Der schönste Regenbogen
Die Geheimnisse der besten optischen Farbspektakel am Himmel
Wenn es regnet und zugleich die Sonne scheint, entsteht ein atmosphärisch-optisches Phänomen, ein Bogen aus leuchtenden Farbbändern spannt sich über den Horizont und verblasst nach einiger Zeit wieder. Geheimnisvoll, zauberhaft und im wahrsten des Wortes überirdisch schön regte der Regenbogen seit Menschengedenken die Fantasie der Menschen an.
In vielen Kulturen wurde ihm eine herausragende mythologische Bedeutung zugeschrieben, oft galt er als Brücke oder Durchgang zwischen der Welt der Menschen und den Sphären der Götter - wie im antiken Griechenland oder bei den Germanen.
In der Bibel steht er als Zeichen der ewigen Verbundenheit mit Gott, denn nach der Sintflut spricht Gott zu Noah: "Das ist das Zeichen des Bundes, den ich geschlossen habe zwischen mir und euch und allem lebendigen Getier bei euch auf ewig: Meinen Bogen habe ich gesetzt in die Wolken; der soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und der Erde." (Genesis, 1. Buch Mose 9,12)
Lichtbrechung und Reflexion in Wassertropfen
Die meisten Zeitgenossen haben wahrscheinlich irgendwann in der Schule gelernt, was genau den großen farbigen Bogen im Zusammenspiel von Sonne und Regen verursacht. Aber für unsere Vorfahren war es ein weiter Weg bis zur wissenschaftlichen Erkenntnis über die Mechanismen dieses Wetterphänomens.
Seit der Antike suchten die großen Denker (von Aristoteles bis Avicenna) nach den Naturgesetzen, nach einer rationalen Erklärung, wie und warum ein Regenbogen auftaucht und vergeht. Das gelang aber erst 1637 dem Mathematiker und Philosophen René Descartes (Discours de la méthode pour bien conduire sa raison et chercher la vérité dans les sciences, Les météores, De l'arc-en-ciel).
Die Sonne muss auf den Rücken des Betrachters und auf eine Regenfront scheinen, wobei sie im Winkel von 42 Grad oder weniger über dem Horizont stehen muss. Deshalb erstrahlen Regenbögen im Sommer vor allem in den Morgen- oder Abendstunden.
Je höher die Sonne im Laufe des Tages am Himmel aufsteigt, desto mehr nimmt die Höhe des Regenbogens ab, bis nichts mehr über dem Horizont sichtbar ist. Das Muster kehrt sich um, wenn die Sonne am Nachmittag tiefer steht, wobei die Regenbögen dann im Osten entstehen und die höchsten Regenbögen kurz vor Sonnenuntergang zu sehen sind. Anders formuliert: Je tiefer die Sonne steht, desto höher zeigt sich der Regenbogen.
Das Rätsel der Lichtbrechung mit der Aufspaltung des weiß scheinenden Lichts in das Band bunter Farben löste erst Isaac Newton 1704 mit seinem bahnbrechenden Werk Opticks: Or, a Treatise of the Reflexions, Refractions, Inflexions and Colours of Light.
Die Regentropfen brechen das Sonnenlicht, das von der Luft in die Wasserkugeln vordringt und reflektieren es, so dass es nach seinem Austritt in seine Grundfarben zerlegt sich dem Beobachter als Kreisbogen am Himmel zeigt. Es erscheint ein Regenbogen, ein leuchtendes Band über dem Horizont in den Spektralfarben Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Indigo und Violett (Wie entsteht ein Regenbogen).
Wird das Licht in den Tropfen mehrfach gespiegelt, können sich doppelte Regenbögen über die Landschaft spannen. Der größere Bogen leuchtet dann stets etwas schwächer und die Abfolge der Farben ist gespiegelt. Im Haupt-Regenbogen liegt immer innen violett und ganz außen rot, beim Nebenbogen darüber ist es genau umgekehrt.
Hawaii ist das Regenbogen-Mekka der Erde
Steven Businger, Meteorologe und Spezialist für Atmosphärenwissenschaften an der University of Hawaiʻi Mānoa tritt nun im Bulletin of the American Meteorological Society den Beweis an, dass Hawaii "der beste Ort auf der Erde ist, um das Wunder des Regenbogens zu erleben" (The Secrets of the Best Rainbows on Earth).
Die Geheimnisse der schönsten Regenbögen liegen in den natürlichen Bedingungen, die das optimale Zusammenspiel von Sonnenlicht und Regen ermöglichen. Kurze Regenschauer am Morgen oder gegen Abend sind von grundlegender Bedeutung für das Lichtspektakel.
In Mitteleuropa sehen wir Regenbögen meistens nach kurzen Frühlingsschauern oder Sommer-Gewittern am Spätnachmittag, wenn die Sonne schnell wieder zwischen den dunklen Wolken hervorbricht.
Hawaii bietet mit seinem Klima beste Voraussetzungen für das Naturschauspiel. Es liegt im subtropischen Pazifik und die von den Passatwinden an den Bergen empor getriebenen Wolken bringen häufig kurze Regengüsse. Nachts heizt zudem das Meer die Luft auf, sodass es häufig am Morgen kurz regnet, zum Frühstück aber schon wieder die Sonne scheint. Tagsüber erwärmt sich die Luft über den Inseln und bei wenig Wind bilden sich am Nachmittag Schauer über den Bergkämmen über Oahu und Kauai, die dann leuchtende Regenbögen zum Sonnenuntergang bescheren.
Nicht zuletzt ist ein wichtiger Faktor die besonders saubere Luft, die auf den Inseln des Archipels besonders "frei von Verschmutzung, kontinentalem Staub und Pollen" ist und damit zu "den zahlreichen leuchtenden Regenbögen mit dem vollen Farbspektrum beiträgt". Es gibt kaum Aerosole, durch die eine optimale Lichtreflexion gestört würde.
Deshalb ist der 50. Bundesstaat der Vereinigten Staaten schlechthin der Ort für die besten Regenbögen auf Erden.
Alaska und der Sonnenstand
Allerdings könnte es sein, dass bald wissenschaftlicher Widerspruch aus dem hohen Norden der USA folgt. Der Klimatologe Brian Brettschneider aus Anchorage in Alaska hat 2019 eine Karte des nördlichen amerikanischen Kontinents erstellt, für die er Daten von Wetterstationen verarbeitete, um festzuhalten, wann in welchen Regionen es Regenschauer bei entsprechendem Sonnenwinkel gab, so dass ein Regenbogen am Horizont hätte erscheinen können. Auf dieser Karte hat der Südwesten Alaskas das größte Potenzial für Regenbögen - allerdings hatte der Experte dabei Hawaii gar nicht auf dem Schirm.
Erst vor ein paar Jahren haben Forscher um Jean Ricard vom Centre national de Recherches Météorologique in Tolouse eine neue wissenschaftliche Klassifikation von Regenbögen in zwölf Typen vorgestellt.
Zuvor galt immer die Größe der Wassertropfen als ausschlaggebend dafür, in welchen Farben sich das Wetterereignis genau zeigt, aber die französischen Wissenschaftler haben in einem umfangreichen Vergleich von Hunderten Fotos belegt, dass der Sonnenstand tatsächlich die wichtigste Rolle dabei spielt.
Am Extremsten offenbart sich das bei sehr flach stehender Sonne, bei ihrem Auf- und Untergang kommen nur die langwelligen roten Strahlen beim Betrachter an, der Regenbogen leuchtet nur in Rottönen. Nähert sich die Sonne den entscheidenden 42 Grad am Horizont (darüber gibt es keinen Bogen mehr) erscheint verstärkt Blau und Grün.
Kultur und Symbole
Der Regenbogen steht heute symbolisch für Toleranz, Vielfalt, Frieden und Naturschutz. Die LGBT-Gemeinde schmückt ihre Fahne mit seinen Farben, aber auch die Friedensbewegung und die Naturschutzorganisation Greenpeace schmückt damit nicht nur ihr Flaggschiff Rainbow Warrior.
Gavin Pretor-Pinney, Gründer der Cloud Appreciation Society und des Magazins The Idler, welches die noble Kunst des Nichtstuns zelebriert, meint Regenbögen seien neben Wolken vermutlich die letzten Elemente der Natur, die der Mensch noch nicht in einen Zoo gesperrt, auf eine Deponie geworfen oder in eine Dose gesteckt habe.
Was wohl nur daran liegt, dass es schlicht nicht möglich ist. Der Regenbogen ziert zur Verkaufsförderung sowohl die seit Jahren omnipräsenten Kommerz-Einhörner als auch das Werbematerial in vielen Wirtschaftszweigen, vom Bestattungsunternehmen über Apotheken bis zum Reisebüro.
Steven Businger betont seine Bedeutung in der hawaiianischen Kultur, sein Farbband ist auf den Inseln allgegenwärtig. Er sagt:
Die kulturelle Bedeutung von Regenbögen spiegelt sich in der hawaiianischen Sprache wider, die viele Wörter und Ausdrücke hat, um die Vielfalt der Erscheinungsformen auf Hawai'i zu beschreiben. Es gibt unter anderem Wörter für erdumspannende Regenbögen (uakoko), stehende Regenbogenwellen (ka?hili), kaum sichtbare Regenbögen (punakea) und Mondbögen (a?nuenue kau po?). In der hawaiianischen Mythologie ist der Regenbogen ein Symbol der Verwandlung und ein Weg zwischen Erde und Himmel.
Steven Businger
Selbst die weltweit beliebteste Version des Liedes "Somewhere over the Rainbow", orginal aus dem Musicalfilm Der Zauberer von Oz, stammt vom Hawaiianer Israel Kamakawiwoʻole. Er soll es Ukulele spielend mit seiner sanften hohen Stimme nur ein einziges Mal gesungen haben, zum Riesen-Hit wurde es erst nach seinem viel zu frühen Tod.
Das offizielle Video des Songs, längst zum Inbegriff des entspannten Südsee-Fernwehs geworden, verzeichnet auf YouTube mehr als eine Milliarde Aufrufe:
"Somewhere over the rainbow, way up high
And the dreams that you dreamed of, once in a lullaby
Somewhere over the rainbow, blue birds fly
And the dreams that you dreamed of, dreams really do come true..."
Wer jetzt von der unstillbaren Sehnsucht gepackt ist, die schönsten Regenbögen der Welt zu sehen und nach Hawaii zu reisen (sobald es wieder geht), für den hat Steven Businger zusammen mit Ikayso, einem hawaiianischen Smartphone-App-Entwickler, RainbowChase geschaffen.
Die kostenlose App mit Zugang zu Doppler-Radar- und hochauflösenden Satellitendaten zeigt dem Interessierten, wo in der Region (bislang nur auf Oahu) die richtigen Wetterbedingungen herrschen, um einen Regenbogen an den Himmel zu zaubern.
Und Hawaii hat noch mehr zu bieten: Es ist auch der beste Ort, um Wellen zu beobachten. Genauer gesagt die Nordküste der Hauptinsel - behauptet zumindest der oben bereits zitierte Gavin Pretor-Pinney, der für sein Buch The Wave Watcher's Companion dort ausführlich recherchierte.