Der stumme Abschied der Singvögel

Bekassine. Foto: Alpsdake. Lizenz: CC BY-SA 3.0

Schadstoffe, Monokulturen, Krankheitserreger, Wilderer, Jäger und - last but not least - Katzen bedrohen die Vogelwelt

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Die Bekassine steht als Vogel des Jahres 2013 nicht nur für die gefährdeten Naturbiotope, deren Bewohnerin sie ist, sondern auch für viele andere bedrohte Sing- und Zugvogelarten. Schadstoffe aus Agrarindustrie und Verkehr, die sich in den Organismen von Wildtieren anreichern, immer schlechtere Lebensbedingungen durch flächendeckende Monokulturen in baumfreien Landschaften, aber auch Krankheitserreger setzen der Vogelwelt zu. Wilderer und Katzen geben selten gewordenen Vogelarten den Rest.

Vor 40 Jahren waren in den Mooren und Feuchtwiesen Schleswig-Holsteins noch rund 15.000 Bekassinen-Paare anzutreffen. Deutschlandweit gibt es heute gerade mal noch 6000 Brutpaare. Denn Maisanbau, Entwässerung, abgesenktes Grundwasser, umgepflügtes Grünland, Torfabbau und Wiederaufforstung verändern den Lebensraum der Bekassine.

Der Dohle geht es nicht besser. Als einstiger Steppenbewohner ist sie in ganz Mitteleuropa verbreitet. Ein großer Teil überwintert in Deutschland, nur die Jungvögel fliegen nach Süden. Sie ernähren sich von Käfern, Grillen, Heuschrecken, Würmern, Schnecken, Fallobst, Samenkörnern, Mäusen und Fröschen und bekämpfen somit wirksam auch Ackersschädlinge. Zur Aufzucht ihrer Jungvögel benötigen sie proteinreiche Insekten, möglichst im Umkreis von 500 Metern um ihren Brutplatz herum.

Deutschlandweit ist der Dohlen-Bestand auf 100.000 Brutpaare gesunken. In Schleswig-Holstein gibt es nur noch ganze 8.200 Paare, größere Bestände finden sich nur noch an der Küste.

Baumhöhlen, Felswände aber auch alte Gebäude mit ihren Nischen, Mauerlöchern und Dachstühlen bieten ihr ideale Brutbedingungen. Werden sie saniert, fallen wichtige Lebensräume der Dohlen weg. Ersetzt werden können sie nur durch eigens angebrachte Nistkästen. Dohlen suchen sich zum Brüten auch gerne alte Kirchtürme. Hier vertreiben sie vor allem die in der Stadt oft lästigen Tauben.

Gerne nutzen die schwarzen Vögel die alten Bäume und Höhlen von Schwarzspechten. Doch auch diese verlieren ihren Wohnraum, weil es immer weniger alte Baumbestände gibt. Der Erhaltung alter Bäume kommt deshalb eine besondere Bedeutung zu.

Auch der Grünfink, der in dichten Hecken und Büschen brütet, frisst im Sommer Pflanzen, Beeren und Knospen, im Winter Samen und Früchte. Er ist auf artenreiches Grünland, Moore, Sümpfe und Wälder angewiesen. Weil mit zunehmender Einförmigkeit der Landschaft die Insektenvielfalt schwindet, finden die gefiederten Insektenfänger immer weniger Nahrung und immer weniger Nistplätze.

Der Trend geht zum Anbau von Energiepflanzen - zum Nachteil der Feldvögel. Während China-Schilf wenigstens die Röhrichtbewohner anzieht, erfüllen schnell wachsende Maissorten nicht annähernd die Bedingungen für geeignete Brut- und Nistplätze. Doch mit wachsender Fläche der Monokulturen schwindet die Ackervogelfauna. Lediglich in den Randstrukturen der Agrarwüsten können wenige Arten überleben.

Parasiten bedrohen Grünfinken

Ein großes Problem sind eingeschleppte Krankheiten und Parasiten. Weil das Immunsystem der Tiere in der kalten Jahreszeit bei geringem Nahrungsangebot geschwächt ist, sind die Vögel für Infektionen im Winter besonders anfällig. 2008 verendeten Grünfinken in Südnorwegen, Schweden und Finnland an Trichomoniasis.

Daher vermutet man die Herkunft des Parasiten in Skandinavien. Die meisten Todfunde in Deutschland werden aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen gemeldet. Mit den Zugvögeln kommen die Erreger nach Mitteleuropa. Trichomoniasis wurde erstmalig bei Tauben, Zier- und Greifvögeln bekannt, die sich bei ihrer eigenen Beute anstecken.

Sie siedeln sich auf der Schleimhaut des Schnabels und Rachens, der Speiseröhre und des Kropfes an und werden mit dem Speichel und dem Kot ausgeschieden. Die Elterntiere übertragen sie an die Jungtiere. Auch bei den Grünfinken befällt der Parasit Trichomonas gallinae Schlund und Rachen, die sich entzünden.

Der Schnabel verklebt und die Tiere plustern ihr Gefieder auf. Die meisten Grünfinken sterben daran. So fanden sich 2009 gehäuft tote Grünfinken an Futterstellen, die mit Trichomonas gallinae infiziert waren. Die Zahl der an Trichomoniasis gestorbenen Grünfinken wird allein im Jahr 2009 auf 80.000 geschätzt. Der NABU spricht von einem "infektiösen Massensterben" bei Wildvögeln.

Wildvögel im Sommer nicht füttern

Im Sommer 2013, in dem es ähnlich warm war wie 2009, wurden erneut von Trichomonaden befallene Grünfinken gefunden. Die Tiere infizieren sich gegenseitig vor allem am Trinkwasser ihrer Futterstellen, wo der Krankheitserreger 24 Stunden überleben kann. Auch Dompfaff, Kernbeißer, Girlitz, Finken, Braunellen, Buchfinken, Gimpel, Elstern, Sperlinge und Amseln sind betroffen, wenn auch weniger häufig.

Um die Ausbreitung von Seuchen zu verhindern, empfiehlt der NABU, Wildvögel im Sommer nicht zu füttern, die Tränken zu entfernen, und die Futterstellen im Winter zu säubern. Werden kranke oder tote Tiere gefunden, sollte sie man sie ganz aufgeben.

Zwar wurde der Erlenzeisig in diesem Jahr in Schleswig-Holstein häufiger beobachtet als im letzten Jahr. Doch litt gerade er in den letzten Jahren unter verstärktem Befall mit Salmonellen. Einen normalen deutschen Winter überlebt der Vogel problemlos ohne Zufütterung. Doch eine andauernde Kälteperiode mit Futtermangel, nach einer Kräfte zehrenden Reise von Nordost- bis Mitteleuropa schwächt sein Immunsystem nachhaltig. Kranke Tiere verhalten sich apathisch und verlieren ihre Scheu dem Menschen gegenüber.

2010 wurden kranke und tote Erlenzeisige vor allem in Bayern an Futterstellen gefunden. Im selben Jahr wurden auch aus Österreich tote Erlenzeisige gemeldet. Offenbar hatten sie sich mit Salmonellen infizierter Artgenossen aus Deutschland angesteckt.

Usutu-Virus bedroht Amseln

Weil zu den Erwachsenen im Sommer auch die Jungvögel hinzukommen, ist die Amsel-Population im August normalerweise am stärksten, bevor sie wieder ausdünnt. Eine normale Erscheinung - wenn nicht zusätzlich gehäufte Todfunde auftreten oder die Vögel gar verschwinden- zum Beispiel durch ein Virus (USUV), das vermutlich über den infizierte Stechmücken mit Wind, Flugzeugen, Autos und Eisenbahn von Afrika nach Europa kam.

Auch infizierte Vögel, die anfangs noch große Strecken zurücklegen, könnten es eingeschleppt haben. Oft sitzen erkrankte Tiere apathisch herum und verlieren ihre Scheu. Auch Bartkäuze, Sperlinge, Eis- und an Kanarienvögeln waren hierzulande, wenn auch weniger häufig, USUV-positiv. Mit seinem Auftreten in Wien wurde das Virus 2001 erstmalig in Europa festgestellt.

In Deutschland wies man es erstmalig 2010 in Weinheim (Rhein) in einer Stechmücke nach. Ende Juli 2011 verendeten im Rhein-Neckar-Gebiet mehrere tote Amseln. Vogelexperten sprechen von einem "massiven Amselsterben" im Sommer 2011 in der nördlichen Oberrheinebene und in den benachbarten Gegenden der Pfalz, bei dem mehrere 100.000 Vögel verendet sind. Die statistische Erfassung der Todfunde gestaltet sich schwierig, da Gartenbesitzer tote Amseln lieber im Müll entsorgen, anstatt sie an die Behörden zu schicken.

Oft verenden die Tiere unbemerkt im Gebüsch, ihre Kadaver fressen Füchse, Ratten und Katzen. Manche Amseln bilden inzwischen schützende Antikörper aus, die im Blut nachgewiesen werden. Diese "Herden-Immunität" nimmt allerdings nach wenigen Jahren wieder ab, so dass ihre Nachkommen wieder Opfer der Krankheit werden. Amseln können bis zu zehn Jahre alt werden, werden sie krank, erreichen sie höchstens vier. Das Virus ist auch auf den Menschen übertragbar, wobei die Symptome hier ähnlich harmlos verlaufen wie bei einer leichten Sommergrippe, weshalb es selten erkannt wird.

Diskutiert wird ein Zusammenhang zwischen der Ausbreitung exotischer Viren und der Klimaveränderung. Doch das Usutu-Virus überdauert Temperaturen von - 20 ° C Kälte. Darum ist es auch in extrem kalten deutschen Wintern unangreifbar. Einige Vogelexperten gehen davon aus, dass sich das Virus über Vögel und Stechmücken in bestimmten Regionen Mitteleuropas etablieren wird.

Vor diesem Hintergrund ist es erfreulich zu erfahren, dass zu Beginn des Jahres 2013 die Amsel mit am häufigsten beobachtet wurde: Sie kam auf der NABU-Liste der Stunde der Gartenvögel auf Platz Zwei - gleich nach dem Haussperling.

Die Hauskatze - eine lauernde Gefahr

An den Katzen scheidet sich die Tierliebe von Natur- und Tierfreunden. Ein schlafendes Kätzchen krümmt keiner Maus ein Haar. Doch kaum schnuppert der Bartputzer frische Luft, verwandelt er sich in einen erbarmungslosen Jäger. Stundenlang lauert die Katze in Büschen, am liebsten in der Nähe von Vogelhäuschen. Für 6 Millionen frei laufende Katzen in Deutschland entfallen 20 Prozent der Beutetiere auf Vögel.

Die Schätzungen der Anzahl der von Katzen erlegten Wildvögel schwanken zwischen 50 bis 150 Millionen jährlich. So fängt eine deutsche Katze im Durchschnitt 25 Vögel im Jahr (Einfügung der Autorin: Hier liegt ein Fehler vor: Die Zahl gilt laut Quelle (Komitee gegen Vogelmord) für Mitteleuropa! Der - wenig glaubhafte - Durchschnittswert für deutsche Katzen ist übertrieben. Die 25 getöteten Vögel je Katze beziehen sich auf ganz Mitteleuropa). Betroffen sind vor allem die am häufigsten vorkommenden Arten: Amseln, Buchfinken, Sperlinge und Stare. In den USA erbeuten Katzen jedes Jahr laut einer jüngeren amerikanischen Studie im Schnitt 40 Vögel neben rund 200 wildlebenden Säugetieren und Insekten!

Hauskatze. Foto: Susanne Aigner

Der Ornithologe Peter Berthold ist für eine jährliche Katzensteuer von 30 €. Dann nämlich würden freilaufende Katzen ohne Zuhause und Steuermarke ins Tierheim gebracht. Tierschützer befürchten in diesem Fall noch mehr überfüllte Tierheime. Viele Leute würden die Steuer außerdem nicht zahlen wollen und ihre Katzen einfach aussetzen, wodurch es noch mehr wilde Katzen gäbe, die noch mehr Vögel töten. Am effektivsten - darauf können sich Vogel- und Katzenfreunde immerhin einigen - ist deren Sterilisierung bzw. Kastration.

Das Komitee gegen den Vogelmord empfiehlt, mit der Katze so viel zu spielen, dass sie ihren Jagdtrieb ausleben kann, sie ausreichend zu füttern, weil satte Katzen weniger jagen und sie in den Dämmerstunden im Haus zu lassen, da sie in dieser Zeit am liebsten jagen. Die Vogelhäuser sollten hoch genug aufgehängt sein und genug Sichtweite haben, damit die Vögel umher schleichende Katzen früh erkennen. Zum Schutz von Nistkästen und Vogelhäusern hat sich auch der Katzenabwehrgürtel bewährt.

Jagd auf Zugvögel

Die Adriatic Flyway ist eine der drei Hauptflugrouten der Zugvögel von Nordeuropa nach Afrika. Sie führt über Polen, Ungarn, den Balkan, die Adria, Sizilien und Malta. An den Küstengebieten suchen die erschöpften Tiere nach ihrer langen Reise Nahrung und Erholung für die nächste Etappen auf dem Weg nach Afrika - und laufen den Jägern direkt vor die Flinte. Die Vogeljagd ist in Südeuropa ein beliebter Freizeitsport.

Dabei geht es den meisten nicht darum, das Fleisch zu essen, sondern einzig um die Trophäen, mit denen sie ihr Heim schmücken oder Handel treiben. Schätzungen zu Folge werden entlang der Route jedes Jahr rund zwei Millionen Zugvögel erlegt.

Malta ist Schauplatz besonders aggressiver Vogeljagden. Im Herbst und im Winter stellen die Jäger hier mehr als 30 Vogelarten nach. Die Jagd im Frühjahr ist durch eine Sondergenehmigung der EU legalisiert. Dabei entzieht sich jeder Kontrolle, ob die Jäger wirklich nur die für den Abschuss erlaubten Vogelarten töten.

Bis in den April hinein werden Finken lebend gefangen, bis in den Mai müssen Wachteln und Turteltauben dran glauben. Dem Abschuss preisgegeben sind Wat- und Wasservögel genauso wie Feldlerchen, Greifvögel, Reiher, Pirole und Bienenfresser. Zwar werden Bußgelder verhängt, doch die sind so lächerlich gering, dass sie die Jäger kaum abschrecken. So kann ein Löffler auf dem Schwarzmarkt schon mal 700 € einbringen.

Die größte Vogelfanganlage der Welt

An der ägyptischen Mittelmeerküste befindet sich die größte Vogelfanganlage der Welt: Auf einer Länge von 700 Kilometern sind Fangnetze vom Gazastreifen bis zur libyschen Grenze installiert. Jeden Herbst ist hier Endstation für 140 Millionen Zugvögel aus Europa, die auf dem Weg in den Süden sind. Einmal ins Netz gegangen, reißt man ihnen die Schwungfedern aus, um sie flugunfähig zu machen.

Auf den umliegenden Märkten werden sie verkauft, getötet und verzehrt. Mit einem Protestschreiben will der NABU die ägyptische Regierung dazu bewegen, diesen beispiellosen Vogelmord zu beenden. Die aktuelle Petition kann man im Internet unterzeichnen.

Das kroatische Neretva-Delta umfasst ein 200 Quadratkilometer großes Naturschutzgebiet. Hier kommen 47 Jäger auf einen Quadratkilometer! Früher waren mehr als 310 Vogelarten auf der Durchreise. 26 - darunter auch seltene - Vogelarten wurden zur Jagd freigegeben. Die Folge: Bereits 2005 gab es in den Sümpfen keine Blässhühner und Stockenten mehr.

Blässhuhn. Foto: Philippe Amelant, Lizenz: CC BY-SA 3.0

EuroNatur schätzt, dass jährlich rund 1.000 Moorenten illegal abgeschossen werden - etwa zehn Prozent des Bestandes in ganz Mitteleuropa! Auch die auf der Roten Liste geführte Bekassine (s. oben), darf in Kroatien von Mitte Oktober bis Ende März bejagt werden. Schätzungsweise erliegen europaweit jedes Jahr eine halbe Millionen Bekassinen der tödlichen Kugel. Häufig wird die Beute über die Adria nach Italien geschmuggelt.

Zwar drohen den Schmugglern bis zu 3000 € hohe Geldstrafen, doch Kontrollen sind selten. Ein Hoffnungsschimmer ist der Tourismus, der in Kroatien etwa 20 Prozent der wirtschaftlichen Einnahmen ausmacht. So könnte das Land mit seiner einzigartigen Vogelwelt um Touristen werben.

Vogelbeobachtung statt Vogeljagd wäre eine Alternative, von der alle profitieren - Erholungssuchende und Einheimische. Derzeit arbeiten Naturschützer gemeinsam mit lokalen Behörden und Einwohnern an tragfähigen Konzepten für echte Vogelschutzgebiete - die diesen Namen verdienen.

Sind Windkraftanlagen ein Störfaktor?

Naturschützer und Vogelfreunde beurteilen Windkraftanlagen (WKA) kritisch, da sie das Verhalten von Brut- und Zugvögeln beeinträchtigen. Eine Studie des NABU von 2006 stellt fest, dass bei den rastenden, nahrungssuchenden oder brütenden Vögeln vor allem einige Watvogelarten dauerhaft die Nähe von WKAs meiden - vor allem die seltene Uferschnepfe. Feldlerchen und Rohrammern hingegen brüteten ungestört in ihrer Nähe. Graureiher, Greifvögel, Austernfischer, Möwen, Stare und Krähen hielten sich sowohl in der Nähe als auch innerhalb der Windparks auf.

Einige Brut- und Rastvögel scheinen sich im Laufe der Zeit an die Windräder zu gewöhnen, das heißt, sie reagieren nicht mehr negativ auf Objekte. Kiebitze, Feldlerchen und Wiesenpieper reagierten während der Brutzeit sehr unterschiedlich: Einige Paare gewöhnten sich an die Anlagen, andere nicht. Dieser Effekt kann offenbar nicht auf die gesamte Vogelwelt geschlossen werden.

Foto: Susanne Aigner

Vögel, die in offenen Landschaften leben, nehmen große Anlagen viel stärker als Bedrohung wahr, deren weniger tief reichenden Rotoren die kleineren Singvögel, die sich mehr in der Nähe des Bodens aufhalten, dafür weniger tangieren dürften. Diskutiert wird vor allem die Barrierewirkung von Windkraftanlagen. Stehen Anlagen direkt im Weg, ändern Zugvögel ihre Flugrichtung oder umfliegen sie, wofür sie mehr Energie und Kraft verbrauchen.

Als besonders empfindlich erwiesen sich Gänse, Milane, Kraniche und etliche Kleinvogelarten. Kormorane, Graureiher, Enten, einige Greifvögel, Sperber, Mäusebussard, Turmfalke, Möwen und Seeschwalben, Stare und Krähen hingegen änderten mühelos ihre Flugrichtung. In extremen Fällen können Windparks auch wichtige Lebensräume der Vögel zerschneiden. Immer wieder kommt es vor, dass vor allem Zugvögel mit besonders hohen Anlagen kollidieren.

In Deutschland starben im Sommer 2004 allein 40 Rotmilane, 24 Bussarde und zehn Turmfalken, neun Kolkraben und neun Grauammern. Hinzu kämen die toten Vögel, die nicht gefunden wurden. Die kleineren Singvögel sind auch hier im Vorteil: Sie stoßen deutlich seltener mit Windrädern zusammen. Häufig finden sie im darunter entstehenden Brachland, auf dem sich Staudenfluren und Gebüsche entwickeln, sogar ideale Nistbedingungen.

Der Einfluss des Klimawandels auf die Vogelwelt

Vogelkundler haben errechnet, dass sich bis zum Ende dieses Jahrhunderts die Verbreitung europäischer Brutvögel bis fast 550 Kilometer, bei vielen Arten sogar um 1.000 Kilometer nach Nordosten verschieben wird. Die Fläche, auf der eine Vogelart lebt, kann sich dabei um ein Fünftel reduzieren. Dabei hängt es von ihren Ansprüchen an das Klima ab, ob sie beim Klimawandel gewinnt oder verliert. In Mitteleuropa wird es wohl mehr Verlierer geben, vor allem unter den Singvögeln.

Der Schlagschwirl zum Beispiel, dessen Brutgebiet sich von Westsibirien bis ins östliche Mitteleuropa erstreckt, breitet sich schon jetzt immer weiter nach Westen aus. Bald wird er in Ostdeutschland nicht mehr zu finden sein. Weiß- und Schwarzstörche werden ebenso wie der Zwergschnäpper künftig nur noch im Südosten Deutschlands brüten.

Storchennester. Foto: Susanne Aigner

Einige Arten wie der Trauerschnäpper, Gelbspötter, welche am liebsten Laub- und Mischwälder und städtische Parkanlagen besiedeln und einige Eulenarten wie der Sperlings- und Raufußkauz werden künftig nur noch in den Alpen und im Voralpenland brüten.

Naturschützer befürchten, dass das Verbreitungsgebiet der Bekassine auf die Hälfte zusammenschrumpft. Sie und der Wiesenpieper werden bald nur noch am Alpenrand oder entlang der Küste brüten. Der Fitis ist nur noch auf die Region im Süden und Nordwesten Deutschlands beschränkt. Das Verbreitungsgebiet von Wachtelkönig, Kiebitz, Waldschnepfe, Hohltaube, Schwarz- und Mittelspecht, Heckenbraunelle, Braunkehlchen, einigen Drosselarten, Schilfrohrsänger, Klapper- und Gartengrasmücke sowie Winter- und Sommergoldhähnchen und sogar dem Haussperling würde in naher Zukunft etliche Lücken aufweisen.

Auf der anderen Seite werden sich einige Arten wie Zwergohreule, Alpensegler, Wiedehopf und Bienenfresser, die bei uns eher selten zu sehen waren, flächendeckend in Deutschland ansiedeln. In einigen Teilen des Landes brüten künftig Blaumerle, Kurzzehenlerche, Cisten- und Seidensänger. In Norddeutschland werden sich Triel, Samtkopf- und Weißbart-Grasmücken niederlassen.

Rotkopfwürger und Berglaubsänger leben heute eher im Süden Deutschlands. Bald könnten sie sich auch in Nordwestdeutschland ausbreiten. Der Orpheusspötter, von dem hierzulande nur einzelne Brutpaare siedeln, könnte sich bis zum Ende des Jahrhunderts in den Norden und Westen Deutschlands und die nur in Südwestdeutschland vorkommenden Zaun- und Zippammern sich in ganz Deutschland ausbreiten. Auch das Schwarzkehlchen würde häufiger auftreten.

In den Ländern südöstlich der Ostsee ist die Dichte der Vogelarten derzeit am größten - noch. Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts soll sich diese Region mit der größten Artenvielfalt bis ins nordöstliche Skandinavien verschieben. In Süd- und Westeuropa hingegen werden immer mehr Brutvogelarten verschwinden.

Ausblick

Die Gründe für das Artensterben sind komplex. Globalisierung, Klimaerwärmung spielen neben Waldrodung und ausgeräumten Landschaften sicher die wichtigste Rolle. Worldwatch geht davon aus, dass im Laufe des nächsten Jahrhunderts zwölf Prozent der gesamten Vogelwelt - das sind 1200 Arten - weltweit verschwinden.

Was kann der Einzelne tun?

Einen Weg zeigt der NABU: Mit Hilfe tausender großer und kleiner Naturfreunde erstellt er zwei Mal jährlich eine Liste derjenigen Arten, die in Deutschland am meisten zu beobachten sind. Das ist nicht nur hilfreich für die Statistik, auch der Blick für die Vogelwelt wird geschärft. Außerdem kann man nur schützen - und schätzen - was man kennt. Ein Grund mehr, bei der nächsten Stunde der Gartenvögel aktiv zu werden.