"Deutschland-Pakt" und Nato-Ziele: Schlagabtausch in Generaldebatte
CDU-Chef Merz sieht die Bundeswehr als "ungeliebtes Kind". Kanzler Scholz verspricht Einhaltung der Zwei-Prozent-Rüstungsquote ab 2028. Was sonst noch verkündet wurde.
Wird die Bundeswehr von den Regierenden stiefmütterlich behandelt? Kaum eine Politikerin wirkt in der Ampel-Koalition so begeistert vom Militärischen wie Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Vorsitzende des Verteidigungsausschusses.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) kann da mit Witzen über Leopardenkostüme im Zusammenhang mit Panzerlieferungen nicht mithalten, wenn Strack-Zimmermann vom "Top-Gun-Feeling pur" schwärmt, nachdem sie auf Einladung des Inspekteurs der Luftwaffe in einem Eurofighter mitfliegen durfte. "Die nötigen medizinischen Checks habe ich natürlich absolviert und bestanden", erklärte sie dazu a, 29. August über den Kurzbotschaftendienst X, ehemals Twitter.
Sie steige in Panzer und Kampfjets der Bundeswehr, weil sie überzeugt sei, nur so glaubhaft für die Interessen der Soldatinnen und Soldaten eintreten zu können. "Und ein bisschen Spaß hat es auch gemacht."
Die Frage, ob der Spaß ausfinanziert ist
Die derzeit größte Oppositionsfraktion ist allerdings nicht überzeugt, dass die Regierungsparteien genug Geld in die Hand nehmen, um diesen Spaß und auch den möglichen Ernstfall zu finanzieren. Ein "ungeliebtes Kind" sei die Bundeswehr zumindest für SPD und Grüne, meint CDU-Chef Friedrich Merz. Dies betonte er am heutigen Mittwoch in der Generaldebatte im Bundestag mit Verweis auf das bisher nicht eingelöste Versprechen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Ende Februar 2022, von nun an "Jahr für Jahr" gemäß der Nato-Ziele mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in seine Wehrhaftigkeit zu investieren.
Nach Nato-Schätzung waren es dann 2022 doch nur rund 1,49 Prozent – aber das Jahr war ja auch schon angebrochen, als Scholz nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine die "Zeitenwende" verkündet hatte. Schon nach kurzer Zeit stehe die Bundeswehr vor einer sehr viel weitreichenderen strukturellen Unterfinanzierung als zu der Zeit, als die Ampel die Bundeswehr vor zwei Jahren übernommen habe, befand Merz. Spätestens 2027 werde eine Lücke von mindestens 30 Milliarden Euro im Verteidigungshaushalt klaffen, von der die Regierung heute keine Vorstellung habe, wie sie gefüllt werden solle.
Scholz habe in seiner Regierungserklärung am 27. Februar 2022 nicht nur versprochen, zwei Prozent des BIP in die Bundeswehr zu investieren, sondern zusätzlich ein schuldenfinanziertes Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Beschaffung großer, langjährig zu finanzierender Waffensysteme zu errichten, so Merz.
Die Union habe auf dieser Geschäftsgrundlage zugestimmt. Stattdessen bediene sich die Ampel aber für den laufenden Betrieb zunehmend aus dem Sondervermögen, um formell das Zwei-Prozent-Ziel zu erfüllen, beklagte er.
Scholz wiederum warf Merz vor, einen "Popanz" aufzubauen und dem Ernst der Lage nicht gerecht zu werden. Der Bundeskanzler will mit "von nun an" beim Zwei-Prozent-Versprechen zumindest nicht "ab sofort" gemeint haben. Die Ampel-Regierung garantiere der Bundeswehr 2028, 2029 und in den gesamten 2030er-Jahren eine Nato-Quote von zwei Prozent, sagte er an diesem Mittwoch.
"Deutschland-Tempo" und "Deutschland-Pakt"
Scholz selbst hatte für diese Generaldebatte unter dem Stichwort "Deutschland-Pakt" den ganz großen Wurf vorbereitet, konzentrierte sich dabei aber auf zivile Infrastruktur. "Die Bürgerinnen und Bürger sind diesen Stillstand leid und ich bin es auch." Es brauche Initiativen wie das Deutschlandticket und das "Deutschlandtempo", mit dem zügig Flüssiggasterminals ans Netz gebracht worden seien, vermengte er zwei Themen, die von Umweltbewussten höchst gegensätzlich werden.
"Wir müssen schneller werden, unkomplizierter, weniger bürokratisch", sagte Scholz. "Schluss mit zwei Meter Aktenordnern für den Bau eines Solardachs." Um Genehmigungsverfahren stark zu beschleunigen, sollen Bund und Länder ein umfassendes Maßnahmenpaket erarbeiten und noch in diesem Jahr auf den Weg bringen, darunter eine Beschleunigung des allgemeinen Verfahrensrechts, eine Digitalisierung von Planungs- und Genehmigungsverfahren und Vereinfachungen beim Wohnungsbau.
Auch Großraum- und Schwertransporte sowie wichtige Straßen- und Schienenprojekte sollen vereinfacht werden. Vor allem um die Straßenprojekte dürfte es noch Auseinandersetzungen mit der Basis der Grünen und ihnen einst nahestehenden Umweltverbänden und Klima-Initiativen geben, die eine Beschleunigung eher zu schätzen wissen, wenn es um den Ausbau der Erneuerbaren Energien gibt.
Die Unionsfraktion im Bundestag signalisierte aber ihre Bereitschaft, einem solchen "Deutschland-Pakt" zuzustimmen – wenn die Ampel-Parteien beim Thema Flucht und Migration noch ein Stückchen weiter nach rechts rücken. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt nannte dies "eine der zentralsten Krisen aktuell in Deutschland". Die Union habe einen klaren Plan zu deren Bewältigung.
"Den können Sie mit uns sofort in der nächsten Sitzungswoche in einen ‚Deutschland-Pakt‘ zur Bewältigung dieser Krise hineinschreiben", sagte Dobrindt in Richtung Scholz.
Gesprochen werden müsse zum Beispiel darüber, dass die Maghreb-Staaten im nördlichen Afrika und nicht nur Moldau und Georgien zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt würden, sagte Dobrindt. Zudem forderte er, Grenzkontrollen wie zu Österreich auch zu Polen und Tschechien einzuführen, was Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bisher blockiere.
Scholz solle zudem mit den Unionsparteien vereinbaren, "dass es endlich aufhört, dass aus Ihrer Regierung heraus die europäischen Beschlüsse zum Außengrenzverfahren torpediert werden. Dann haben Sie einen Pakt mit uns, Herr Bundeskanzler", rief der CSU-Politiker unter Applaus.