Der neue lange Krieg gegen den Terror
Auch Großbritannien schließt sich dem Krieg an gegen IS im Irak an, die Kurden in Kobane werden vom US-Militär alleine gelassen
Auch Großbritannien schließt sich dem Krieg gegen den Islamischen Staat an. David Cameron konnte sich dieses Mal durchsetzen und verkündete, dass der Krieg gegen die "psychopathischen Terroristen" Jahre dauern könnte. Auch in Großbritannien richtet man sich also auf eine Neuauflage des "Langen Kriegs gegen den Terror" ein. Erst einmal könnten sechs Tornados, die auf Zypern stationiert sind, Einsätze fliegen.
Mit einer überwältigenden Mehrheit von 524 Abgeordneten stimmt das britische Unterhaus für Luftschläge gegen den IS im Irak. Nur 43 Abgeordnete stimmten dagegen. Wie Frankreich will sich aber auch Großbritannien trotz des hohen Drucks seitens Cameron nicht den völkerrechtswidrigen Luftschlägen in Syrien anschließen, die die USA mit 5 arabischen Alliierten begonnen hat. Nur der Ausschluss von Angriffen in Syrien und prinzipiell von Bodentruppen hat es der britischen Regierung ermöglicht, auch die Labour-Partei bis auf wenige Abtrünnige ins Boot zu ziehen. Nach dem völkerrechtswidrigen Irak-Krieg, den die USA mit der Hilfe der britischen Labour-Regierung unter fabrizierten Beschuldigungen geführt haben, waren viele Abgeordneten, auch wenn sie zustimmten, skeptisch.
This is not a threat on the far side of the world: left unchecked, we will face a terrorist caliphate on the shores of the Mediterranean and bordering a NATO member, with a declared and proven determination to attack our country and our people.
David Cameron
Tatsächlich haben sowohl der Irak-, als auch der Afghanistankrieg gezeigt, dass militärische Interventionen keineswegs einen Staat stabilisieren. In Afghanistan wurde mit Müh und Not ein neuer Präsident nach langen Streitereien installiert, während die Taliban immer offener Angriffe führen, während im Irak auch nur eine wackelnde Regierung zustande kam, die jeder Zeit wieder zerfallen kann. Letztlich hat der Irak-Krieg, mit dem eigentlich nach den NeoCons die gesamte Region demokratisiert und USA-freundlich umgestaltet werden sollte, nicht nur zum Aufstieg des Islamischen Staats geführt, sondern bereits zu einer faktischen Teilung des Landes, das bereits weitgehend ethnisch gesäubert ist.
Jetzt schließen sich die Abgeordneten also erneut der Vorstellung des Regierungschefs Cameron an, dass der Islamische Staat zerstört werden soll - im Irak, obgleich er gerade in Syrien besonders stark wurde und dort auch versucht, seine Gebiete zu erweitern. Cameron machte deutlich, dass daher auch gegen IS in Syrien gekämpft werden müsse, eigentlich sofort. Die Labour-Opposition machte jedoch klar, dass dazu ein UN-Mandat erforderlich wäre. Auch der französische Präsident Hollande hatte noch einmal klar gemacht, dass Frankreich nicht militärisch in Syrien intervenieren wird und der Einsatz von Bodentruppen prinzipiell ausgeschlossen ist. Auch Belgien, Dänemark und die Niederlande haben beschlossen, an dem Luftkrieg gegen den IS im Irak - aber nicht in Syrien - teilzunehmen.
Während die USA in Syrien Stellungen der IS in Raqqa und Aleppo sowie Raffinerien angegriffen hat, hat der IS offensichtlich Kräfte aus dem Irak nach Syrien geholt und versucht dort, sein Einflussgebiet auszubauen. Derzeit rücken IS-Kräfte mit schweren Waffen vor allem auf die von kurdischen Kräften der der PKK nahestehenden "Volksschutzeinheiten" (YPG) verteidigten Stadt Kobane an der türkischen Grenze näher.
Ohne Weiteres wären durch Flugzeuge die Panzer und Fahrzeuge des IS zu zerstören, aber der Pentagon will offenbar den bedrängten Kurden nicht zu Hilfe kommen. Vermutlich will man die türkische Regierung nicht brüskieren, die zwar mit den Kurden im Irak kooperiert, aber nicht mit den linken Kurden der YPG. Zwar hoffen die Zehntausenden aus Kobane Geflüchteten auf Unterstützung und einige Hundert sind bereits aus der Türkei durch einen Stacheldrahtzaun durchgebrochen, um wieder in die Stadt zurückzukehren, die auf syrischer Seite vollständig vom IS umstellt ist. Auch türkische Kurden kämpfen hier.
Der Verdacht besteht, dass die Türkei, vielleicht mit Unterstützung der USA, den Islamischen Staat die Kurden aus Kobane vertreiben lässt, um hier die geplante Sicherheitszone einzurichten, die aber nicht die Kurden unterstützen soll, autonome Regionen in Syrien aufzubauen. Vermutet wird, dass die türkische Regierung schon länger mit IS paktiert hat, zumindest aber die Grenze für Kurden gesperrt hat, aber nicht verhindert, dass Waffen und Menschen zur Unterstützung des IS über die Grenze gelangen. In türkischen Krankenhäusern sollen überdies verletzte IS-Kämpfer behandelt werden.
Die Frage ist überhaupt, was Luftschläge bewirken können. Sie können zwar einzelne Gebäude oder Einrichtungen zerstören, auch schwere Waffen wie Panzer auf offenem Gelände, aber wenn sich die Kämpfer des IS in die Städte zurückziehen, wird die Terrorgruppe ohne den Einsatz von Bodentruppen kaum zu besiegen sein, wenn man nicht riskiert, auch zahlreiche Zivilisten durch Bomben- und Raketenangriffe auf Städte zu töten. Ein Vorgehen wie die Zerstörung von Grosny im Tschetschenienkrieg oder wie die "Befriedung" von Falludscha durch US-Streitkräfte im Irak-Krieg wird man nicht riskieren wollen. Offenbar hat der IS schon vor den Luftschlägen seine Stellungen in den syrischen Städten schon weitgehend in Wohnhäuser oder unter die Erde verlagert. Ob diese also wirklich die Macht der Terrorgruppe schwächen, ist fraglich.
Der Vorsitzende der Joint Chiefs of Staff Martin Dempsey erklärte gestern, dass man mit den Angriffen die Kommandostellen, die logistischen Kapazitäten und die Infrastruktur der IS in Syrien zerstören will, im Irak soll den Streitkräften geholfen werden, wieder in die Offensive zu gelangen. Es sollen aber auch die Finanzströme, das Kommen von Kämpfern aus dem Ausland und die religiöse Legitimation - die "falschen Narrative" - behindert werden. Wie Letzteres gehen soll, machte Dempsey nicht klar, dafür sprach er deutlich aus, dass es ohne Bodentruppen nicht gehen wird. Das sollten aber syrische, irakische und kurdische Kräfte sein. In Syrien seien 12.000 bis 15.000 "gemäßigte" Kämpfer notwendig, um verlorene Gebiete in Ostsyrien zurückzuerobern. Das Pentagon versuche, diese auszubilden und auszurüsten, aber das brauche seine Zeit, geeignete Führer und eine politische Struktur. Das klingt nicht nach durchdachtem Plan, zumal unklar bleibt, wie man sich gegenüber anderen Aufständischen und vor allem gegenüber dem Assad-Regime verhalten will.
500 Millionen US-Dollar hat der US-Kongress bewilligt, um Kämpfer in Saudi-Arabien auszubilden und auszurüsten. Auch US-Verteidigungsminister Hagel stimmt die Amerikaner auf einen langen Krieg ein. Man habe gerade erst begonnen. Welchen Erfolg die Luftschläge hatten, werde erst noch bewertet.
Gestern haben die US-Streitkräfte wieder 10 Luftschläge im Irak und in Syrien ausgeführt. Dieses Mal ging es nicht mehr gegen Raffinerien. Um Kirkuk wurden mit 5 Luftschlägen drei Humvees und vier weitere Fahrzeuge des IS zerstört. Bei Bagdad sei ein Bunker, ein Fahrzeug und ein Unterstand zerstört worden, bei Al Qaim vier Fahrzeuge, ein ominöser "command and control node" und ein Kontrollposten. In Syrien wurde wieder den Kurden in Kobane nicht geholfen. Bei Deir ez-Zor im Osten Syrien wurden angeblich vier Panzer zerstört.