als Indiz dafür interpretieren ließ, dass er ein verkappter Kommunist war. In Zeiten der Paranoia konnte es nicht schaden, den Mann vom Unbedenklichkeitskomitee und seinen Präsidenten im Team zu haben. Außerdem war Wayne wie ein Sohn für ihn. Künstlerische (und nicht so künstlerische) Gründe gab es auch. Ford quälte gern die Leute, die er mochte. Das war ein schlechter Charakterzug. Dem Regisseur diente es zugleich als Test. Wenn Schauspieler wie Wayne und Bond geduldig Fords Späße und Quälereien über sich ergehen ließen, würden sie auch vor der Kamera tun, was er von ihnen wollte.
Man muss das nicht sympathisch finden. Wer so etwas nicht haben wollte drehte einen Film mit Ford und dann nie wieder einen. Für viele seiner Darsteller aber gilt, was Maureen O'Hara in Dreaming The Quiet Man über ihn sagt: Ford konnte sich benehmen wie ein mieser Dreckskerl, und doch sorgte er dafür, dass sich die Schauspieler stark fühlten und ihren Fähigkeiten vertrauten, holte er die optimale Leistung aus ihnen heraus. O'Hara und viele andere hätten deshalb sofort wieder mit ihm gedreht, obwohl er sie am Set gequält hatte. Wahrscheinlich würde herauskommen, dass er ein ausgefuchster Psychologe war, wenn man das genauer analysieren würde. Diese Art des Filmemachens bot auch einen gewissen Schutz vor den üblichen Hollywood-Mechanismen, von Starallüren bis zu den Einmischungsversuchen mit Spionen arbeitender Produzenten, die bei Ford wenig ausrichten konnten, weil seine "Familie" ihm gegenüber loyal war (und umgekehrt) und nicht dem Studiosystem gegenüber.
Ein Ford-Film ist eine Ensemble-Leistung. Für Rampensäue und die Zahl ihrer Großaufnahmen zählende Stars hatte Ford keine Verwendung. John Wayne eroberte 1950 den ersten Platz auf der Liste der größten Kassenmagneten. Trotzdem verzichtete er als Sean Thornton sogar auf einen Teil seiner Gage, obwohl ihn der in tradierten Mustern denkende Republic-Chef Herbert Yates gewarnt hatte, dass diese Rolle seiner Karriere schaden werde. Wer das Drehbuch aus der gängigen Hollywood-Perspektive las musste glauben, dass Wayne, der nominelle Star, den Stichwortgeber für eine Riege von Charakterdarstellern mit wunderbaren Rollen würde spielen müssen. Im Vertrauen auf Pappy Ford nahm Wayne die Herausforderung an und meisterte sie "mit Sensibilität, Grazie und gutmütigem Humor" (McBride). Nach The Quiet Man war er ein größerer Star als vorher. Wer den Film gesehen hat weiß, dass Sean Thornton viel mehr als ein Stichwortgeber ist - und auch, was für ein guter Schauspieler John Wayne sein konnte, wenn er einen Regisseur wie John Ford hatte. Man darf nur die Schauspielkunst im Film nicht mit der im Theater verwechseln oder mit dem mimischen und gestischen Exhibitionismus, der in Hollywood so gern mit Oscars prämiert wird.
Ward Bond erfüllte seine dubiose Aufgabe als Hüter der amerikanischen Ideale mit solcher Hingabe, dass er seinen Beruf vernachlässigte und weniger Engagements annahm, um mehr Zeit für die Abwehr der kommunistischen Unterwanderung zu haben. Neun von den 28 Kinorollen, die er von 1947 bis zu seinem Tod im Jahre 1960 annahm, spielte er in Filmen von John Ford. In der Regel ist er sehr gut und bringt genau das auf die Leinwand, was Ford brauchte. Die meisten dieser Rollen waren so, dass man sie als Kommentar zum McCarthyismus verstehen konnte - es sei denn, man hieß Ward Bond. Vorzugsweise wird die Hexenjagd durch eine militante Form des Christentums ersetzt, mit Bond mal auf der einen und mal auf der anderen Seite. Als Reverend Captain Clayton in The Searchers (1956) kämpft er gegen die Roten und ist protestantischer Priester und Offizier der Texas Rangers in Personalunion. In Wagon Master (1950) ist er der Anführer der Mormonen, die unter der Intoleranz der (protestantischen) Yankee-Gesellschaft leiden und deshalb in das Gelobte Land ziehen.
In Rookie of the Year (1955), einem von Ford inszenierten Fernsehfilm, verkörpert Ward Bond einen Ex-Baseballspieler, der nach einem Bestechungsskandal und der Falschaussage eines Zeugen, der "Namen genannt" hat, auf eine schwarze Liste gesetzt wurde. "Ich stand auf, ich verteidigte mich, ich stritt es ab, aber niemand glaubte mir", sagt er (allerdings nur in der ungekürzten Fassung), als er Jahre später gefragt wird, warum er nicht versucht habe, seine Unschuld zu beweisen. Und weiter: "Die Leute nahmen ihren Baseball sehr ernst damals ... und es gab etliche unschuldige Spieler in meinem Club. Aber Gerüchte sind Gerüchte, und deshalb, na ja, so etwas will ich nie wieder erleben. Wissen Sie, diese Sache hätte den Baseball fast erledigt. Womöglich hätten wir nie etwas von Gehrig, DiMaggio, Musial gehört." Um den Baseball und seine Stars geht es da nur am Rande.
The Quiet Man steckt voll Ford'scher Ironie. John Wayne, als selbsternannter Bewahrer des American Way of Life eine Ikone der Konservativen und der Kommunistenjäger, spielt einen Boxer, für den sich der Amerikanische Traum als Albtraum erwiesen hat und der deshalb in das Land zurückkehrt, das seine Eltern einst verließen, weil sie sich in Amerika ein besseres Leben erhofften. Am Eingang zu Inisfree trifft er Ward Bond, seinen Mitstreiter aus der Motion Picture Alliance, der als Pfarrer Lonergan schon mal droht, in der Messe die Namen von Dorfbewohnern zu verlesen, die nicht tun, was er verlangt. Sean Thorntons Integration in die Gemeinschaft von Inisfree gelingt erst, als er sich mit "Red" Will Danaher (Victor McLaglen) prügelt, der die Namen seiner Feinde in ein kleines schwarzes Buch schreiben lässt - von einem Mann, der Feeney heißt wie John Ford mit bürgerlichem Namen. Und weil auch das Leben ironisch sein kann, übersiedelte John Huston 1952, als The Quiet Man in den USA ein Kassenschlager wurde, nach Irland. Huston hatte keine Lust mehr, sich Leuten wie Ward Bond gegenüber rechtfertigen zu müssen, weil Denunzianten Gerüchte über ihn verbreitet hatten.
McLaglen alias Red Will spielte sonst den besoffenen Sergeanten von der Kavallerie. In den 1930ern war er das nach Gary Cooper prominenteste Mitglied der Hollywood Hussars gewesen. Die proto-faschistischen, vom Pressemagnaten William Randolph Hearst unterstützten Hollywood-Husaren paradierten in Operettenuniformen und mit militärischem Drill durch Los Angeles und veranstalteten Wehrsportübungen, um gegen etwaige Bedrohungen gewappnet zu sein. Das ist gar nicht mehr so lustig wenn man weiß, dass Polizeioffiziere und mindestens ein hochrangiger Richter zu der Truppe gehörten. Als sich Cooper auf Anraten seines Agenten zurückzog war mit den Husaren nicht mehr viel los. McLaglen, der für sein Leben gern Uniformen trug, gründete daraufhin die von ihm finanzierte California Light Horse Troop. Auch diese Operetten-Kavalleristen verstanden sich als paramilitärische Truppe, die sich bereithielt, bei Bedarf gegen die Feinde Amerikas auszureiten. Man kann es durchaus als eine Bestrafungsaktion verstehen, wenn McLaglen als Sergeant Quincannon in She Wore a Yellow Ribbon zur Witzfigur gemacht wird.
Ford reflektierte die extrakurrikularen Aktivitäten der Mitglieder seiner Filmfamilie bei der Rollengestaltung immer mit. Am konsequentesten tat er auf diese Weise seine Meinung zu Ward Bond und dessen MPA-Tätigkeit kund, was wohl auch bedeutet, dass ihm diese am meisten gegen den Strich ging. Die Jahre der Schwarzen Liste sind die dunkelste Periode in der Geschichte Hollywoods. Fords Filmen nach zu urteilen empfand er das sehr intensiv, auch wenn er sich abseits der Filmsets nicht immer besonders vorbildlich verhielt und vielleicht stärker taktierte, als er es sich selbst gegenüber rechtfertigen konnte. Das Bedürfnis, der geballten Negativität etwas Positives entgegen zu stellen, muss sehr groß gewesen sein. Das könnte der Grund dafür sein, warum er The Quiet Man in eine zauberhafte, an Shakespeares Romanzen anknüpfende Utopie verwandelte, die sogar Pfarrer Lonergan mit einschließt. Um diese Utopie wird es im zweiten Teil gehen. Wer einen Zeitvertreib braucht und Quentin Tarantino für einen Meisterregisseur hält könnte bis dahin fünf Minuten in einem seiner Filme suchen, die ähnlich vielschichtig sind wie fünf Filmminuten bei John Ford. Dazu wünsche ich viel Glück.
in diesem Theater:
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