"Deutsche Wohnen & Co. enteignen" will Mehrheit in Berliner Expertenkommission
Um das "Ob" soll es nicht mehr gehen: Notfalls soll es einen weiteren Volksentscheid über die Vergesellschaftung geben – dann über ein ausgearbeitetes Gesetz
Die Initiatoren des erfolgreichen Berliner Volksentscheids "Deutsche Wohnen & Co. enteignen!" haben klargestellt, dass sie sich bei der Besetzung der "Expertenkommission", die dessen Umsetzung prüfen soll, nicht kampflos über den Tisch ziehen lassen.
Die Kommission, deren Einsetzung die Berliner Regierungsparteien SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke im November beschlossen haben, soll nach Meinung von "Deutsche Wohnen & Co. enteignen!" das Ergebnis des Volksentscheids widerspiegeln. Die Mehrheit der Sitze steht demnach Befürwortern der Vergesellschaftung von Immobilienkonzernen mit mehr als 3000 Wohnungen zu. Die Initiative verlangt daher ein "Vorschlagsrecht" bei der Auswahl von 59 Prozent der Kommissionsmitglieder.
"Experte" kann viel heißen
Der Begriff "Expertenkommission" ist vielseitig interpretierbar: Ein Experte ist laut Duden ein "Sachverständiger, Fachmann, Kenner", laut der Online-Enzyklopädie Wikipedia eine "Person, die über überdurchschnittlich umfangreiches Wissen auf einem Fachgebiet oder mehreren bestimmten Sacherschließungen oder über spezielle Fähigkeiten verfügt".
Der Begriff ist also dehnbar und nicht an akademische Abschlüsse gebunden. Das Wissen lässt sich auf vielen Wegen erlangen – gerade, wenn es um das Thema Mieten und Wohnungswirtschaft geht.
Auch eine Mieterin und Aktivistin, die unfreiwillig einen jahrelangen Rechtsstreit führen musste, um ihre Wohnung weiter nutzen zu können, kann auf diesem Gebiet überdurchschnittlich viel wissen und anderen Mieten Tipps geben. Letztere können dann auch ihre Expertise bezeugen, wenn die Tipps hilfreich waren. Überdurchschnittlich viel wissen wird auf diesem Gebiet aber natürlich auch der Hausjurist eines Immobilienkonzerns.
"Eigenwillige Priorität"
Kritik übten die Aktiven von "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" bei einer Pressekonferenz am Freitag an der "eigenwilligen Priorität", die der neue Senat unter Franziska Giffey (SPD) gesetzt habe: "Mit der Immobilienlobby wurde schon zur Umsetzung des Runden Tisches für Neubau gesprochen, mit uns aber noch nicht", so einer der Sprecher die Initiative, Kalle Kunkel. Es könne in der Kommission nicht nur um einen "Fachaustausch" gehen, sondern um einen politischen Aushandlungsprozess, in den die Stadtgesellschaft einbezogen werden müsse.
Der Volksentscheid dürfe "jetzt nicht in irgendwelche Hinterzimmer" verbannt werden, so die Ko-Sprecherin der Initiaitve, Constanze Kehler. Es könne nicht länger darum gehen, über das "Ob" der Vergesellschaftung zu reden, es müsse um das "Wie" gehen.
Nötig sei auch "maximale Transparenz". Die Treffen des Gremiums müssten öffentlich sein, Protokolle der Debatten verfasst und auf einer eigenen Website veröffentlicht werden. "Der Ball liegt jetzt bei Frau Giffey und Herrn Geisel", so Kehler. Wenn die Regierende Bürgermeisterin und der Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen die Initiative nicht bald einläden, "laden wir sie gerne zu uns ein".
Zunächst habe die Initiative kontrovers diskutiert, ob sie sich an der Kommission überhaupt beteiligen solle, sagte Kunkel. Ein "Nischendasein" wollten die Aktiven nicht akzeptieren. "Wir haben einen Volksentscheid gewonnen", betonte er.
Wenn der politische Wille zur Umsetzung fehle, sei auch "ein neuer Volksentscheid mit ausgearbeitetem Gesetz eine Möglichkeit".
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