Deutsche Wohnen & Co.: Kommission hält Enteignungen in Berlin für zulässig
Ergebnis wird von Linken bejubelt, Konzerne werden nervös. Was das Gutachten aussagt, wie Berliner Senat darauf reagieren möchte. Wieso zentrale Probleme ungelöst bleiben.
Das Recht auf Eigentum hat seine Grenzen – das könnten die großen Wohnungsgesellschaften in Berlin bald zu spüren bekommen. Sie zu enteignen und die Wohnungen in Gemeineigentum zu überführen, hält eine vom Berliner Senat eingesetzte Expertenkommission für möglich. Am Mittwoch legte sie ihren Abschlussbericht vor.
Ob Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) dem Bericht folgen wird, ist noch offen. Der Senat werde sich den 152 Seiten starken Bericht genau anschauen, sagte er.
Aus seiner Skepsis gegenüber möglichen Enteignungen machte er keinen Hehl. Berlin benötige bezahlbare Mieten, sagte er laut Handelsblatt und kündigte einen stärkeren Mieterschutz an. "Was nicht passieren darf, dass wir den Neubaumotor abwürgen."
Koalitionsvertrag: Berliner Senat will dem Votum folgen
Der Bericht stellt fest, dass das Grundgesetz die Möglichkeit eines Vergesellschaftungsgesetzes zulässt und das Land Berlin die Kompetenz hat, ein solches Gesetz zu beschließen. Auch das Gebot der Verhältnismäßigkeit wird nach Ansicht der Mehrheit der Kommission nicht beeinträchtigt.
Im September 2021 hatten knapp 59 Prozent der Berliner Wähler in einem Volksentscheid dafür gestimmt, Wohnungsunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen zu enteignen. Daraufhin hatte der Berliner Senat die Expertenkommission eingesetzt. Im April 2022 nahm sie unter der Leitung der ehemaligen Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) ihre Arbeit auf.
Auf Grundlage des Abschlussberichts wird der derzeitige schwarz-rote Senat, der seit Ende April regiert, über das weitere Vorgehen entscheiden. Im Koalitionsvertrag haben CDU und SPD vereinbart, ein Vergesellschaftungsrahmengesetz zu verabschieden, falls die Kommission eine "verfassungskonforme Vergesellschaftungsempfehlung" abgibt. Das Gesetz soll jedoch erst zwei Jahre nach der Verkündung in Kraft treten.
Nervosität der Immobilienwirtschaft
Entsprechend nervös reagiert die Immobilienwirtschaft, auch wenn Enteignungen in nächster Zeit nicht zu erwarten sind. Von einem "Frontalangriff auf die Eigentumsgarantie und die Wirtschaftsverfassung unseres Landes" ist laut Handelsblatt die Rede.
Der Immobilienverband IVD Berlin-Brandenburg mahnt daher zur Vorsicht und betont, dass nicht alles, was rechtlich möglich ist, auch sinnvoll ist. Er hält es aber für einen vernünftigen Schritt, wie vereinbart, ein Rahmengesetz zu erarbeiten und vor dem Bundesverfassungsgericht prüfen zu lassen.
Andere aus der Immobilienwirtschaft sprechen von "ideologisch motivierten Maßnahmen". Rabiate staatliche Eingriffe würden nur zur Verunsicherung auf allen Seiten führen und Investitionen in den Wohnungsbau erheblich beeinträchtigen.
Linke fordert, Volksentscheid umzusetzen
DIE LINKE in Berlin hat den Abschlussbericht begrüßt. Dazu erklärten die Vorsitzenden des Landesverbandes, Franziska Brychcy und Maximilian Schirmer, sowie die Vorsitzenden der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Anne Helm und Carsten Schatz:
Für die Giffey-SPD und Wegner-CDU gibt es jetzt keine Ausreden mehr. Berlin hat sich entschieden, die Kommission gibt grünes Licht – jetzt ist der Senat in der Pflicht und es muss zügig die Umsetzung erfolgen.
Auch die wohnungspolitische Sprecherin der Partei, Caren Lay, sagte, Berlin müsse jetzt eine Vorreiterrolle einnehmen. "Wir fordern den Senat in Berlin auf, ein Umsetzungsgesetz so schnell wie möglich vorzulegen und sich nicht in Ausreden zu verflüchtigen", sagte sie. Berlin müsse als erstes Bundesland ein solches Gesetz vorlegen, was eine Trendwende in der bundesweiten Wohnungspolitik einleiten könne.
Die Debatte um die Enteignungspläne in Berlin könnten künftig noch hitzig werden. Denn die zentrale Frage ist noch längst nicht erklärt: Wie soll auf diesem Wege bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden? Zumal die Einwohnerzahl der Stadt weiterhin wächst. Und ob Enteignungen den Neubau entsprechend stimulieren können, bleibt zu klären.
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