Deutsche Israelpolitik als verfehlte Vergangenheitsbewältigung

Seite 2: Helmut Schmidt, Israel und die "innere Neutralität"

Brandts Nachfolger Helmut Schmidt fühlte sich dem israelischen Staat genauso moralisch verpflichtet wie seine Vorgänger. Seine Sympathie für Israel erklärte er viel später mit der Aussichtslosigkeit eines dauerhaften Friedens zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn. 1966 waren er und seine Frau Loki schon halboffiziell in Israel gewesen und hatten Gespräche mit Gewerkschaftsvertretern und Mitgliedern der Mapai (seit 1968 Arbeitspartei), vor allem mit dem damaligen Außenminister Abba Eban und der Generalsekretärin Golda Meir geführt.

Im selben Jahr war er Mitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft geworden. Allerdings kühlten sich die Beziehungen zu Israel nach dem Jom-Kippur-Krieg international merklich ab und auch Schmidt ging auf Distanz, in die "innere Neutralität", wie er es nannte. Das lag zum einen an der Person des rechtsnationalistischen Menachem Begin, 1977 Nachfolger von Rabin. Mit ihm verband ihn politisch und emotional wenig. Begin war von der Kollektivschuld der Deutschen überzeugt, was Schmidt ablehnte. Vor allem waren es aber die Differenzen über den Umgang mit den Palästinensern.

Als Begin Schmidt unter Vermittlung von Axel Springer bat, sich nicht öffentlich zu bestimmten Fragen des Friedensprozesses, wie z. B. die Siedlungspolitik in den 1967 eroberten und besetzten Gebieten zu äußern, wies das Schmidt zurück. In einem Interview mit der Jerusalem Post v. 22. Juni 1980 sagte er, er glaube nicht, dass das schlechte Gewissen der Deutschen die Basis für die Unterstützung Israels durch die Bundesrepublik sein solle. In einem Interview mit Allon zum Ende der Rabin-Regierung äußerte Schmidt:

Das deutsche Volk habe noch Sympathien für Israel, aber weniger als früher wegen der Westbank und dem Golan.

Das war zweifellos richtig, stärkte aber nicht die Sympathien für Schmidt in Israel. In den Siedlungen sah er die größten Hindernisse für einen Frieden. Er warnte sogar, dass Israels Siedlungspolitik eine Kriegsgefahr heraufbeschwöre. Begin konterte, dass Deutsche, die für den Mord an sechs Millionen Juden, darunter eineinhalb Millionen jüdischen Kindern verantwortlich seien, kein Recht hätten, Israel Ratschläge zu erteilen. Er lehnte auch den Beschluss, die PLO an den Verhandlungen zur Lösung des Konflikts zu beteiligen – eine deutsch-französische Initiative auf dem Gipfel in Venedig im Juni 1980 – kategorisch ab.

Es lief also wenig zwischen den beiden Regierungschefs. Schmidt lehnte es auch ab, einen Gegenbesuch als Kanzler auf den Besuch Rabins im Jahre 1975 nun bei Begin zu machen. Und diesen wiederum behagten so gar nicht die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mit Saudi-Arabien, die Schmidt mit Reisen nach Abu Dhabi und Riad pflegte. Saudi-Arabien bezeichnete er neben USA und Europa als den wichtigsten politischen und wirtschaftlichen Partner.

Diplomatisch fügte er nicht sehr feinfühlig hinzu, dass im Gegensatz zu dem "ganzen moralisch-historischen Gepäck", das mit Auschwitz verbunden sei und die gegenwärtige deutsche Generation sowie die deutsche Außenpolitik belaste, die "arabischen Völker so ziemlich die einzigen (seien), die mit den Deutschen keine negativen Erfahrungen gemacht haben".

Auch das war richtig, genauso wie das, was er dann anfügte, dass man als Deutsche, die den Anspruch auf Selbstbestimmung des deutschen Volkes erheben, auch den moralischen Anspruch des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung einschließlich des Rechtes auf eine staatliche Organisation anerkennen müsse. (Interview im Deutschen Fernsehen zum Stand der deutsch-arabischen Beziehungen, v. 30. April 1981)

Das war Begin zu viel, er griff zur Keule und kritisierte Schmidts Habgier in seinen Geschäften mit den Saudis, warf ihm seine Loyalität zu Hitler als Offizier der Wehrmacht vor und fragte ihn, was er denn mit den Juden an der Ostfront getan habe (Interview im israelischen Rundfunk am 4. Mai 1981).

Und Begin bekam Beifall in Israel. Da half es Schmidt auch nicht, dass er den angestrebten Verkauf von Leopard-2-Panzern und anderem militärischem Gerät an Saudi-Arabien verhindern konnte. Diese Panzer wurden dann einige Jahre später von der Kohl-Regierung verkauft.

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