Der militärisch-industrielle Bunker-Komplex
Das Knacken von Bunkern ist Spielwiese von Technologen und milliardenschweres Geschäft zugleich
Schätzungen zufolge sollen weltweit mehr als 10.000 unterirdische Bunker militärisch genutzt werden. Die überwiegende Mehrheit befindet sich in der Nähe der Erdoberfläche und ist durch verstärkte Betonwände mit Stärken von bis zu fünf Metern gepanzert. Andere "harte und tief eingegrabene Ziele" (Hard and Deeply Buried Targets - HDBT) sind unterirdische Tunnelstrukturen und unterhalb 20 Meter bis zu mehr als einen Kilometer befindliche Untergrundkomplexe. Letztere entziehen sich bisher dem direkten Zugriff durch erddurchdringende Waffen. Die Rüstungsbranche arbeitet nicht nur in den USA an immer neuen Varianten zur Bekämpfung solcher "harten" Ziele.
In der August-Ausgabe des Scientific American denkt "Think Tank" Michael A. Levi, The Brookings Institution (Washington, D.C.,) über den strategisch-taktischen Nutzen neuer Nuklearwaffen zur Bekämpfung unterirdischer Militäreinrichtungen nach - sowie über konventionelle Alternativen. Dabei handelt es sich im wesentlichen um ein aktualisiertes Komprimat seiner im November 2002 beim Carnegie Endowment for International Peace, einer anderen Washingtoner Denkfabrik, erschienenen Monographie ("Fire in the Hole - Nuclear and Non-Nuclear Options for Counterproliferation").
Im Mai 2003 wurde das "Spratt-Furse"-Gesetz im US-Kongress aufgehoben - dort, wo es zehn Jahre zuvor als Verbot von konkreten Forschungs- und Entwicklungsarbeiten an neuen Nuklearwaffen mit einem TNT-Äquivalent von unter fünf Kilotonnen erlassen wurde (vgl. auch Neustart der US-Atomwaffen-Produktion). Im Dezember 2003 schickte Linton Brooks, Leiter der National Nuclear Security Administration (NNSA), ein Memo an alle Nuklearwaffen-Laboratorien mit der Bemerkung, nun "beim Ausnutzen dieser Gelegenheit nicht zu versagen."
Unter der Schirmherrschaft der NNSA wurden im Jahre 2003 6,1 Millionen US-Dollar für die Forschung an RNEP-Bomben (RNEP - Robust Nuclear Earth Penetrator) verteilt, gefolgt von 7,5 Millionen US-Dollar 2004 (vgl. US-Kongress bewilligt Gelder für die Entwicklung taktischer Atomwaffen). Es ist geplant, diese Bewilligungen drastisch zu steigern und zwischen 2005 und 2009 484,7 Millionen US-Dollar auszugeben.
Gleichzeitig hat der US-Kongress eine Initiative (Advanced Concepts Initiative) gebilligt, die eine exotische - und gleichzeitig umstrittene - Variation des Themas darstellt. Vielen Beobachtern ist klar, dass eine Steigerung der Ausgaben in dieser Größenordnung einem stillschweigenden Eingeständnis der Administration gleichkommt, dass der Bau von RNEPs und die Entwicklung neuer Nuklearwaffen beschlossene Sache ist. Das sehen Waffenkontroll-Organisationen und Kritiker mit Sorge, da sie "kleine" Nuklearexplosionen ohne nachfolgende nukleare Verseuchung für schlichtweg unmöglich halten.
1997 führten die USA die erddurchdringende Bombe B-61-11 ein (vgl. Mini-Nukes gegen Schurkenstaaten). Aus einer Höhe von 12.000 Metern abgeworfen, dringt sie ca. 6 Meter in trockene Erde ein. Die Sprengladung ist variabel (0,3-340 Kilotonnen), doch selbst bei minimaler Ladung würde ein großer Krater ausgeworfen und Radioaktivität austreten.
Robuste Mini-Nukes?
Einige Waffenentwickler bescheinigen kleineren erddurchdringenden Nuklearwaffen mit TNT-Äquivalenten von 10-1.000 Tonnen (Low-Yield Earth-Penetrating; vgl. Hiroshima-Bombe: 13 Kilotonnen) einzigartige taktisch-strategische Eigenschaften, zum Beispiel bei der Neutralisierung unterirdischer Bestände biologischer und chemischer Waffen. Die zu erwartenden radioaktiven Niederschläge werden in geringerer Menge anfallen; aber deshalb wird es immer noch keine "saubere" Kernwaffe geben.
Diese neue Familie von Nuklearwaffen würde eine höhere Effektivität gegen unterirdische Ziele haben, da der größte Teil der unterirdisch gebildeten Schockwellen direkt das Ziel trifft. Harte Schichten leiten Stoßwellen effizienter weiter als lose Erde: Eine Ein-Kilotonnen-Bombe, die fünf Meter tief in Granit detoniert, wird gut gebaute Bunker in 35 Metern Tiefe zerstören, wohingegen eine Zehn-Kilotonnen-Bombe, gezündet einen Meter unter der Erdoberfläche, nur einen Zerstörungsradius von fünf Metern hat.
Robert W. Nelson, Physiker an der Universität Princeton, hält in Physics Today Eindringtiefen kinetischer Erdpenetratoren bis zu 20 Meter für möglich. Um den Fallout einer Ein-Kilotonnen-Nuklearwaffe bei einer unterirdischen Explosion hermetisch abzuschirmen, muß diese in mindestens 90 Metern Tiefe in einer sorgfältig versiegelten Aushöhlung explodieren.
Egal jedoch, wie tief die Bombe eindringt - sie wird hinter sich ein Loch zurücklassen, durch das radioaktiv kontaminiertes Material an die Oberfläche entweichen kann. Hier besteht kein Zweifel - nukleare Bunkerbrecher würden radioaktiv verseuchte Niederschläge zur Folge haben. Bei einer typischen Bevölkerungsdichte urbaner Gebiete der Dritten Welt von 6.000 Einwohnern pro Quadratkilometer könnte eine einzelne Ein-Kilotonnen-Bombe so Zehntausende töten.
Bleibt also die Frage, wie die Bombe in als sicher erachtete Tiefen kommt und wie dabei nuklearer Gefechtskopf und Elektronik bis zur Explosion unbeschadet bleiben. Robert W. Nelson wies 2001 im Journal of the Federation of American Scientists (FAS) auf die physikalische Unmöglichkeit einer bloßen kinetischen Lösung hin. Selbst widerstandsfähigste Materialien werden bei Aufschlaggeschwindigkeiten größer als einige Kilometer pro Sekunde verformt oder schmelzen gar.
Wer hat dann ein Interesse an solcherart Forschung? In der Vergangenheit machten sich neben den politischen Befürwortern vor allem die Vertreter der nationalen Atomwaffen-Laboratorien (Los Alamos National Laboratory und Lawrence Livermore National Laboratory) mit "Begründungen" bemerkbar, mit denen sie derartige Forschungsprojekte rechtfertigen. Die Nuklear-Rhetoriker stellten dabei gebetsmühlenartig fest, dass sich Amerika mit dem Spratt-Furse-Gesetz "selbst abschreckt" - zumindest hinsichtlich der Entwicklung von Mini-Nukes. Robert W. Nelson wird deutlicher:
Eine zynischere Interpretation dieser Aussagen ist, dass sich Laborpersonal und Leitung ganz einfach durch die bestehenden Beschränkungen ihrer Tätigkeit bedroht fühlen; sie wollen eine neue Mission schaffen (und die damit verbundenen Fördermittel), um so unbestimmt lange weiterzulaufen...Junge Wissenschaftler weiterhin für das Waffenprogramm zu interessieren ist besonders schwierig, wenn ihre Haupttätigkeit in der relativ banalen Gewährleistung der Betriebssicherheit besteht. Die Laboratorien wünschen die Herausforderung der Konstruktion neuer Nuklearwaffen, einfach zum Zwecke des damit verbundenen wissenschaftlichen und technischen Trainings.
Hier konnte geholfen werden. Nun forscht und trainiert man in Los Alamos an Modifikationen der B-61 und in Livermore an der B-83.
Neue Atomwaffentests?
Es erscheint illusorisch, dass für die neuen Waffentechnologien keine Tests vonnöten wären - trotz der Versicherung von Stellen, die es eigentlich besser wissen müssten. Die Militärs wird keine Waffe überzeugen, die aus Computersimulationen, alten experimentellen Daten und nicht-nuklearen Tests zusammengesetzt wurde.
Besonders delikat ist die Frage, ob der eingesetzte Atomsprengkopf die angegebene Sprengkraft hat - und nicht größer ist als erwartet. Die tatsächliche Sprengkraft wird von einer exponentiell anwachsenden Zahl der bei der Spaltung freigesetzten Neutronen bestimmt; das heißt, die Neutronenerzeugung muss fein abgestimmt sein - besonders wenn der Einsatz in der Nähe bewohnter Gebiete stattfinden soll. Eine testfreie Zertifizierung von Mini-Nukes vor der Indienststellung ist deshalb unwahrscheinlich. Die politischen Konsequenzen einer Wiederaufnahme von Atomtests liegen auf der Hand und werden heftig diskutiert.
Nicht-Nukleare Alternativen
Bunkerbrechende Bomben der US-Armee sind im allgemeinen modular aufgebaut aus: Zünder, Gefechtskopf (Bomb Live Unit - BLU), Bombenkörper/Lenkbombeneinheit (Guided Bomb Unit - GBU) sowie den Flugstabilisatoren.
Eine der effektivsten bunkerbrechenden Waffen zur Zeit ist Big-BLU mit 15 Tonnen konventionellem Sprengstoff. Die von Northrop-Grumman und Lockheed-Martin gebaute Waffe ist GPS-gelenkt; der Penetrations-Bombenkörper, bestehend aus einer Cobalt-Legierung, soll Eindringtiefen bis zu 30 Meter ermöglichen. Weitere Fortschritte in der Leistungsfähigkeit konventioneller Sprengstoffe werden geringfügig ausfallen, und es ist unwahrscheinlich, das sie an die Leistungsfähigkeit wenigstens eines Ein-Kilotonnen-Sprengsatzes herankommen wird.
Um die geringere Zerstörungskraft teilweise zu kompensieren, wird an neuen Penetrations-Techniken gearbeitet, die den Gefechtskopf tiefer eindringen und näher am Ziel explodieren lassen.
Kinetische Penetratoren dringen aufgrund ihres Impulses in die Erde ein. Die erreichbare Tiefe kann durch Erhöhung der Geschwindigkeit der Rakete oder Vergrößerung ihrer Masse oder beides gesteigert werden.
Aktuelle erddurchdringende Raketen erreichen ihre Aufprallgeschwindigkeit von ca. 450 Metern pro Sekunde einzig durch ihre Beschleunigung im Erdschwerefeld. Mit zusätzlichem Raketenantrieb ließe sich diese verdoppeln. Das würde sie bis zu 75% tiefer in Granitformationen befördern. Derzeit gehen die meisten Raketenkonstrukteure davon aus, dass Aufprallgeschwindigkeiten von über 900 Meter pro Sekunde ohne Zerstörung der Raketen bei Bodenkontakt nicht umzusetzen sind.
Unter den meisten Aufschlagbedingungen führt eine Verdopplung der Raketenlänge zu einer Verdopplung der Eindringtiefe. Die Verlängerung der Rakete stößt jedoch auf logistische Schwierigkeiten, da die momentane Praxis der US-Armee vorsieht, die meisten Penetrations-Waffen mit einer Vielzahl von Flugzeugtypen transportieren zu können, Jagdbomber aber nur relativ kurze Bomben aufnehmen. Hier setzt der Extending penetrator an: Die Rakete wird in zusammengeschobener Form transportiert und abgefeuert; kurz vor dem Aufschlag erfolgt das Ausziehen des Raketenkörpers auf die gesamte Länge. Das Entfalten der Rakete während des Flugs bereitet den Ingenieuren jedoch noch ernsthafte Probleme.
Um die grundlegende Beschränkung der traditionellen kinetischen Techniken zu überwinden, werden aktive Techniken entwickelt. Ein Beispiel ist das sogenannte Deep Digger-Konzept, das sich in der Entwicklung befindet (durch Advanced Power Technologies Inc.). Das Prinzip ähnelt den Trockenbohr-Techniken der Erdöl- und Erdgasgewinnung, bei denen ein sich auf und ab bewegender Metallkopf im Weg befindliches Gestein pulverisiert. Das Bohrloch wird dabei mit unter Hochdruck stehendem Gas gespült. Im unsäglichen SF-Schinken "The Core" schossen sich die Filmhelden den Weg Richtung Erdkern mit Hilfe einer Strahlenkanone frei.
Bei Deep Digger sollen eingebaute Schnellfeuerkanonen diesen Part übernehmen. (Die US-Armee nutzt seit Jahren Kanonenfeuer zum Durchdringen von Gestein und Beton: Laut Felddienstvorschrift (USMC WP 3-35.3 Military Operations on Urbanized Terrain) reichen 25 Schuss aus einer 25-mm-Maschinen-Kanone, um eine Bresche in eine verstärkte, 25 Zentimeter dicke Betonwand zu schlagen). Deep Digger könnte einen eigenen Gefechtskopf tragen oder den Boden für eine separat transportierte Bombe vorbereiten. Unklar ist bisher, ob Deep Digger zu einer praktikablen Lösung führen wird. 2000 wurde die Entwicklung eines Prototypen initiiert. 2002 konnte man bei 20 Zentimeter im Durchmesser bereits einen Meter tief "bohren"; das pulverisierte Gesteinsmaterial wurde mittels Gas in Höhen bis zu 50 Metern geschleudert.
Weitere Forschungen laufen zur Entwicklung von Small Diameter Bombs (SDB): kleine Sprengladung, gleiche Durchdringungsfähigkeiten wie BLU-109, Hochpräzisions-Zielleitsystem durch Bündelung mehrerer Navigationstechniken. Diese Bombe ist so lang wie eine GBU-32 (Joint Direct Attack Munition, gebaut von Boeing), ist jedoch schmaler, so dass eine F-22-Raptor (Lockheed-Martin) 24 SDB aufnehmen kann, im Gegensatz zu sechs GBU-32. Als nachteilig wird die kleine Sprengladung von 25 Kilogramm eingestuft.
Im August 2003 ging der Auftrag zur Entwicklung und zum Bau an Boeing - die Air Force wird 24000 SDB für einen Gesamtpreis von 2,5 Milliarden US-Dollar einkaufen. Der Anteil des Rüstungsgeschäfts am Konzernumsatz von Boeing überschritt im letzten Jahr die 55%-Marke; in Südkalifornien ist Boeings Rüstungsbranche mittlerweile der größte regionale Arbeitgeber.
Bei Ungewissheit über die tatsächliche Tiefe des zu zerstörenden Bunkers könnte eine auf dem kürzlich eingestellten HTSF-Projekt (Hard Target Smart Fuze; FMU-157/B ) basierende Technologie eingesetzt werden. Das Prinzip beruht auf einem aktiven Zünder, der aus Beschleunigungsdaten ermittelt, wie viele Schichten bereits durchdrungen sind. Wird die voreingestellte Schichtanzahl erreicht, erfolgt nach programmierbarer Verzögerung die Detonation. Der BLU-116 Advanced Unitary Penetrator (AUP) basiert auf HTSF; mit einem Bombenkörper aus einer Nickel-Cobalt-Legierung soll eine Verdopplung der Eindringtiefe gegenüber gewöhnlichen Gefechtsköpfen für harte Ziele möglich sein. Boeing und Lockheed-Martin teilen sich das Geschäft. Erstmals wurde die BLU-116 1999 im Kosovokrieg eingesetzt.
Deutschland: Modulare Abstandswaffe Taurus
Nach dem gleichen Prinzip funktioniert die Modulare Abstandswaffe Taurus KEPD 350 (Target Adaptive Unitary and Dispenser Robotic Ubiquity System/ Kinetic Energy Penetrator and Destroyer, 350 Kilometer Reichweite, Gefechtskopf Mephisto), die unter vollständiger Systemführung der deutschen Industrie entwickelt wurde. Hersteller ist die Taurus Systems GmbH in Schrobenhausen, eine Tochter der EADS-LFK GmbH und der schwedischen Saab Bofors Dynamics AB.
2002 bestellte das Verteidigungsministerium 600 Taurus-Flugkörper. Kosten: 570 Millionen Euro. Die serienmäßige Auslieferung an die Luftwaffe soll im November 2004 beginnen. Die bei Flugversuchen in Südafrika aufgetretenen Orientierungsprobleme sollen dann behoben sein. Bis 2009 sollen mit dieser Arbeitsbeschaffungsmaßnahme 400 hochqualifizierte Arbeitsplätze in Deutschland gesichert werden. Für die später geplante Anpassung an den Eurofighter sind weitere 520 Millionen Euro veranschlagt.
Großbritannien/ Frankreich: Storm Shadow/ Scalp
Storm Shadow (Bezeichnung in Großbritannien)/Scalp EG (Bezeichnung in Frankreich) ist ein anglo-französischer, konventionell bewaffneter Langstrecken-Marschflugkörper, ausgerüstet mit dem Gefechtskopf BROACH (Bomb Royal Ordnance Augmented Charge).
Das Produkt, hergestellt von MBDA (10000 Beschäftigte, Jahresumsatzvolumen 22 Milliarden Euro), hat einen für potentielle Kunden nicht unerheblichen Vorteil:Ees ist nach Einsätzen im Irak 2003 "Golfkrieg-getestet".
Im Bunker
Erreicht der Penetrator das Ziel und detoniert, kann der Bunker bzw. dessen Innenleben nun durch die ganze Palette der zur Verfügung stehenden "Nutzlast"-Optionen (Sprengladung) vernichtet werden.
Gegen Kommando- und Kontrolleinrichtungen wird gerne auf thermobarische Waffen (vgl. War Games 2002) zurückgegriffen (BLU-118/B erstmals in Afghanistan, AGM-114 Thermobaric Hellfire im Irak).
Fuel-air explosives (FAE) sind ebenfalls sehr effektiv. Sie können pro Masseeinheit bis zu zehnmal mehr Energie als herkömmliche Sprengstoffe freisetzen.
Neutralisisation biologischer und chemischer Waffen
Befürworter nuklearer Bunkerbrecher argumentieren gerne mit dem Hinweis, dass Nuklearwaffen im Gegensatz zu konventionellen Waffen chemische und biologische Waffen in unterirdischen Laboratorien oder Massenvernichtungsmittel-Lagern unschädlich machen können und nicht nur räumlich verteilen. Kernwaffen würden die in Frage kommenden Materialien aus ihren Behältern treiben und anschließend sehr schnell thermisch zersetzen. Temperaturen um 200 Grad Celsius über einige Zehntel Millisekunden zerstören die meisten biologischen Agenzien - bei pulverisiertem Anthrax werden 50° Celsius mehr benötigt.
Explodiert die Bombe im gleichen Bunker, in dem sich das Lager befindet, werden die Biowaffen höchstwahrscheinlich zerstört. Trifft sie nicht genau, sondern einige Meter daneben, ist der Ausgang ungewiss, da der hervorgerufene Temperaturanstieg unter Umständen nicht ausreichen könnte - das zeigt die Auswertung von Temperaturprofilen, die bei den unterirdischen Plowshare-Tests in den 60er Jahren aufgezeichnet wurden.
Chemische Kampfstoffe zu eliminieren ist schwieriger, da chemische Bindungen gebrochen werden müssen - eine Aufgabe, die Temperaturen in der Größenordnung von 1000 Grad Celsius über einen Zeitraum von mindestens einer Sekunde erfordert. Für Zonen in der Nähe des Explosionszentrums ist dies gegeben, wohingegen weiter entfernt gelagerte chemische Kampfstoffe wahrscheinlich funktionsfähig bleiben - und durch die Wucht der Explosion auch noch verteilt werden. Auch hier scheinen Tests erforderlich, um die Wechselwirkungen von Kern-Explosion, freigesetzter Hitze und Ziel-Materialien ausreichend zu verstehen.
Doch auch hierfür gibt es mittlerweile konventionelle Methoden wie thermobarische Waffen und FAE, die die geforderten Temperaturen zur Vernichtung biologischer Waffen erreichen. Außerdem sollen mitgeführte spezialisierte Reagenzien das Abreagieren chemischer Kampfstoffe zu ungefährlichen Nebenprodukten gewährleisten.
Ein anderes Beispiel ist die Brandmittelwaffe HTI-J-1000 (High Temperature Incendiary), die mittels kinetischer Penetratoren verschossen wird (die Integration des Gefechtskopfes in Waffensysteme ist ein Projekt der US-Regierung mit Lockheed-Martin). Sie beinhaltet 136 Kilogramm eines Hightech-Brandmittels - hauptsächlich bestehend aus einer pelettierten "thermokorrosiven Titan-Bor-Lithiumperchlorat-intermetallischen Hochtemperaturfüllung". Sie brennt für längere Zeit bei 540° Celsius mit geringem Überdruck, so dass keine eventuellen Überbleibsel der zu zerstörenden Materialien druckbedingt entweichen können. Als Nebenprodukte werden gasförmiges Chlor und Fluor sowie Salz- und Flusssäure gebildet, die jegliche verbliebenen biologischen Agenzien abtöten.
Eine einfache Lösung
Im eingangs erwähnten Carnegie-Papier, das scheinbar unter der Erwartung geschrieben wurde, in Schurkenstaaten bald auf reiche unterirdische Vorkommen an Massenvernichtungsmitteln zu stoßen, geht es nicht nur um exotische Bunker-Buster-Projekte wie Deep Digger, vielmehr gibt es auch Momente von Pragmatismus. So könnten radioaktive Materialien ins Bunkerinnere geschleust werden.
Laut Michael Levi sollten 2500 Curie an Cobalt-60-Pulver ausreichen, um einen 40 x 40 Meter-Bunker auszuschalten. Die dadurch freigesetzte Radioaktivität liefert eine Dosisleistung, die innerhalb von Stunden alles Leben tötet. Außerdem würde die Kontamination Jahre anhalten (Halbwertszeit 5,26 Jahre).
Sorge bereitet Levi allerdings, dass die Bunkerinsassen über eine Absaug-Einrichtung verfügen und anschließend das aufgesammelte Cobalt-60 gegen US-Amerikaner eingesetzen könnten. Ob das in die Kategorie "Nuklearwaffeneinsatz" fällt, bleibt freilich Experten-Diskussionsrunden zur Klärung überlassen.
Milliardengeschäft
Seit dem Amtsantritt von Bush fließen jährlich rund 10% mehr Gelder in neue Waffensysteme (2004:136 Milliarden US-Dollar). Wie in der Reagan-Ära wachsen innerhalb der Militärausgaben die Anteile für Rüstungsbeschaffung und Forschung am stärksten.
Begünstigt von der Flut immer neuer Waffenprojekte und den daraus resultierenden üppig sprudelnden Milliardenquellen des Pentagon beherrschen heute fünf US-Konzerne den Markt für Großwaffensysteme: Boeing, Lockheed-Martin, Northrop-Grumman, Raytheon und General Dynamics - ein neuer Militärisch-Industrieller Komplex in den USA. Ob sich ein autonomes europäisches Konsortium - geschart um die Teilhaber von Airbus Industries - unter diesen Bedingungen auf dem Weltmarkt behaupten wird, ist ungewiss (vgl. Pech für Airbus).